Donnerstag, 6. Januar 2011

4302 meldepflichtige Ereignisse seit 1974

Atomkraft? Nein Danke!Auch wenn vielleicht viele der aus dem Atomkraftwerk Unterweser gemeldeten Ereignisse der Meldungskategorie "N" zugeordnet werden können, so ist bei 10 bis 11 meldepflichtigen Ereignisse pro Jahr der Störfall schon beinahe der Normalfall. Und das trifft nicht nur für den Meiler an der Weser zu ...

Nach meinem Artikel über das Atomkraftwerk Unterweser bin ich gefragt worden, ob ich Informationen darüber habe, wann es nach der verlängerten Betriebsgenehmigung seitens der wespenfarbenen Bundesregierung abgeschaltet werden wird. Dazu kann ich nur soviel sagen: Es heißt, es werde 2020 stillgelegt werden. Nur: Glauben mag ich das nicht. Wer weiß denn heute schon, wie viele Verlängerungen von Betriebsgenehmigungen für Atomkraftwerke uns im Falle weiterer CDU/CSU und FDP Regierungen noch bevorstehen?

Da derartige Fragen wohl für alle Atomkraftwerke interessant sein dürften, habe ich heute einmal eine Tabelle zusammengestellt, aus der
  • die Betriebszeiten (Erst-Inbetriebnahme bis 31.01.2010)
  • die Zeitpunkte der Stilllegung (Atomkonsens von 2000 mit Stand vom Mai 2010)
  • die Zeitpunkte der voraussichtlichen Stilllegung ("Laufzeitverlängerung")
  • und ein Ranking der meldepflichtigen Störfälle
  • während der bisherigen Betriebsjahre bis zum 31.10.2010
  • und der mittleren Anzahl der Störfälle pro Betriebsjahr
hervorgehen.

Die Liste der meldepflichtigen Ereignisse, die glücklicherweise nicht zu einem GAU oder Super-GAU geführt haben, ist auf besorgniserregende Weise äußerst beeindruckend. Allein aus den 17 noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken wurden seit 1974 (Erst-Inbetriebnahme des ältesten noch betriebenen Atomkraftwerks "Biblis A") bis zum 31.10.2010 insgesamt 4302 Erreignisse gemeldet. Das waren während der 36 Jahre im Mittel knapp 120 Ereignisse pro Jahr - oder anders ausgedrückt: An jeden 2. Tag hatten die Atomkonzerne ein Ereignis zu melden! Diese Zahlen habe ich mir nicht ausgedacht. Sie stammen aus einer Tabelle des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Hinzu kommen noch die meldepflichtigen Ereignisse der drei inzwischen stillgelegten Atomkraftwerke Obrigheim, Mühlheim-Kärlich und Stade sowie die der DDR im Osten Deutschlands. Von einem reibungslosen - also sicheren! - Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland kann also wohl kaum die Rede sein.

In meiner Tabelle habe ich das Atomkraftwerk "Unterweser" hervorgehoben, weil es nur 15 km Luftlinie vom Zentrum Bremerhavens entfernt auf der anderen Seite der Weser liegt. In beiden Rankings liegt es an der oberen Grenze des Mittelfeldes der 17 Atomkraftwerke. 

Bei der Betrachtung der Gesamtbetriebszeit belegt es den 6. Platz (337 meldepflichtige Ereignisse) und bezogen auf die mittlere Anzahl der Störfälle (10,5 meldepflichtige Ereignisse pro Jahr) kommt es auf Platz 7. Bei der gesamten Anzahl der meldepflichtigen Ereignisse liegt es sogar noch vor dem Vattenfall-Pannenreaktor "Krümmel" (320 meldepflichtige Ereignisse) bei Hamburg. Angeführt wird das Feld in beiden Kategorien vom Vattenfall-Pannenreaktor "Brunsbüttel" (462 meldepflichtige Ereignisse bzw. 13,6 pro Jahr) gefolgt vom AKW "Neckarwestheim 1" (ebenfalls in beiden Kategorien: Insgesamt 425 und 12,5 meldepflichtige Ereignisse pro Jahr).


Tabelle:
Atomkraftwerke in Deutschland
Betriebszeiten (Atomkonsens, plus Betriebsverlängerung),
Anzahl der Störfälle und Störfall-Ranking



Zum Vergrößern bitte auf die Vorschau-Tabelle klicken

Bei der Betrachtung der meldepflichtigen Ereignisse "pro Jahr" ist zu bedenken, dass sich die möglichen zukünftigen Störfälle der einzelnen Atomkraftwerke natürlich nicht berücksichtigen lassen.


Lubmin niX da!

(Quellen: BfS, AKW-Standorte - Stand: 31.10.2010, Agenda 21 Treffpunkt - Stand: 31.10.2010, Interaktive Grafik des ZDF)

5 Kommentare:

Cloudy hat gesagt…

Vor vielen Jahren noch wurden bei uns Broschüren zum Verhalten bei einem Gau des AKW in Grohnde verteilt, mit besonderem Hinweis auf Jod.
Solche Dinge gibt es heute gar nicht mehr, jedenfalls nicht hier. Soll wohl heißen, dass die AKW's jährlich sicherer werden...:-)

Servus und so long
Kvelli

Der Geestendorfer hat gesagt…

Hallo Jürgen,

dankeschön für Deine detaillierte Recherche. Es ist ja beunruhigend, dass wir an der Wesermündung weiterhin "eine strahlende Zukunft" haben.

Tschüss
Holger

juwi hat gesagt…

Kvelli: Vor vielen Jahre wurde auch einmal gesagt, man solle sich eine Aktentasche über den Kopf halten, wenn eine Atombombe explodiert ... - Was damals nicht erzählt wurde: Die erhöhte Jodzufuhr schützt lediglich die Schilddrüse davor, das sich dort zusätzlich radioaktives Jod einlagern kann. Radioaktive Patikel in der Lunge, oder im Magen-Darm-Trakt können jedoch weiterhin Schaden anrichten. - Nee: Sicherer sind die AKWs nicht geworden. Im Gegenteil: Je älter sie werden, desto störanfälliger werden sie.

@Holger: Dor nich för! :)

bigi hat gesagt…

Klar werden sie sicherer, sie werden ganz sicherer unsicherer :o))
Heute früh haben sie im NordMagazin Bilder vom AtomKlo Lubmin gezeigt. Sellering & Co waren doch vor Ort zur Diskussion.
Wenn man sich die Behältnisse anschaut, die schon drin stehen, wird einem speiübel. Naja, ist ja erstmal nur der Lack ab und der erste Rost dran - das dauert ja noch mindestens JahrMillionen bis da was rauskommt *grmpf*
Liebe Grüße von der östlichen See
bigi

juwi hat gesagt…

@bigi: Dein Wort in des großen Weltencheffs Gehörgang - aber ich befürchte, die Castoren werden weitaus früher undicht sein. Deshalb wäre ich dafür, sie oberirdisch in Bunkern zu lagern. Es ist mir schon klar, dass auch das keine Patentlösung ist (die hat niemand!), aber man hätte die Dinger dann zumindest im Blick, und könnte rechtzeitig damit beginnen, den gefährlichen Inhalt in neue Behälter umzupacken. Sind die Castoren erst unter der Erde und aus dem Blick, dann sind sie auch aus dem Sinn. Seitdem der Super-GAU der Endlager-Gläubigen im ehemaligen Salzbergwerk Asse-II kein Geheimnis mehr ist wissen wir es ja ganz genau: Die im Dunkeln sieht man nicht (und auch nicht das, was die da unten treiben)!

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