Montag, 7. Mai 2012

Jede Menge Wahlen und eine Demonstration

Am letzten Wochenende wurde in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. In der Stichwahl entschieden die Franzosen darüber, wer ihr nächster Staatspräsident sein wird, in Serbien werden die Parlamants- und die Präsidentenwahl über "EU oder nicht EU" entscheiden und in Griechenland ging es darum, wer das krisengebeutelte Land zukünftig mit welchen Prioritäten regieren wird.

In Schleswig-Holstein bleibt es auch nach der Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Ergebnisses der Landdtagswahl weiterhin spannend. Die beiden großen Parteien, CDU und SPD, liegen nahezu gleichauf. Die SPD hat deutlich Stimmen hinzugewonnen (5 Prozent gegenüber der letzten Wahl), ist mit 30,4 Prozent der abgegebenen Stimmen aber nicht der Wahlsieger. Diesen Titel kann aufgrund des hauchdünnen Vorsprungs von 0,4 Prozent die CDU für sich beanspruchen. Sie kommt auf 30,8 Prozent der abgegebenen Stimmen. Das sind 0,7 Prozent weniger, als  bei der Landtagswahl im Jahre 2009.

Mit 13,2 Prozent der abgegebenen Stimmen konnten die Grünen ihr Wahlergebnis von 2009 noch einmal um 0,8 Prozent verbessern. Auch der "Südschleswigsche Wählerverband" (SSW), die Vertretung der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, gewann 0,3 Prozent hinzu und kommt jetzt auf 4,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Aufgrund des schleswig-holsteinischen Landeswahlgesetzes ist der SSW von der Fünf-Prozent-Sperrklausel ("5-Prozent-Hürde") ausgenommen.

Die FDP musste mit 8,2 Prozent der abgegebenen Stimmen deutliche Verluste hinnehmen. Sie büßte 6,7 Prozent gegenüber ihrem Ergebnis von 2009 ein. Dass sie noch im Landtag vertreten ist und sich daher angesichts des Bundestrends trotzdem als Sieger fühlen kann, hat sie in erster Linie wohl Herrn Kubicki zu verdanken (FDP, Schleswig-Holstein, Spitzenkandidat).

Die meisten Stimmen konnte die Piratenpartei hinzugewinnen (plus 6,4 Prozent). Sie zieht mit 8 Prozent der abgegebenen Stimmen in den Kieler Landtag ein und ist sozusagen die "heimliche Gewinnerin" der Landtagswahl.

Nicht mehr im Landtag vertreten sind dafür die Linken. Sie verloren 3,8 Prozent gegenüber der letzten Landtagswahl und scheitern mit nur noch 2,2 Prozent der abgegebenen Stimmen an der "5-Prozent-Hürde".

Tabelle: Vorläufiges amtliches Ergebnis

(Quelle: ARD)

Aufgrund der künftigen Sitzverteilung im Kieler Landtag ist rechnerisch wohl so ziemlich alles möglich:
  • Dänenampel (SPD, Grüne, SSW)
    35 Sitze, Mehrheit: 1 Stimme
  • Ampel (SPD, Grüne, FDP)
    38 Sitze, Mehrheit: 4 Stimmen
  • Jamaica-Koalition (CDU, Grüne, FDP)
    38 Sitze, Mehrheit: 4 Stimmen
  • Große Koalition (CDU, SPD)
    44 Sitze, Mehrheit: 10 Stimmen

Den Gesprächen in den Wahlsendungen von ARD und ZDF war zu entnehmen, dass SPD, Grüne und SSW eine "Dänenampel" bevorzugen würden. Auf Fragen bezüglich der knappen Mehrheit einer "Dänenampel" von nur einer Stimme im Landtag verwiesen die Politiker der drei Parteien auf die exakt ebenso knappe Mehrheit der bisherigen CDU/FDP-Koalition.

