Donnerstag, 27. Mai 2010

Melkkühe gesucht

Das wurde auch Zeit. Mit dem angekündigten Abgang des Herrn Koch aus Hessen scheint das für die Zukunft unserer Gesellschaft schädliche Gerede vom Sparen in den Bereichen Bildung und Forschung innerhalb der Bundesregierung endlich vom Tisch zu sein. Bereiche wie Bildung, Forschung oder der Klimaschutz, die entscheidend für die Sicherung der Zukunft Deutschlands und der Erde sind, müssen als Melkkühe für Sparmaßnahmen tabu bleiben.

Beruhigenderweise berichtet die Nordsee-Zeitung in ihrer Ausgabe von gestern, Herr Kampeter (CDU, Finanz-Staatssekretär) habe gesagt, bei der Bildung werde die Regierung einen politischen Schwerpunkt setzen.

Das war's dann aber auch schon. Angesichts fast täglich neuer Hiobsbotschaften zur Lage der Weltwirtschaft fällt der schwarz-gelb gestreiften Wespenkoalition in Berlin wieder einmal nichts besseres ein, als den Rotstift genau bei denen anzusetzen, die schon für die letzten Sparmaßnahmen als Melkkühe der Nation herhalten mussten: Bei den Arbeitslosen und Hartz-IV Abhängigen. So kann man dem Artikel der Nordsee-Zeitung entnehmen, Herr Friedrich (CSU, Chef CSU-Landesgruppe im Bundestag) habe gefordert, die Zuschüsse des Bundes für die Arbeitsagentur auf null zu fahren. Auch Herr Schäuble (CDU, Bundesfinanzminister) halte den rund 143 Milliarden schweren Arbeits- und Sozialetat für eine fette Melkkuh. Die Arbeitslosen und Hartz-IV Abhängigen wird's freuen. Wenn der Staat die Sozialkassen leergesaugt hat, dann gibt es daraus kein Geld mehr zu verteilen. Die Arbeitslosen werden dann zwar mangels geeigneter Arbeitsplätze immer noch keine Arbeit haben, von der sie ihren Lebensunterhalt verdienen könnten, brauchen sich aber wenigstens nicht mehr vorwerfen zu lassen, sie lägen faul in der sozialen Hängematte. Wahrscheinlicher ist eher, dass sie dann untätig auf der Straße sitzen werden.


Klima Kuh

Woran aus meiner Sicht aber überhaupt nicht gespart werden darf ist der Klimaschutz. Während CDU, CSU und FDP neue Kohlekraftwerke bauen wollen, und Forschungsprojekte zur unterirdischen "Endlagerung" des bei deren Betrieb entstehenden Kohlendioxids (CO2) fördern, und aufgrund der angestrebten Laufzeitverlängerungen für die deutschen Atomkraftwerke auch dafür mit weiteren Subventionen zu rechnen ist, will die Bundesregierung bei der Förderung des Aufbaus der solaren Energieerzeugung sparen, indem sie die die Subventionierung dafür zurückfährt.

Dabei sollte auch den Berliner Wespen eigentlich so langsam dämmern, dass unser Planet, auf dessen Unversehrtheit die gesamte Menschheit einen Anspruch hat, keine geeignete Melkkuh ist. Man kann es nicht oft genug erwähnen: Wir haben nur den einen! Kraftwerke, die CO2-neutral mit nachwachsenden Rohstoffen oder Biogas, das in der Landwirtschaft eigentlich als unerwünschtes Abfallprodukt anfällt, befeuert werden, sowie Wind, Wasser und Sonne sind Energiequellen, deren Erschließung es trotz weltweiter Wirtschaftskrisen zu fördern gilt. Die Förderung der Energie-Dinosaurier Kohle, Öl und Atomkraft bindet die für die Subventionierung der erneuerbaren Energien dringend notwendigen Mittel, und gefährdet die Existenz von Firmen und deren Arbeitsplätze, die gerade dabei sind, den Energiesektor der Zukunft zu erschließen. Wenn es niemanden mehr gibt, der am Umbau der Energieversorgung der Zukunft arbeiten kann, dann war es das mit der Einhaltung des "maximal plus 2 Grad" Ziels. Außerdem ist weniger Arbeit gleichbedeutend mit mehr Arbeitslosen, die sich um den schrumpfenden Hartz-IV Trog drängeln werden.


