Mittwoch, 18. April 2012

Küstenschutz - für die nächsten 100 Jahre



Küstenschutz für die nächsten 100 Jahre: Erhöhung des Weserdeichs vor Bremerhaven

Im letzten Jahr wurde mit der Erhöhung des 900 Meter langen Deichabschitts zwischen der Strandhalle und der Geestemündung begonnen. Nach der Winterpause sind die Arbeiten jetzt wiederaufgenommen worden. 

Inzwischen liegt der aufgefahrene Boden auf dem Niveau der ehemaligen Spundwand auf der bisherigen Deichkrone (Foto links unten). Sofern die Arbeiten weiterhin im Zeitplan bleiben, sollen bis zum Herbst dieses Jahres 70000 Kubikmeter Sand, 35000 Kubikmeter Kleiboden und 17500 Tonnen Wasserbausteine verbaut worden sein.

Im Bereich zwischen dem "Sail-City" Turm und der Geestemündung wird der Deich dann eine Höhe von 8,60 Meter über Normalnull erreicht haben. Auf dem Foto links oben ist sehr gut zu erkennen, wieviel Material noch herangeschafft werden muss, damit die zukünftige Deichkrone mit der Höhe des Deichs vor dem "Sail-City" Turm und dem Mediterraneo (linke Hälfte des Fotos) abschließt. Wie die Die Nordsee-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 16.04.2012 berichtete, wird auf eine Schicht von einem halben Meter Sand eine 1,50 Meter dicke Schicht Kleiboden aufgefahren werden.

In Bremerhaven sind die mit ungefähr sechs Millionen Euro veranschlagten Baumaßnahmen die praktische Folge dessen, womit sich Forscher anderenorts noch theoretisch im Bereich der "Klimafolgenforschung" beschäftigen. Mit dem Anstieg des Meeresspiegels werden zukünftig auch die Sturmfluten höher auflaufen. Hätte man es bei der heutigen Höhe der Deiche belassen, dann wären sie mit Sicherheit irgendwann überspült worden.


Wenn aus Eis Wasser wird ...

Infolge des globalen Temperaturanstiegs ist es im Nordpolarmeer bereits jetzt zu dramatischen Eisverlusten gekommen. Nicht nur der Rückgang der Fläche der Eisbedeckung während des Polarwinters, der der in den letzten Jahren schneller voranschritt, als nach den Beobachtungen während der vergangenen Jahrzehnte zu erwarten gewesen wäre ist besorgniserregend. Auch die stetige Abnahme der gemessenen Eisdicke des Meereises gibt Anlass zur Sorge.

Im Nordpolargebiet ist nicht nur damit zu rechnen, dass dort irgendwann das Meer auch während des Polarwinters nicht mehr flächendeckend zufrieren wird. Weitaus dramatischere Folgen wären weltweit aufgrund des Abschmelzens der Eismassen Grönlands zu erwarten. Dass solche Überlegungen nicht unbegründet sind, belegen Forschungsergebnisse des PIK und der "Universidad Complutense de Madrid".

In einer Pressemitteilung des "Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung" (PIK) vom 11.03.2012 heißt es, die Eismassen Grönlands seien wahrscheinlich viel verletzlicher durch die Erderwärmung, als bislang angenommen worden ist. Die Grenze für ein völliges Schmelzen der Eisdecke infolge der globalen Erwärmung läge im Bereich zwischen 0,8 und 3,2 Grad Celsius, mit einem besten Schätzwert von 1,6 Grad über den Temperaturen vor Beginn der Industrialisierung. Ein massives Schmelzen von Land-Eis könne langfristig zu einem Anstieg des Meeresspiegels von mehreren Metern beitragen und beträffe daher möglicherweise das Leben vieler Millionen Menschen.