Sowohl Politiker der Grünen, als auch der SPD erklärten, sie seien angetreten, um einen Politikwechsel in Schleswig-Holstein herbeizuführen. Eine Bereitschaft der SPD zu einer Großen Koalition unter Führung der CDU ließ sich nicht erkennen und den Aussagen der Grünen war zu entnehmen, dass sie einer Jamaica-Koalition eher ablehnend gegenüberstehen. Gespannt kann man allerdings sein, ob die "Wahlsiegerin CDU" der SPD so einfach die Führungsrolle in Sachen Regierungsbildung überlassen wird. Die Sondierungsgespräche könnten sich also noch als recht langwierig erweisen.

Und dann wäre da ja auch noch die Piratenpartei. Mit der wollen jedoch alle anderen Parteien nichts zu tun haben. Die "Piraten", die derzeit ein Landesparlament nach dem anderen "entern", lassen ihrerseits allerdings auch nicht erkennen, ob sie sich überhaupt schon eine Beteiligung an einer Regierungskoalition vorstellen könnten. Bisher scheinen sie eher noch mit "Selbstfindung" beschäftigt und von ihren eigenen Erfolgen überrascht zu sein.

Hätten mehr Wahlberechtigte von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht, dann hätte es in die eine oder andere Richtung vielleicht ein deutlicheres Ergebnis gegeben: Die Wahlbeteiligung lag bei lediglich 60,1 Prozent.


Frankreich

Klare Verhältnisse herrschen nach dem Ende der Präsidentschaftswahl dagegen in Frankreich. Ungefähr 80 Prozent der wahlberechtigten Franzosen wählten Herrn Sarkozy ab. Nach 17 Jahren unter konservativer Regierung wird Frankreich in den kommenden Jahren von der sozialistischen Politik Herrn Hollandes (Frankreich, Parti socialiste) geprägt werden. Mit 51,67 Prozent der abgegebenen Stimmen löst er Herrn Sarkozy ab. Noch nicht berücksichtigt sind bei den oben genannten Zahlen bisher die Stimmen der Wähler, die im französischen Ausland leben. Aber da Herr Sarkozy die ursprünglich für gestern Abend geplante Siegesfeier schon im Voraus absagen ließ, und Herrn Hollande bereits zu seinem Wahlsieg gratuliert hat, ist bezüglich des Wahlausgangs wohl nicht mehr mit einer entscheidenden Änderung zu rechnen.

Aus atompolitischer Sicht bin ich angesichts des Wahlsiegs Herrn Hollandes "(sehr) vorsichtig optimistisch". Immerhin hatte er ja angekündigt, während seiner Amtszeit den direkt an der deutsch-französischen Grenze gelegenen Uralt-Atommeiler "Fessenheim" stillzulegen und die Grundlage für eine Reduzierung des Atomstromanteils in Frankreich von derzeit 75 auf später einmal 50 Prozent zu legen. Eine wirkliche Energiewende wird das allerdings noch lange nicht.

Bezüglich des strikten Sparkurses in der EU hat Herr Hollande ebenfalls andere Vorstellungen als Herr Sarkozy und Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin). So denkt er daran, zusätzlich Investitionsprogramme aufzulegen, mit denen er die zunehmende Arbeitslosigkeit und das Armutsrisiko bekämpfen will, um so die regionalen Wirtschaften anzukurbeln. Darüber, ob das mittelfristig ohne Neuverschuldungen möglich sein könnte, habe ich mir allerdings noch kein Urteil bilden können.

Bezüglich der Theorien und Thesen von Wirtschaftswissenschaftlern bin ich inzwischen vorsichtig geworden. Die Einen vertreten den genau gegensätzlichen Standpunkt gegenüber demjenigen der Anderen und alle haben natürlich immer und ausschließlich Recht. Alles in allem sind Wirtschaftswissenschaftler im allgemeinen heutzutage - glaube ich - keine große Hilfe mehr. Dass "Wachstum" aufgrund zur Neige gehender Resourcen endlich ist, habe ich aber als Kind schon begriffen. "So wie bisher" wird es mit der Weltwirtschaft also nicht mehr bis in alle Ewigkeit weiter gehen können. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand.


