Mittwoch, 25. Februar 2009

Rien ne vas plus


Regional Flughafen Bremerhaven (EDWB), Hauptgebäude

Für viel Geld und mit großem technischem und organisatorischem Aufwand wurde der "Flugplatz Luneort" zum modernen "Regionalflughafen Bremerhaven" ausgebaut. Im Gegensatz zu dem mit erheblich größerem Aufwand in Form von Dauersubventionen des Landkreises Cuxhaven künstlich am Leben erhaltenen Zivilbereich auf dem Marineflughafen Nordholz, ist der Regionalflughafen Bremerhaven mit seiner für Flugzeuge bis zu 50 t zugelassenen, 1400 m langen Rollbahn erfolgreich. Mit der technischen Ausstattung für den Nachtflugbetrieb und der Zulassung für den Instrumentenflugbetrieb ist er bei Bedarf täglich 24-Stunden verfügbar. Das Sonntagsjournal vom 22.02.2008 zitiert Herrn Sahr (Regionalflughafen Bremerhaven, Geschäftsführer) mit den Worten: "Die Geschäftsfliegerei ist ein Wachstumsbereich". Unter anderem ist der Flughafen auch der Heimatflughafen der Polarflugzeuge des Bremerhavener Alfred-Wegner-Instituts für Polarforschung (AWI).


Flugzeuge des AWI ("Polar 5" und "Polar 2") in Bremerhaven

Jetzt meinen einige Bremerhavener Politiker, sie würden den Flughafen gerne schließen, um ihn als Gewerbefläche möglichen Firmen aus der Windenergiebranche zur Verfügung stellen zu können. Da Bremerhaven keine freien Gewerbeflächen mehr zur Verfügung stellen könne, hätten einige Firmen sich schon in Cuxhaven oder Brake angesiedelt, die für Bremerhaven mehr als tausend Arbeitsplätze bedeutet hätten.

Hintergrund der Überlegungen ist der angestrebte Erwerb der im Süden Bremerhavens an das Stadtgebiet angrenzenden Luneplate von Niedersachsen im Landkreis Cuxhaven. Dort sollen Gewerbeflächen für Anbieter aus dem Bereich Windenergie geschaffen werden. Da Cuxhaven inzwischen ein eigenes Interesse an der Ansiedlung von Windenergiefirmen in Cuxhaven hat, verlaufen sich die Verhandlungen über den Ver- und Ankauf der Luneplate wohl eher zähflüssig. Cuxhaven fordert im Falle des Verkaufs der Luneplate an Bremerhaven ein Mitspracherecht darüber, welche Firmen sich in einem zu gründenden Gewerbegebiet auf der Luneplate ansiedeln dürfen und welche nicht. Damit ist Bremerhaven natürlich nicht einverstanden.


Bei den Überlegungen zur Aufgabe des Regionalflughafens Bremerhaven zugunsten einer zusätzlich verfügbaren Gewerbefläche bleiben aus meiner Sicht drei wesentliche Punkte völlig unbeachtet:
  • Erstens sollen hier real bestehende Arbeitsplätze auf dem Flughafen bisher nicht existierenden, aber möglicherweise zu erwartenden, neuen Arbeitsplätzen im Windenergiesektor geopfert werden. Das heißt, dass dort erst einmal Menschen arbeitslos werden, weil vielleicht andere Menschen dadurch einen Arbeitsplatz finden könnten. So geht man nicht mit Menschen um! Ob die erhofften Arbeitsplätze mit zur Zeit arbeitslosen Bremerhavenern oder stattdessen möglicherweise mit Neubürgern aus anderen Städten besetzt werden würden, wird an keiner Stelle der Diskussion erwähnt. Damit werden einerseits möglicherweise falsche Hoffnungen bei Bremerhavener Arbeitslosen geweckt, und andererseits wird durch solche Begehrlichkeiten gleichzeitig die Entwicklung der öffentlichen Meinung im Bremerhaven in Richtung "Pro Aufgabe des Regionalflughafens Bremerhaven" gelenkt.
  • Zweitens ist auch die Fläche des Flughafens begrenzt. Es kann dort also nicht jede Windenergiefirma angesiedelt werden, die zukünftig irgendwann einmal Interesse an Bremerhavener Gewerbeflächen bekunden könnte. Welche bestehenden Betriebe mit welchen real existierenden Arbeitsplätzen sollen dann als nächste irgendwelchen imaginären neuen Windenergie- oder sonstigen erhofften Arbeitsplätzen zum Opfer fallen? Davon einmal ganz abgesehen, würde die Aufgabe des Flughafens auch bedeuten, dass 25 Millionen Euro für den Ausbau zum Regionalflughafen in den Sand gesetzt worden wären.
  • Drittens sind Überlegungen, den Flugplatz zugunsten einer Windernergiefirma aufzugeben, für die Verhandlungen mit Niedersachsen über die Überschreibung der Luneplate sicher auch nicht gerade förderlich. Aus Cuxhavener Sicht hätte das gleich mehrere Vorteile. Wenn Bremerhaven die Luneplate nicht für die Ansiedlung weiterer Windenergiefirmen nutzen könnte, und der Platz auf dem Regional Flughafen mit der letzten in Bremerhaven angesiedelten Windenergiefirma zugebaut worden sein würde, dann hätte Cuxhaven die besten Chancen für die Ansiedlung weiterer Firmen aus dem Windenergiebereich. Da der vor sich hin dümpelnde Zivilbereich auf dem Marineflughafen Nordholz bei Cuxhaven nur noch mit Subventionen künstlich am Leben gehalten wird, greifen die dortigen Flughafenbetreiber nach jedem Strohhalm. Angebote an die Fluggesellschaften, die bisher den Regionalflughafen Bremerhaven als Stützpunkt nutzen, werden da wohl nicht lange auf sich warten lassen.
Wie auch immer:
Wenn der Regionalflughafen Bremerhaven geschlossen werden würde, dann würde das für Bremerhaven in jedem Fall einen mehrfachen Verlust bedeuten.

