Sonntag, 9. Mai 2010

Katerstimmung im Wespennest

Seit gestern abend ist die Episode der scharz-gelben Herrschaft der Wespenkoalition in Nordrhein-Westfahlen Vergangenheit. Die Bürger haben zurückgestochen. Auch damit, dass im Bundesrat alles so einfach durchgewinkt werden kann, ist es jetzt erst einmal wieder vorbei.

  • Das macht Hoffnung:
    Der klimaschädliche Bau neuer Kohlekraftwerke, der Irrsinn, die deutschen Atomkraftwerke mindestens weitere 30 Jahre lang zu betreiben, der steuerpolitische Blindflug der FDP und die u.a. auch daraus resultierende Überlastung der Städte und Gemeinden - all das bedarf in der nächsten Zeit in vielen Fällen der Zustimmung der Oppositionsparteien im Bundesrat.

Gestern Abend antwortete Herr Westerwelle auf die Frage, ob das schlechte Abschneiden der FDP bei den Landtagswahlen nicht auch seine Niederlage sei, man gewinne gemeinsam, und man verlöre gemeinsam. Damit hat er zwar ohne Zweifel recht, doch beantwortete das in keiner Weise die an ihn gestellte Frage. Bisher trat er in der Öffentlichkeit immer sehr dominant auf. Die Kritik der Bürger an seinem atompolitischen Kurs oder seiner Steuerpolitik in Zeiten leerer Kassen, die Begünstigungspolitik gegenüber seiner Partei wohlgesonnenen Gruppierungen und Teilen der Wirtschaft oder seine Diffamierungskampagnen gegen die schwächsten unserer Gesellschaft, scherten ihn herzlich wenig.

Da hat Herr Westerwelle es doch richtig gut, wenn er sich jetzt hinter seiner Partei und der gesamten Bundesregierung verstecken kann.

Das Wahlergebnis sei ein Warnschuss - auch für die Bundesregierung, verkündete Herr Westerwelle gestern Abend gleich mehrmals. Dieser sei gehört worden. - Allerdings ließ Herr Westerwelle nicht wirklich erkennen, dass er auch meinte, was er da sagte. Ich hatte eher den Eindruck, er sei vielleicht etwas irritiert. Die wichtigste Aufgabe der FDP sei es jetzt, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen.

Ich habe zu wenig Informationen darüber, mit welchem landespolitischen Programm die FDP zu Wahl angetreten war. Aber zumindest auf bundespolitischer Ebene war doch eigentlich bereits lange vor dem gestrigen Wahltag klar zu erkennen, dass Herr Westerwelle und seine Partei das Vertrauen der Bundesbürger schon längst verspielt hatten. Die monatlichen Umfragen von ARD und ZDF belegen diesen Trend. Es wäre also Zeit genug gewesen, auf die Bürger zu hören, und den bundespolitischen Kurs der FDP zu korrigieren.

Angesichts der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise beharrt die FDP jedoch wie ein trotzköpfiges kleines Kind auf ihren Steuersenkungen. Gegen den deutlich erkennbaren Willen der Bürger hält sie ebenfalls an ihrem radikalen Umbau der Gesundheit und längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke fest. Für all dies steht seit der letzten Bundestagswahl insbesondere Herr Westerwelle. Sollte die FDP tatsächlich die Absicht haben, "das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen", dann sollte sie neben Korrekturen an wesentlichen Teilen ihres Regierungsprogramms vielleicht auch ernsthaft über einen neuen Parteivorsitzenden nachdenken.


Vorläufiges amtliches Wahlergebnis

Die FDP kann zwar in Nordrhein-Westfahlen mit 6,7 Prozent eine leichte Verbesserung ihres Stimmenanteils verzeichnen, bleibt damit aber deutlich hinter ihren Zugewinnen bei der Bundestagswahl zurück. Ihr Ziel, ein zweistelliges Ergebnis zu erreichen, konnte sie nicht erreichen. Im künftigen Landtag wird sie mit 13 Sitzen vertreten sein. Für ihren ehemaligen Koalitionspartner CDU ist das Ergebnis der Landtagswahl ein verheerender Erdrutsch. Sie verlor 10% gegenüber dem Ergebnis der vorhergehenden Landtagswahl, und damit ihr schlechtestes Wahlergebnis in Nordrhein-Westfahlen überhaupt.

Frau Kraft (SPD, Spitzenkandidatin) war gestern Abend anfangs zwar noch guter Hoffnung, dass sie zusammen mit den Grünen die zukünftige Regierung in Nordrhein-Westfahlen stellen könne, doch nach dem Ergebnis des vorläufigen amtlichen Wahlergebnisses, fehlt der SPD und den Grünen dafür ein Sitz im Landtag. Auch die SPD musste Verluste an ihrem Stimmenanteil hinnehmen. Mit jeweils 67 Sitzen werden SPD und CDU im gleich stark im neuen Landtag vertreten sein.

Die eigentlichen Gewinner der Landtagswahl in Nordrhein-Westfahlen sind aber die Grünen, deren Stimmenanteil sich von 6,2 auf 12,1 Prozent nahezu verdoppelte. Mit ihrem besten Wahlergebnis, das sie bisher dort erreichen konnten, errangen die Grünen 23 Sitze im neuen Landtag.

Mit 5,6 Prozent und 11 Sitzen ist seit gestern Abend auch die Linkspartei im Landtag von Nordrhein-Westfalen vertreten.