Griechenland

Sicher ist nur, dass Griechenlands Bürger "wie du und ich" die Nase voll davon haben, dass sie weiterhin die Suppe derer auslöffeln sollen, die ihnen den Schlamassel mit der Wirtschaftskrise eingebrockt haben, aber trotzdem weiterhin auf nichts verzichten wollen. Die beiden großen griechischen Parteien, die den Bedingungen für die finanzielle Hilfe der EU zugestimmt und den "kleinen Mann" dafür zur Kasse gebeten haben, sind dafür kräftig abgestraft worden.

Die liberal-konservative "Nea Dimokratia" liegt nur noch bei rund 18,9 Prozent und die sozialdemokratische "PASOK" stürzte auf rund 13,2 Prozent der  der abgegebenen Stimmen ab. Beide Parteien zeichnen für de strikten Sparkurs mit all den bekannten Folgen für die Bevölkerung verantwortlich: Hunderttausende Menschen in Griechenland wurden arbeitslos. Denjenigen, die noch Arbeit haben, wurden die Einkommen gekürzt.

Wer kein Geld mehr hat, der kann auch nichts mehr nichts mehr ausgeben. Diejenigen, denen wenigstens noch etwas geblieben ist, von dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können, werden jeden Euro zwei mal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben. Wie soll da wohl die Wirtschaft wieder in Gang kommen? Anfang des Jahres hatte ich in einem Fernsehbericht einmal gehört, die griechische Wirtschaft habe immer überwiegend von der Binnenkonjunktur gelebt. Es macht daher nach meinem Verständnis auch wenig Sinn, die Wirtschaft Griechenlands anhand ihres Aussenhandels zu bewerten. Wenn kaum Güter für den Export produziert werden, dann gibt es auch nicht viel zu expotieren.

Profiteure der desolaten Situation in Griechenland sind die Parteien am äußersten Rand des Parteienspektrums. So war gestern in den Nachrichten zu hören, dass erstmals seit ungefähr 40 Jahren die rechtsextremen und rassistischen, in der "Chryssi Avgi" organisierten NeoNazis mit 6 bis 8 Prozent der abgegebenen Stimmen wieder ins griechische Parlament einziehen werden. Die radikal linke "Syriza", die zwar im Euro-Verbund bleiben, die griechischen Schulden aber nicht begleichen wolle, sei mit 16,8 Prozent die zweitstärkste Partei im zukünftigen Parlament.


Quo vadis, Europa?

Ich komme noch einmal auf meine Überlegung zu dem Wirtschaftsplänen Herrn Hollandes zurück, ob neben einem strikten Sparkurs die Einrichtung von Investitionsprogrammen mittelfristig ohne Neuverschuldungen möglich sein könnte: Am Beispiel Griechenland wird deutlich, wohin ausschließliches Sparen "auf Teufel komm raus" in Europa einmal führen könnte. Anderen Euro-Staaten könnte ja noch ein ähnliches Schicksal bevorstehen, wie Griechenland und wenn eines Tages alle Menschen, bei denen noch etwas zu holen sein könnte, ihr letztes Hemd hergegeben haben, dann wird es niemanden mehr geben, den man zum Begleichen der Schulden noch ausquetschen könnte.

Vermutlich wird also schon etwas dran sein, an den Überlegungen des Herrn Hollande. Möglicherweise könnte sein Weg derjenige sein, der aus der Schuldenfalle führt, bevor wir uns alle gemeinschaftlich zu Tode gespart haben. Darüberhinaus wird es außerdem Zeit, dass den Zockern und Spekulanten an den Börsen und in den Banken endlich das Handwerk gelegt wird, so wie es führende Politiker vieler Staaten während der Wirtschaftskrise einmal versprochen hatten. Leider haben sie ihren Versprechungen keine Taten folgen lassen. - So wie immer eben: Denen, die haben, wird gegeben werden ...


Serbien

Ob die Serben ein Parlament gewählt habem das in Richtung EU-Mitgliedschaft gehen, oder eines, das sich davon distanzieren wird, steht noch nicht endgültig fest. Auch die Präsidentschaftswahl wird erst am 20. Mai in einer Stichwahl entschieden werden.


