Freitag, 22. Juli 2011

Sehr deutlich, sehr massiv und sehr finanzstark

Atomkraft? Nein Danke!Eigentlich war es ja allen klar, dass die - wie Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) es nannte - "energiepolitische Revolution" vom Herbst des letzten Jahres in Wahrheit eine gegen die Bundesbürger gerichtete Revolution der Atomkonzerne war. Herr Röttgen (CDU, Bundesumweltminister) hat die Vermutung der Atomkraftgegener jetzt allerdings wohl zu ersten Mal öffentlich bestätigt.

Auf der Internetseite des Nachrichtensenders "n-tv" wurde am 20.07.2011 ein Bericht veröffentlicht, nach dem die von der wespenfarbenen Bundesregierung 2010 beschlossene Verlängerung der Betriebsgenehmigungen für die deutschen Atomkraftwerke von den Atomkonzernen forciert worden war.

In einem Dokumentafilm von Hubert Seipel über die Nutzung der Atomkraft in Deutschland ("So teuer wie möglich", ARD, 20.07.2011, 23:30 Uhr) sagte Herr Röttgen, er habe die Verlängerung als "eine Erfahrung von Lobbyismus und wirtschaftlicher Interessenvertretung" erlebt. Er habe damals sogar seinen Rücktritt erwogen (im Film bei 41 Minuten und ca. 40 Sekunden). Die Interessen hinter der Verlängerung seien "sehr deutlich, sehr massiv und sehr finanzstark" gewesen (im Film bei 30 Minuten und ca. 30 Sekunden).

Wir erinnern uns: Die "Laufzeitverlängerung" war noch während der Sitzung der Bundesregierung, die sich bis in die Nacht vom 5. auf den 6. September 2010 hinzog und in der über die Bedingungen für die "Laufzeitverlängerung" verhandelt worden war, nach Geheimverhandlungen zwischen Vertretern der Bundesregierung und den Atomkonzernen in den frühen Morgenstunden des 6. September vertraglich festgeklopft worden. In dem Bericht von "ntv" heißt es, Herr Röttgen habe den damaligen Beschluss der Regierungskoalition sehr skeptisch betrachtet und deshalb sogar seinen Rücktritt in Erwägung gezogen.

Erst über einen Rücktritt nachzudenken, dann aber gegen seine eigene Überzeugung öffentlich das Gegenteil zu behaupten ist nun aber wirklich alles andere als konsequent. Indirekt hat Herr Röttgen damit zugegeben, dass er damals wider seine eigene Überzeugung - vorsichtig ausgedrückt - völligen Blödsinn von sich gegeben hat. Ich frage mich, wie jemand ernsthaft auf den Gedanken kommen kann, auf diese Weise ruhigen Gewissens gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung Politik machen zu können, und dann auch noch erwarten zu können, dass die Leute schon jeden Bären hinnehmen werden, den man ihnen aufbindet.

Abgesehen davon, dass einige der Uralt-Meiler jetzt stillgelegt werden sollen, ist der sogenannte "schnellstmögliche Atomausstieg" à la schwarz-gelb allerdings auch wieder nichts anderes, als eine dreiste Mogelpackung. Wieder einmal haben die Atomkonzerne es verstanden, unseren sogenannten "Volksvertretern" das Maximum dessen aus den Rippen zu leiern, das für sie nach den massiven Demonstrationen während des gesamten Jahres 2010 und bis in das Frühjahr 2011 hinein noch erreichbar war: Die Betriebszeiten der verbleibenden Atomkraftwerke werden im Mittel 34 Jahre betragen; nach dem rot-grünen Atomkonsens wäre nach 32 Jahren Schluss gewesen! Die ohnehin zeitlich befristete Brennelementesteuer wurde auch noch halbiert. Die Atomkonzerne RWE, Eon und ENBW wollen trotzdem noch dagegen klagen. Falls die damit durchkommen, sollten wir Steuerzahler uns verbünden und eine Sammelklage gegen die Mineralölsteuer einreichen. Aus meiner Sicht wäre das nichts anderes.

In einem Artikel auf der Internetseite von contrAtom sagt Herr Becker (contrAtom), Zitat:
"Auch wenn Frau Merkel und ihr Gefolge zur Vernunft gekommen sind und wenigstens die ältesten Meiler abgeschaltet sind, diese Korruptionsaffäre ist ein Skandal und überschattet die Glaubwürdigkeit von schwarz-gelb maßgeblich! Wir fordern eine öffentliche Entschuldigung der Bundeskanzlerin - was mit einer Erklärung zum Kurswechsel in Sachen Atomenergie nicht getan ist! Außerdem fordern wir weitreichendere Beschlüsse gegen den Weiterbetrieb aller Atomanlagen in Deutschland. Das ist schwarz/gelb der Bevölkerung schuldig."

Ich bezweifle, dass "Frau Merkel und ihr Gefolge" zur Vernunft gekommen sind. Ohne den hunderttausenden Protest von der Straße sähe es jetzt mit Sicherheit in unserem Land atompolitisch noch düsterer aus. Aber ansonsten hat Herr Becker meine volle Zustimmung!


(Quellen: ntv vom 20.07.2011, Spiegel vom 20.07.2011, NDR vom 20.07. und vom 19.07.2011 , FAZ vom 15. 07.2011, Tagesschau vom 10.09.2010, Förderfondsvertrag: Term Shee aus Besprechung Bund - EVU /Stand: 06.09.2010, 04:30 Uhr, contrAtom vom 20.07.2011)

1 Kommentar:

Frau Momo hat gesagt…

Ich halte es für mehr als unwahrscheinlich, das Frau Merkel tatsächlich einen Sinneswandel durchgemacht hat. Es ist nur politisch nicht mehr durchsetzbar und schließlich will Mutti noch mal antreten. Ich hoffe allerdings sehr, das ihr das gleiche Schicksal zu Teil wird, wie ihrem politischen Ziehvater, das sie abgewählt wird. Ihre Atompolitik ist dabei für mich nur eine von tausenden Gründen, warum ich mich von dieser Frau samt ihrer Katastrophenkoalition nicht regieren lassen will. Hab ich noch nie gewollt, aber leider haben wir nun viel zu lange dieses unsägliche Bündnis aus schwarz-gelb

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