Konstellationen

Sowohl die Vertreter der Grünen, als auch diejenigen der SPD hatten noch gestern Abend erkennen lassen, dass sie am liebsten eine Rot-Grüne Landesregierung bilden würden. Dafür reicht es jetzt nicht mehr. Beide ließen erkennen, dass ihnen an einem wirklichen Politikwechsel in Nordrhein-Westfahlen gelegen ist. Das werden sie jedoch wohl nur erreichen, wenn sie sich auf Gespräche mit der Linken einlassen. Diese Partei ist den meisten "etablierten" Politikern aller anderen Parteien zwar irgendwie lästig, aber "ignorieren" geht wohl auch nicht mehr. Die anderen Parteien werden sich also wohl oder übel aktiv mit der Linken auseinandersetzen müssen. Dazu gehören auch Sondierungsgespräche, wenn es um die Bildung neuer Regierungskoalitionen geht. Angesichts wachsender Stimmenanteile der Linken wird man diese jedenfalls künftig ebenso zu Kenntnis nehmen müssen, wie die FDP.

Auch einer schwarz-grünen Koalition würde ein Sitz im Landtag fehlen. Der von den Grünen angestrebte Politikwechsel wäre damit allerdings wohl kaum möglich. Allerdings fehlt einer solchen Anfangskonstellation ohnehin die dritte Partei im Bunde. Die FDP als Mehrheitsbeschaffer kommt für die Grünen nicht in Frage und die Linken sind der CDU ein Dorn im Auge.

Denkbar wäre natürlich auch eine Große Koalition aus SPD und CDU. Aufgrund des gleichen Anzahl der Sitze im neuen Landtag wäre der Streit darüber, ob es künftig eine Ministerpräsidentin Kraft oder weiterhin einen Ministerpräsidenten Rüttgers in Nordrhein-Westfahlen geben soll, wohl schon vorprogrammiert. Auch scheint es weitere landespolitische Differenzen zwischen SPD und CDU zu geben, und die Mehrheit im Bundesrat gewönne die CDU mit einer Großen Koalition in Nordrhein-Westfahlen auch nicht zurück. Bei Meinungsverschiedenheiten müssten sich die Vertreter der Landesregierung im Bundesrat der Stimme enthalten.

Wie auch immer: Es bleibt wohl noch für einige Zeit spannend in Nordrhein-Westfahlen.


(Quelle: ARD-Tagesschau vom 10.05.2010)

4 Kommentare:

Grey Owl Calluna hat gesagt…

Lieber Jürgen!
Ich hab´s nur am Rande mitbekommen.
Du weißt ja, so sehr für die politischen Spielchen interessiere ich mich nicht. Kindergarten, Frlefans....
Aber,....ich mußte schon lachen für die "Klatsche", die die Schwar-Gelben (..ist doch richtig, oder?) bekommen haben und gefreut habe ich mich, dass die Linkspartei jetzt dabei ist.
Sei lieb gegrüßt
Rosi

Helmut hat gesagt…

Ja, Jürgen über die Klatsche habe ich mich auch gefreut. Nur wurd dann ausgezählt, bis sich das Ergebnis verändert hat. "Arbeiterführer" Rüttgers will nicht weichen !!! Nach dem Motto wir sind die stärkste Kraft.Und die Medien beginnen schon wieder mit der gleichen Leier: Nieder mit den Linken !!! Hoffentlich hält Kraft das Theater aus. Ich wünsche mir auf alle Fälle KEINE große Koalition!!! Doch ich denke die SP läßt sich schon wieder ie Butter vom Brot nehmen.

Dr. No hat gesagt…

Ach, warten wir mal ab, ob sich die Grünen nicht schon wieder von ihrer Machtgeilheit übermannen lassen - siehe Saarland. Und was eine grüne Regierungsbeteiligung für die Kohlekraftwerke bedeutet, möchte ich auch mal dahingestellt lassen - siehe Hamburg.

Ich bin da recht illusionslos: Wenn die FDP nicht einen Seitenwechsel mit wehenden Fahnen vollzieht, wird es wohl zu einer Großen Koalition kommen. Was nun schlimmer ist - die jahrelange Pattsituation einer GroKo oder eine weitere Regierungsbeteiligung der Neoliberalen - ich weiß es nicht.

Ich plädiere für einen rot-rot-grünen Versuch. Wenn sich die Linke in NRW tatsächlich als "nicht regierungsfähig" herausstellen sollte, wie ihr überall nachgesagt wird, dann ist das halt so - dann wird eben neu verhandelt. Schlimmer als die FDP in Berlin kann sie sich auch nicht gebaren.

Allein der SPD fehlt es wohl am Mut, fürchte ich - und am Willen, endlich mal ihre gekränkte Eitelkeit zu überwinden. Die Ypsilanti-Knüppel werden jedenfalls schon auf Hochglanz poliert.

juwi hat gesagt…

@Helmut, Dr. No: Mit Blick auf die Energie, Klima und Atompolitik sowohl in NRW als auch im Bund wäre eine große Koalition der GAU. Auf Platz zwei meiner Katastrophen Hitliste folgt eine Regierungsbeteiligung der FDP. Die haben am lautesten geschrien, als Frau Ypsilanti damals ihre Meinung geändert hatte. Da werden sie jetzt ja wohl nicht dir Frechheit besitzen, das gleiche zu tun ... - oder etwa doch? Auch wenn Dr. No pessimistisch ist: Rot Rot Grün wäre dafür die beste Option - und die Linke könnte bei der Gelegenheit ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen. Das wünscht sich übrigens ebenfalls eine Mehrheit von 57,9 Prozent bei einer nicht repräsentativen Umfrage der ARD (Derzeit 51219 Stimmen, http://umfrage.tagesschau.de/umfrage/poll_dbdata.php?oid=umfragenrwwahl100)

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