Steuersenkungenerhöhungen

Und dann ist da ja auch noch die FDP mit ihrem Wahlversprechen, die Steuern zu senken. Dafür ist sie ja schließlich gewählt worden ... - obwohl eigentlich schon lange vor dem September 2009 klar war, dass die dafür verfügbaren Staatsfinanzen angesichts der andauernden Weltwirtschaftskrise nicht ausreichen würden. Die Lage ist seitdem nicht besser geworden. Das hat die FDP bisher nicht daran gehindert, gebetsmühlenartig auf ihrer Forderung nach Steuersenkungen zu bestehen. Mit der Neuverschuldung zu Beginn ihrer Legislaturperiode haben die Berliner Wespen den bisherigen Rekord gebrochen, und der drohende Staatsbankrott Griechenlands sowie die daraufhin beschlossenen Maßnahmen der EU waren das Sahnehäubchen auf dem sich abzeichnenden neuen Finanzdebakel.

Der Bruch des wichtigsten Wahlversprechens der FDP beginnt sich denn auch so langsam schon abzuzeichnen. Die Nordsee-Zeitung schrieb gestern, Herr Lindner (FDP, Generalsekretär) habe gesagt, die FDP habe ihre Prioritäten neu geordnet. Auch Steuererhöhungen seien nicht mehr tabu. Das wäre dann das glatte Gegenteil der verprochenen Steuersenkungen, und für die Wähler der FDP bliebe nichts als die bittere Erkenntis, dass sie den verlockenden Verprechungen dieser Partei aus reiner Geldgier auf den Leim gegangen sind, ohne die Frage zu stellen, wer dafür bluten muss.

Um noch einmal auf das oben genannte Sahnehäubchen zurückzukommen: Die finanzielle Lage Griechenlands scheint ja offensichtlich nicht das einzige Problem der EU zu sein. Die derzeitigen Nachrichten über die finanzielle Lage Spaniens lassen zum Beispiel ebenfalls nicht viel Raum für Optimismus. Immerhin will Spanien aber die Diäten seiner Parlamentarier um mindestens zehn Prozent senken. Auf Auslandsdienstreisen sollen diese künftig weitgehend verzichten. Auch bei den Bürgermeistern der Städte und Gemeinden will Spanien sparen. In Deutschland sind solche Melkkühe - im Gegensatz zu den Arbeitslosen und Hartz-IV Abhängigen - bisher jedoch tabu.

Wenn möglicherweise bald in Brüssel der nächste Klingelbeutel für Spanien oder andere EU-Staaten herumgereicht wird, dann werden es wohl hierzulande wieder die Arbeitslosen sein, die ihre letzten Hemden dort hineinwerfen müssen. Irgendwann wird nämlich auch bei denen nichts mehr zu holen sein.


Kampfkuh tabu

Viel Geld könnte die Bundesregierung einsparen, wenn sie endlich ihr unglückseeliges Afghanistan Abenteuer beenden würde, und die Bundeswehr wieder zu der Einrichtung machen würde, als die sie einmal gegründet wurde: Eine Armee zur Verteidigung des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland gegen den Angriff der Armee eines anderen Staates. Wenn Herr zu Guttenberg (CSU, Bundesverteidigungsminister) verkündet, er wolle angesichts der prekären deutschen Wirtschaftslage 1 Milliarde Euro einsparen, dann ist das nicht viel mehr als eine nette Geste gegenüber seinen Kollegen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat ausgerechnet, dass allein der Afghanistan-Krieg den Steuerzahlern insgesamt etwa 36 Milliarden Euro kosten wird. Dabei setzt es voraus, dass die derzeitige Truppenstärke nicht erhöht und der Kriegseinsatz 2013 beendet wird. Während die Regierung von einer Milliarde Euro pro Jahr spricht hat das DIW Kosten von rund drei Milliarden Euro pro Jahr für den Krieg in Afghanistan errechnet. Für das laufende Jahr 2010 beträgt der Bundeswehretat 31,11 Milliarden Euro. Aber bevor die Kampfkuh gemolken wird, würden die Politiker Deutschland lieber zuerst einmal bankrott sparen. In diesem Punkt sind sie sich - bis auf wenige Ausnahmen - über Parteigrenzen hinweg schon immer einig gewesen.