Das Hoheitsgebiet Bremerhavens und die Fläche des bremischen Hafengebiets in Bremerhaven sind begrenzt. Wenn alle Flächen belegt sind, und keine neuen hinzugekauft werden können, dann geht nichts mehr:
"Rien ne vas plus."

Vielleicht sollte man das in Bremerhaven einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Wenn es anders wäre, dann wäre auch das Thema Hafenanbindung über eine Nordumgehung anstelle des jetzt geplanten -unverhältnismäßig teureren - Hafentunnels nie ein Thema gewesen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich ein Bremer Tabu anspreche, aber wenn Bremen und Bremerhaven nicht völlig isoliert innerhalb Niedersachsens lägen, dann wäre ein weiteres Flächenwachstum sicher ein erheblich kleineres Problem, als jetzt, wo Bremerhavens Flächen innerhalb des landbremischen Hoheitsgebietes langsam zur Neige gehen. Wenn über die Expansion des Wirtschaftsstandorts Bremerhaven vorbehaltlos diskutiert werden soll, dann wird man nicht umhin kommen, über kurz oder lang auch in diese Richtung zu denken.


(Quellen: Nordsee-Zeitung, Sonntagsjournal vom 22.02.09, Regionalflughafen Bremerhaven)

5 Kommentare:

Der Geestendorfer hat gesagt…

Hallo Jürgen,

sollten wir Bremerhavener unseren kleinen aber feinen Flughafen für die Windkraftindustrie opfern? Ich würde es tun. Die Polarflugzeuge könnten in Norholz stationiert werden. Auch kleinere Fluglinien, wie die OLT, oder die Bremerhavener Sportflieger könnten von dort aus starten. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn das Land Bremen in Niedersachsen aufgeht. Das wird in der nahen Zukunft nicht passieren. Solange geht der Ansiedlungspoker zwischen den Bundesländern und Regionen weiter. Unser kleiner Nachbar Cuxhaven versucht schon mit einigen Erfolg die Windkraftindustrie bei sich ansiedeln zu lassen. Und ideale Hafenanlagen haben sie leider auch!

Der Arbeitskräftebedarf in der Windkraftindustrie scheint groß zu sein. Arbeitslose werden für diese Firmen umgeschult. Da wird zum Beispiel eine Einzelkauffrau zur Laminierin umgeschult.

Hätten wir keine Landesgrenze, wäre Luneplate wahrscheinlich schon lange für Gewerbebetriebe erschlossen. Und im Norden unserer Stadt gäbe es auch keinen Hickhack wegen der Hafenzufahrt. So wird Bremerhaven als sogenannte freieste Stadtgemeinde in Deutschland von durchschnittlichen Provinzpolitikern regiert. Bremen ist weit weg und Niedersachsen gibt seine Steuergelder lieber in Cuxhaven aus. Es ist ganz schön verzwickt.

Gruß Holger

juwi hat gesagt…

Hallo Holger,

wieviele Arbeitsplätze werden mit einer Firma aus der Windenergiebranche auf dem Gelände des Flughafens geschaffen? Wieviele arbeitslose Bremerhavener profitieren von den neuen Arbeitsplätzen der Firma aus der Windenergiebranche?

