Dienstag, 25. Januar 2011

Landwirtschaft statt Agrarindustrie


Berlin, 22.01.2011: Demonstration für eine grundlegende Wende in der Agrarpolitik

Rund 22000 Menschen aus allen Teilen der Bundesrepublik demonstrierten am 22.01.2010 in Berlin für eine grundlegende Wende in der Agrarpolitik und grundlegende Konsequenzen aus dem Dioxin-Skandal. Derartige Bestrebungen gibt es auch in der EU.

Herr Ciolos (Landwirtschaftskommissar) will die milliardenschweren Subventionen der industriellen Landwirtschaft massiv herunterfahren und stattdessen mit den freiwerdenden Mitteln bäuerliche Betriebe fördern, die biologische Landwirtschaft betreiben und strenge Umweltauflagen einhalten. Ausgerechnet Deutschland erweist sich dabei jedoch als Bremsklotz. Frau Aigner (CSU, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) folgt bisher weithin den Interessen der Massentierhalter und der industriellen Landwirtschaft. Zu mehr als einem winzig kleinen Quäntchen "Öko" hier und da konnte sie sich noch nicht durchringen.


Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen

Daher können die angekündigten Konsequenzen aus dem aktuellen Futtermittel-Dioxin-Skandal in meinen Augen nur Makulatur bleiben, solange die eigentlichen Ursachen, die zu dieser Entwicklung geführt haben, weiterhin Bestand haben. Im Grunde genommen geht es um die notwendige Rückbesinnung auf unsere natürlichen Lebensgrundlagen: Den Schutz unserer natürlichen Umwelt. So forderte zum Beispiel auch Herr Weiger (Bundes für Umwelt und Naturschutz "BUND", Vorsitzender) in Berlin von den Politikern, sie sollten endlich den Mut haben, sich mit dem "Agro-Business" anzulegen. Das gesamte System müsse an die Leine gelegt werden.

Herr Felix Prinz zu Löwenstein (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Vorsitzender) forderte Frau Aigner auf, sich in Brüssel für eine europaweite naturverträgliche Landwirtschaft einzusetzen. Die FAZ zitierte ihn in einem Artikel vom 22.01.2011 auf ihrer Internetseite mit den Worten: "Etwas anderes können wir angesichts der Bedrohungen durch den Klimawandel und einer immer gefährlicheren Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen nicht mehr verantworten."

Frau Heubuch (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Bundesvorsitzende) sprach im Zusammenhang mit Massentierhaltung und Gentechnik von einer gefährlichen Sackgasse für die Bauern und einem Risiko für die Verbraucher. Sie forderte ein Verbot der industriellen Landwirtschaft und das Ende der Subventionen der Agrarfabriken aus Steuermitteln.

Die globale Dimension verdeutlichte Herr Bassey (Nigeria, Umweltorganisation "Friends of the Earth", Vorsitzender, und Träger des alternativen Nobelpreises). Er bezeichnete die Auswirkungen der europäischen Agrarpolitik in den Entwicklungsländern als verheerend. Für die Ernährungssicherheit der Welt sei der weltweite Protest der Zivilbevölkerung gegen Gentechnik, Agrarfabriken und Dumping-Exporte dringend notwendig. Zu dieser Facette der Agrarpolitik und der Nahrungsmittelindustie zitierte die FAZ in einem Online-Artikel vom 23.01.2011 Frau Aigner mit den Worten: "Die Ausschreitungen in Algerien und Tunesien haben ihren Grund auch in den steigenden Lebensmittelpreisen." Sie warnte damit vor Hungerrevolten in ärmeren Ländern.


Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Mit ihren Forderungen nach der Trennung der Produktion und Lagerung von Fetten für die Industrie und für die Landwirtschaft, der europaweiten Verschärfung der Kontrollen, der Verbesserung des Frühwarnsystem (unter anderem durch einen gemeinsamen Datenpool, in dem Messergebnisse zusammenfließen), sowie die Verpflichtung zur Beantragung einer Zulasssung, die an strenge Auflagen geknüpft ist, stieß Frau Aigner in Anbetracht des Dioxin-Skandals in Brüssel auf Zustimmung. Die Betriebe sollen verpflichtet werden, ihre Untersuchungsergebnisse zu melden, und Analysen, Berichte und Rückstellproben nachzuweisen, mit der sie die Einhaltung der Grenzwerte für kritische Stoffe belegen können. Das alles ist aber noch lange keine Wende in der Agrarpolitik.

Und auch in Brüssel ist nicht alles Gold was glänzt. Einerseits europaweit die ökologisch-bäuerliche Landwirtschaft etablieren zu wollen, andererseits aber gentechnisch veränderte Nahrungsmittel zulassen zu wollen, sind zwei Vorhaben, die nicht miteinander zu vereinbaren sind.

Nachdem die EU-Kommission nach zwölf Jahren das Verbot der Freisetzung von genmanipulierten Nutzpflanzen zugunsten der Profite der Gentech-Lobby bendet hatte, unterzeichneten mehr als 1,2 Millionen Bürger Europas die erste europäische Bürgerinitiative, die am 09.12.2010 an EU-Kommissar Dalli übergeben wurde. Die Initiative fordert den Zulassungsstopp gentechnisch veränderten Pflanzen und die Schaffung einer unabhängigen ethischen und wissenschaftlichen Stelle für die Prüfung und Regulierung genmanipulierter Organismen.

Die paradoxe Agrarpolitik der EU macht deutlich, dass die Wachsamkeit der Bürger Europas noch lange gefordert sein wird.

"Mich wundert, warum die Leute sich jetzt alle so
über das Dioxin in Eiern aufregen. Mir reicht es
eigentlich schon, dass die Tiere überhaupt mit
Schmiermitteln gefüttert werden, und das so eklig
zu finden, so etwas nicht essen zu wollen."


(eine Teilnehmerin an der Demonstration in Berlin)

(Quellen: SWR vom 25.01.2011, FAZ vom 22.01.2010 und vom 23.01.2010, Campact, AVAAZ)

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