(Nordsee-Zeitung vom 26.05.2010, Welt online vom 05.02.2010 und vom 24.05.2010, Zeit online vom 12.05.2010, N24 vom 06.05.2010, BMU: Förderung erneuerbarer Energien im Vergleich zur Förderung der Atomenergie in Deutschland vom Juli 2007, SPD: Argumente zur Atomenergie vom März 2009, Spiegel vom 20.05.2010, BMV: Bundeswehr-Etat 2009)


4 Kommentare:

Helmut hat gesagt…

Gut gebrüllt Löwe. Sparen kann man viel, sehr viel sogar. z.B. ALLE Auslandseinsätze der BW auf Null reduzieren. (P.S. Hast du Köhler's schwachsinnige Argumente dazu gehört???) Keine neuen KRIEGSWAFFEN anschaffen. Weshalb auch??? Die Tobin-Steuer einführen Die Coba-Aktien bei einem Kurs von 8 € verkaufen, ganz gleich ob der Laden danach Pleite geht.

Anonym hat gesagt…

Hoi!

Auch eine spannende Angelegenheit, die den Geist der Zeit in seiner Grausamkeit enthüllt ist, dass die Wirtschaft selbst sich wieder zu erholen begonnen hat; die Arbeitslosenzahlen aber gleich (hoch) geblieben sind...

Das Volk ist die Melkkuh des Kapitals.

lG,
Daniel

juwi hat gesagt…

@Helmut: Ja, darüber hatte ich schon in einem anderen Blog gelesen. Das Thema passte hier nur nicht so recht hinein.

@Daniel: Das war - zumindest in (west-)Deutschland - eigentlich schon immer so: In der Konjunktur wurden (und werden) Gewinne eingefahren, die von den Firmen zum Teil dafür verwendet Wurden, die kommende Rezession zu überstehen. In der Rezession wurden die Leute entlassen. Zu Beginn der folgenden Konjunktur wurde in Maschinen, Automation, IT etc. investiert. Erst dann wurden neue Leute eingestellt - im wesentlichen Spezialisten für die neuen Maschinen etc. Die "normalen Handwerker" blieben dabei auf der Strecke. Das ging dann immer so weiter. Inzwischen sind wir so weit gekommen, dass es nur noch eine begrenzte Anzahl Arbeitsplätze für Ingenieure, Facharbeiter und Spezialisten gibt. Die Masse der Arbeitslosen sind "Handwerker", also Arbeiter, die kaum eine Chance haben, jemals einen der rar gewordenen "normalen" Arbeitsplätze zu ergattern. Das schlägt sich dann auch in den Chancen der Schulabgänger nieder. Realschüler bekommen heute die Arbeitsplätze, die früher an Hauptschüler vergeben wurden. Gymnasiasten, die nicht studieren, besetzen derweil die ehemals den Realschulabgängern vorbehaltenen Arbeitsplätze. Allein deshalb ist unser dreigliedriges Schulsystem eigentlich nur noch eine Farce. Da wird schon unter den Kindern und Jugentlichen nur noch die Spreu vom Weizen getrennt, und die heutigen Hauptschüler sind dann die Arbeitslosen von morgen.

Anonym hat gesagt…

Aloha,

allerdings - wirklich neu ist dsa Verhalten natürlich nicht. In diesem Zusammenhang hat man ja nicht umsonst den herrlich zynischen Begriff "Gesundschrumpfung" erfunden.

lG,
Daniel

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