Wenn der Flughafen aufgegeben wird, gehen dort bestehende Arbeitsplätze verloren. Wie würdest du darüber denken, wenn dein Arbeitsplatz zugunsten eines Arbeitsplatzes für irgendjemand anders gestrichen werden würde? Darf man bestehende Arbeitsplätze zugunsten möglicher neuer Arbeitsplätze überhaupt vernichten?

Auf die ersten beiden Fragen gibt es keine konkreten Antworten. Eine Antwort unter Vorbehalt wird es erst dann geben, wenn es einen konkreten Asiedlungsplan für eine Firma gibt, die dann möglicherweise ankündigt, soundsoviele Arbeitsplätze zu schaffen. Mit Versprechungen bezüglich einer großen Zahl neuer Arbeitsplätze haben sich schon oft Firmen angesiedelt, die nachher aber tatsächlich viel weniger Arbeitsplätze geschaffen haben. Ein prominentes Beispiel dafür war z.B. Nokia in Bochum. Solange eine neue Firma nicht in vollem Umfang ihre Arbeit aufgenommen hat, kann es sich immer nur um Vermutungen handeln, wenn in der Öffentlichkeit mit irgendwelchen Zahlen hantiert wird. Dabei ist es völlig belanglos, ob es sich um zu erwartende Arbeitsplätze, Umsätze, Besucherzahlen etc. handelt. Wenn etwas politisch gewollt ist, dann werden Summen und Beträge gerne schöngerechnet. Wenn die Politik etwas verhindern will, dann wird kräftig abgerundet.

Die Frage, ob es gerechtfertigt ist, bestehende Arbeitsplätze zugunsten erhoffter neuer Arbeitsplätze zu vernichten beantworte ich mit einem klaren "Nein".

Außerdem werfe ich den Bremerhavener Politikern grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf die Verhandlungen mit Niedersachsen um die Luneplate vor, weil sie mit den öffentlichen Überlegungen zur Schließung des Flughafens zugunsten einer neuen Gewerbefläche Bremerhavens Position aus meiner Sicht erheblich geschwächt haben. Niedersachsen vertritt bei den Verhandlungen mit Sicherheit nicht die Interessen Bremens und Bremerhavens - dafür aber diejenigen von Cuxhaven. Wie ich bereits bereits geschrieben habe, würde Cuxhaven sowohl von der Schließung des Regionalflughafens Bremerhaven, als auch von dem anschließend immer noch begrenzten Platzangebote für neue Gewerbeflächen in Bremerhaven profitieren. Niedersachsen muss die Luneplate ja schließlich nicht an Bremerhaven abtreten.

Gruß,
Jürgen

Anonym hat gesagt…

http://www.youtube.com/watch?v=zIFunS7u-9c

juwi hat gesagt…

Hallo Rüdiger,

danke für den Hinweis auf dein Video. Ich habe es heute in einem Nachtrag zu meinem Artikel "Rien ne vas plus" eingebunden und deine Einführung dazu zitiert.

Rüdiger F. hat gesagt…

was der jürgen bzgl. der landesaufteilung sagt, mag ja grundsätzlich stimmen, aber völlig vergessen wird: man kann nicht 10 arbeitsplätze auf einem flughafen mit 10 arbeitsplätzen einer offshorefirma vergleichen.

flughäfen gehören wie autobahnen und häfen/kaianlagen/bahnhöfe zur sog. suprastruktur... diese hat einzig und allein die funktion, netze/personen/regionen zu verbinden.

schliesst man einen hafen/flughafen/bahnhof nabelt man die region mittelfristig ab. besser als in bremerhaven kann man nicht vom flieger die/eine innenstadt erreichen, das gilt sowohl für touristen als auch für geschäftsflieger, die in den noch näher liegenden fischereihafen oder containterterminal wollen... wer diesen standort-gimmick aufgibt hat keine ahnung und verschleudert mittel- bis langfristig noch mehr geld...

wetten, dass der offshore-boom (sofern es einen gibt) nicht viel länger als 10-15 jahre anhält??? und dann??? einen solchen flughafen wird bremerhaven dann nie wieder hingebaut und genehmigt bekommen, und mit tollen offshore-flächen, die dann brach liegen, hätte bremerhaven erneut einen struktuwandel verpennt...

die stadt ist zu bedauern - verschenkt sie doch anscheinend immer wieder ihr potential durch engstirnigkeit und augenscheinlich praxisferne politiker

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