Dienstag, 20. April 2010

Die Zeitschinder von Neckarwestheim


SWR, AKW Neckarwestheim 1: Laufzeitverlängerung mit billigen Taschenspielertricks

Im Atomkonsens wurde im Jahre 2002 zwischen der Bundesregierung und den Atomkraftwerksbetreibern vereinbart, welche Reststrommengen ein Atomkraftwerk, ausgehend von einer Regellaufzeit von etwa 32 Jahren, noch produzieren darf. Auf Grundlage der Stromproduktion der einzelnen Kraftwerke in der Vergangenheit, ergibt sich aus den Reststrommengen, dass das letzte deutsche Atomkraftwerk etwa 2021 stillgelegt werden müsste.

Dementsprechend hätte das Atomkraftwerk "Neckarwestheim 1" der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), das seit 1976 in Betrieb ist, etwa Anfang 2009 stillgelegt werden müssen. Der SWR berichtete im Oktober 2008, das Atomkraftwerk "Neckarwestheim 1" sei bereits zwei Mal über längere Zeit nicht am Netz gewesen. Das sei ungewöhnlich. Herr Michels (EnBW Kernkraft, Neckarwestheim) begründet dieses in dem Filmbeitrag des SWR mit Revisionsarbeiten, die "so lange dauern, wie sie eben brauchen ..." - Ein Schelm der Böses dabei denkt?

Der Zeitpunkt, an dem die im Atomkonsens von 2002 festgelegte Reststrommenge erreicht ist, nach der das Atomkraftwerk "Neckarwestheim 1" abgeschaltet werden muss, verschiebt sich mit jeder weiteren Revision und jedem Tag, an dem das Atomkraftwerk nicht im Normalbetrieb läuft immer weiter in die Zukunft. Schon damals vermuteten Atomkraftgegner, dass die EnBW in der Hoffnung, eine gelb-schwarze Wespenkoalition werde den Automkonsens schon aufkündigen, Zeit schindet, um das Atomkraftwerk über die Bundestagswahl im September 2009 hinweg zu retten.

Dass die Befürchtungen damals nicht unbegründet waren, belegt des "Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie" der Herren Koch und Oettinger (damals Ministerpräsidenten der Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg) vom 14.08.2009:

Auf der Seite 14 des Papiers ist im Abschnitt 5.1 zu lesen, eine Laufzeitverlängerung erfordere die Änderung des Atomgesetzes. Aufgrund der jetzigen Rechtslage müssten entsprechende Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden. Zitat:

"Da Änderungen des Atomgesetzes möglicherweise in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht realisierbar sind, sind neben verschiedenen Varianten von Atomgesetzänderungen (Abschnitt 5.3) auch Maßnahmen im Rahmen des derzeit geltenden Atomgesetzes zu diskutieren (Abschnitt 5.2)."


Im Abschnitt 5.2.1 (Betriebsweise der Atomkraftwerke) wird dann auf die Möglichkeit hingewiesen, dass mit der Drosselung der Leistung der Kernkraftwerke die produzierte Strommenge geringer ausfällt - die im Atomkonsens zugebilligte Restmenge also später erreicht wird - womit sich der Zeitpunkt der Abschaltung auf die Zeit nach der angestrebten Änderung des Atomgesetzes zugunsten längerer Laufzeiten verlängern lässt. Zitat:

"... ist eine Drosselung der Leistung der Kernkraftwerke mit dem Ziel ins Auge zu fassen, den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Änderung des Atomgesetzes zu erreichen."


In der Bundesregierung wird inzwischen über Gesamtlaufzeiten von 60 Jahren gesprochen. Uralt-Reaktoren, die im nächsten Jahr bei normalem Betrieb entsprechend der Vereinbarungen im Atomkonsens aus Sicherheitsgründen abgeschaltet worden wären, werden mit dieser politischen Empfehlung, die von den Atomkonzernen bereits im Voraus praktiziert wurde, für nahezu die doppelte Zeit in Betrieb bleiben, wie Laufzeit, die im Atomkonsens vereinbart worden war. Im Falle des Atomkraftwerks "Neckarwestheim 1" würde das bedeuten, dass entsprechend der derzeitigen Diskussion in der Wespenkoalition nicht vor 2036 mit der Stilllegung zu rechnen ist. Mit einer neuen Pumpe im Kühlkreislauf, oder einem neuen Generator, die man der tickenden Zeitbombe vielleicht von Zeit zu Zeit spendiert, lässt diese sich sicherlich auch weiterhin als "sicheres Atomkraftwerk" verkaufen, um sie noch bis zum St. Nimmerleinstag weiterticken lassen zu können.

Mit einem billigen Taschenspielertrick wurde der Öffentlichkeit auch in diesem Fall die Wahrheit über die Zukunft der sogenannten "sicheren Atomkraftwerke" in Deutschland verschwiegen! Seit dem Super-GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl sollte eigentlich jedem klar geworden sein: Kein Atomkraftwerk der Welt ist sicher genug, um den weiteren Betrieb zu rechtfertigen. Die Uralt-Reaktoren, die schon lange nicht mehr dem aktuellen Stand von Forschung und Technik entsprechen, sind es erst recht nicht. Es ist lange genug getrickst, verbogen und vertuscht worden!

Deshalb sagen wir der Bundesregierung am nächsten Samstag mit der "Ketten(re)Aktion", dem Anti-Atom-Treck, der bereits morgen an den Atomanlagen von Gorleben startet und am Samstag am Atomkraftwerk Krümmel ankommen wird, der Umzingelung der Atomreaktoren in Biblis und dem zentralen NRW-Atomausstiegs-Demonstrationszug vom Bahnhof Ahaus zum Atommüll-Zwischenlager, mit dem an das Unglück von Tschernobyl vor genau 24 Jahren erinnert werden soll, was jetzt zu tun ist:

Atomkraftwerke schnellstmöglich abschalten!


  • Nebenbei bemerkt:
    Auch die Wähler in Nordrhein-Westfahlen können beim abschalten helfen, indem sie bei der Landtagswahl am 9. Mai 2010 ihre Stimme einer anderen Partei geben, als ausgerechnet der CDU oder der FDP. Obwohl ich mir durchaus bewusst darüber bin, dass eine Regionalwahl keine Bundestagswahl ist, fiele meine Entscheidung aufgrund der Auswirkung auf die Zusammensetzung des Bundesrates bei dieser Wahl gegen die beiden genannten Parteien - auch wenn sie vielleicht gute Lösungen für regionale Belange anzubieten hätten! Als Bürger des Landes Bremen habe ich darauf jedoch leider keinen Einfluss.

Aktions- und Menschenkette

(Quellen: Wikipedia, Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie, BUND-Hintergrund - Das AKW Neckarwestheim (Block 1))

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