Montag, 6. Juli 2009

Straßenfest in der Alten Bürger


Alte Bürger, Ecke Schleusenstraße

Wenn irgendwo ein Straßenfest stattfindet, dann treffen sich in der Regel die Anwohner der betreffenden Straße an einem Nachmittag zu einem gemütlichen Nachbarschaftfest bei Kaffee und Kuchen. Beim jährlich stattfindenden Straßenfest in der "Alten Bürger" ist das allerdings etwas völlig anderes: Dort kommen Leute aller Generationen und Anhänger ehemaliger und aktueller Jugend- und Subkulturen aus halb Bremerhaven bei Live Musik, auf der Straße oder in Straßencafés vor den zahlreichen Kneipen, Gaststätten und Restaurants zusammen, um gemeinsam eine große Fete zu feiern.



Der Straßenname "Alte Bürger" ist allerdings in keinem offiziellen Bremerhavener Stadtplan verzeichnet. Früher hieß die Straße zwischen der Rickmersstraße und der Lloydstraße einmal Kaiserstraße. Im weiteren Verlauf in Richtung Süden ging sie in die Bürgermeister-Smidt-Straße über. Die Bürgermeister-Smidt-Straße wird von den Bremerhavenern seit jeher inoffiziell "die Bürger" genannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die ehemalige Kaiserstraße ebenfalls den Namen "Bürgermeister-Smidt-Straße", so dass die Bürger jetzt von der Rickmersstraße im Norden bis zur Fährstraße im Süden verläuft.

Die "Alte Bürger" ist also eigentlich die Neue Bürger - oder die Alte Kaiserstraße. Ich kann allerdings nicht mit Sicherheit sagen, ob der Ausdruck "Alte Bürger" aus einer Kombination aus Alte Kaiserstraße und neue Bürger entstanden ist. Möglicherweise lässt sich die Bezeichnung "Alte Bürger" auch auf die in diesem Abschnitt der Bürgermeister-Smidt-Straße erhalten gebliebenen Gründerzeit-Häuser zurückführen. Südlich des Martin-Donandt-Platzes wurde praktisch der gesamte Gebäudebestand aus der Gründerzeit das Opfer der Bombenangriffe im Jahre 1944. Auf alle Fälle ist die "Alte Bürger" aber so etwas wie ein Markenname des Abschnitts der Bürgermeister-Smidt-Straße, in dem sich eine große Anzahl von Szene Kneipen befindet.



Viele Bremerhavener der "früheren jungen Generationen" werden sich sicher noch wehmütig an das "Wally" erinnern. Diese Eckkneipe an der Kreuzung Schleusenstraße/Alte Bürger war einmal der Treffpunkt in Bremerhaven. Hier verkehrten zusammen mit "ganz normalen Menschen" so unterschiedliche Leute wie zum Beispiel Rocker, Popper, Yippies, Punker, Hafenarbeiter, Hippies, Gymnasiasten oder Akademiker friedlich miteinander, die sich an anderen Orten auch schon einmal handgreiflich in die Quere kamen.


Alte Bürger, Ecke Am Gitter: Eine der Musik Bühnen

Da der Raum im Wally begrenzt war, stand ein großer Teil der Gäste oft in einer dichten Menge vor der Tür auf der Straße. Wenn man abends loszog und Gesellschaft suchte, dann fing man dort an, sich nach zufälligerweise immer anwesenden Bekannten und Freunden umzusehen. Drinnen standen die Gäste dicht an dicht. Jeder Quadratzentimeter wurde ausgenutzt. Für den Weg vom Eingang entlang der Theke zu der kleinen Tanzfläche im hinteren Bereich musste man schon deshalb eine gewisse Zeit einplanen. Da viele der Leute, an denen man sich vorbeiquetschte, Freunde und Bekannte waren, kamen immer auch noch diverse Stopps mit mehr oder weniger langen Unterhaltungen hinzu.

Als das Wally aufgrund von Anwohnerbeschwerden Ende der 1980er Jahre eines Tages zwangsweise schließen musste, gab es einen großen Aufschrei der Empörung in Bremerhaven. Spontane Demos fanden statt, auf denen "Ohne Wally gibt's Krawally" skandiert wurde. Na ja: Ganz so schlimm kam es dann doch nicht. Die Anhänger des Wally blieben trotz ihres Unmuts friedlich - so wie sie es eigentlich schon immer gewesen waren ...

Als das Wally aus dem Haus war, zog ein Lebensmitteldiscounter in die Räume ein. Aber der war bereits nach wenigen Jahren Geschichte. Das war eigentlich vorhersehbar gewesen, da es sich um eine dieser Ketten handelte, die heute eine Filiale eröffnen, um sie morgen wieder zu schließen und eine Straße weiter eine neue zu eröffnen. Seit dem steht der Laden leer. Aber die Szenemeile "Alte Bürger" ist bis heute lebendig, und beim Straßenfest trifft man immer noch die alten Bekannten von damals.

2 Kommentare:

Katinka hat gesagt…

Hallo Juwi,
solche Feste sind immer sehr schön, finde ich. Vor allem, wenn etwas Tradition hat und man viele bekannte Gesichter trifft.

Es ist immer schade, wenn etwas "Alteingesessenes" nicht mehr da ist. Ich denke, so eiwas gibt es in jeder Stadt.

Mit "Mathe um Dich herum" hast Du Recht - aber oft denkt man vermutlich zu kompliziert ;-)

Liebe Grüße und einen schönen Wochenstart
Katinka

Elfe hat gesagt…

Hallo Juwi

So ist es wohl oft, des einen Freud ist des anderen Leid. Offen gesagt, ich bin froh, wohne ich z.B. nicht in der Zürcher Altstadt, wo es viele Bars und Restaurants gibt und entsprechend auch immer einiges los ist. Da haben sich, so viel ich weiß, auch schon Anwohner beschwert, vor allem wenn dann immer Sommer noch so große Events stattfinden, wie letztes Jahr Fußball-Euro und jedes Jahr Feste wie Love Parade und andere. Da ergießen sich Tausende von Teilnehmer in diese Quartiere, das geht dann hoch zu und her.

Doch für so ein Stammlokal als Treffpunkt verschiedener sozialer Schichten ist es schon schade, wenn es eingeht. Manchmal gibt es dann spontan andernorts wieder eine neue Möglichkeit.

Das Festen lassen sich die Bremenhavner auf jeden Fall nicht nehmen, wie deine Bilder zeigen, recht so.

Eine gute Woche wünsche ich dir!
Herzliche Grüsse
Elfe

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