Heute werde bereits eine globale Erwärmung um 0,8 Grad beobachtet. Würde die Menschheit ihre Emissionen klimarelevanter Gase (CO2, Methan, ...) ungemindert fortsetzen, dann würde sie langfristig auf eine globale Erwärmung von acht Grad Celsius zusteuern. Dies würde innerhalb von 500 Jahren zu einem Abschmelzen von einem Fünftel der Eisdecke Grönlands führen - und zu einem fast vollständigen Eisverlust in 2000 Jahren.

2000 Jahre - das entspricht in etwa dem Alter des Christentums. Der bislang letzte Zeitraum, in dem es auf der Erde um gut drei Grad wärmer war als heute, war das Pliozän - ein Erdzeitalter, das vor etwa 5,332 Millionen Jahren begann und vor etwa 2,588 Millionen Jahren endete. Grönland war während dieser Periode eisfrei und der Meeresspiegel lag um etwa 25 Meter höher als heute. Vor gerade einmal 500 Jahren entdeckten portugisische und spanische Seefahrer mit ihren hölzernen Segelschiffen die bis dahin unbekannten Regionen Welt. Heute ist die Menschheit auf dem besten Wege, diese Welt zu zerstören.

In der Pressemitteilung des PIK wird Herr Robinson (Hauptautor der in "Nature Climate Change" veröffentlichten Studie) zitiert: "Je stärker wir die Temperaturgrenze überschreiten, desto schneller schmilzt das Eis. Das würde man nicht als raschen Zusammenbruch bezeichnen. Allerdings ist es rasch, wenn man es vergleicht mit dem, was bislang in der Erdgeschichte passiert ist. Und wir nähern uns wahrscheinlich bereits der kritischen Grenze."

  • Wenn ich das richtig interpretiere, dann hätte damit der aktuelle mittlere globale Temperaturanstieg den Berechnungen der Wissenschaftler in Deutschland und Spanien zufolge bereits die untere Grenze des genannten kritischen Bereichs erreicht. An diesem Beispiel wird einmal mehr deutlich, dass es ein riskanntes Spiel mit der Zukunft der nachfolgenden Generationen ist, wenn die Menschheit versuchen sollte, das "maximal plus 2 Grad" Ziel bis zur Schmerzgrenze auszureizen. Nicht nur aus meiner Sicht muss vielmehr alles dafür getan werden, dass der Anstieg der globalen mittleren Temperatur weit unterhalb der "maximal plus 2 Grad" Marke stabilisiert wird.


... steigt das Meer

Aufgrund der bis 2007 bekannten Daten rechneten Wissenschaftler, die sich mit den zu erwartenden Folgen des Klimawandels beschäftigen, mit einem Anstieg des Meeresspiegels um 19 bis 59 Zentimeter. Inzwischen ist wohl zu befürchten, dass die bisherigen Annahmen deutlich nach oben korrigiert werden müssen.

Eine Studie des PIK und der "Technischen Universität Helsinki" kommt zu dem Schluss, dass es bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu einem Anstieg um 0,75 bis 1,9 Meter kommen könnte. Für die im Fachjournal PNAS (2009) veröffentlichte Studie wurden Meeresspiegel-und Temperaturmessungen aus den vergangenen 130 Jahren ausgewertet.

Sollte die Studie sich bewahrheiten, dann werden die heutigen Deicherhöhungen möglicherweise gerade einmal für 100 Jahre ausreichen. Zu bedenken ist außerdem, dass die Küstenschutzmaßnahmen nur zeitlich begrenzten Sturmfluten standhalten können. Langfristig hohen Wasserständen hätten sie nichts entgegenzusetzen. Die Deiche würden aufweichen. Der seeseitige Druck der an den Deichen stehenden Wassermassen würde den aufgeweichten Boden einfach wegspülen.


(Quellen: NZ vom 16.04.12, Pressemitteilung des PIK vom 11.03.2012, Der Standard vom 06.10.2011, ORF vom 02.05.2011, Frankfurter Rundschau vom 13.09.2010, 3SAT vom 05.11.2009)

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