Bäumchen wechsle dich ...

Dass Herr Putin am letzten Wochenende nun schon zum dritten Mal, seinen Amtseid als Präsident Russlands ablegte, ist in Anbetracht der sich abzeichnenden Veränderungen in Europa fast schon nicht viel mehr als eine Randnotiz wert. Nach zwei Amtszeiten hatte Herr Medwedjew, der bis dahin Premierminister war, ihn ja vorübergehend als Präsident abgelöst: Mehr als zweimal in Folge "Präsident" war nicht einmal für Herrn Putin zulässig. Nachdem Herr Putin jetzt wieder Präsident ist, wird Herr Medwedjew wieder der Premierminister sein. Während der Präsidentschaft Herrn Medwedjews hatte Herr Putin dieses Amt vorübergehend innegehabt.

"Bäumchen wechsle dich" heißt das Spiel: Solange sich die beiden Herren weiterhin vertragen, könnten sie dieses Spielchen noch lange durchhalten ... - gäbe es da nicht die Opposition, die seit Anfang des Jahres ihren Protest immer wieder auf die Straße trägt und gegen Herrn Putin und für demokratische Reformen demonstriert.

Von demokratischen Reformen hält Herr Putin aber nicht gerade viel. Wenn man die Entwicklung in Russland über die Jahre seit Herrn Jelzin (Russland, ehemaliger Präsident) verfolgt hat, dann wird man feststellen müssen, dass Herrn Putin mehr an der weiteren Zementierung seiner Macht gelegen ist. Die Demonstrationen werden also voraussichtlich weiter gehen.

So wie auch gestern Nachmittag: Nach Angaben des Kommentators eines Filmbeitrags der Tagesschau war es die größte Demonstration in Russland, die es in diesem Jahr bisher gegeben hatte. Was anfangs als friedlicher Protest zehntausender Bürger in Moskau begonnen hatte, endete gegen Abend in einer Gewaltorgie. In der Tagesschau war zu sehen, wie die Sicherheitskräfte wahllos auf die Demonstranten einprügelten. Wie der Kommentator des Filmbeitrags berichtete, hatte sich die Situation geändert, nachdem die Sicherheitskräfte zehntausenden von Demonstranten den Weg zum Platz der zentralen Abschlusskundgebung verwehrt hatten.


... und wie eine Randnotiz publik wurde

Das Resultat: Zahlreiche Verletzte und hunderte Festnahmen. Nach Auffassung eines Sprechers von Herrn Putin, hätten die Sicherheitskräfte ruhig noch viel härter gegen die Demonstranten vorgehen können. Zu den Festgenommenen gehören auch wichtigste Führer der außerparlamentarischen Opposition, wie zum Beispiel der Blogger Alexei Anatoljewitsch Nawalny. Herr Nawalny war im Dezember 2011 schon einmal festgenommen worden, nachdem er bei einer Demonstration in Moskau eine Rede gegen möglichen Wahlbetrug bei den russischen Parlamentswahlen 2011 gehalten hatte. Das hatte ihm eine fünfzehntägige Haftstrafe wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" eingebracht. Eine Dokumentation seiner damaligen Verhaftung und Verurteilung ist in englischer Sprache in seinem Blog zu lesen.

Die gestern festgenommenen Demonstranten haben der Tagesschau zufolge jetzt mit mehrjährigen Haftstrafen "wegen Beteiligung an Massenunruhen" zu rechnen. Tolles Rezept: Man nehme eine friedliche Demonstration, prügele wahllos auf die Demonstranten ein, um Panik und eine möglichst große Unruhe auszulösen, und schon hat man die schonste "Massenunruhe". Dann muss man nur noch hunderte aus der Masse der unruhig gewordenen Menschen herausgreifen, festnehmen und "wegen Beteiligung an Massenunruhen" für einige Jahre hinter Schloss und Riegel bringen.

Auf diese Weise könnte es Herrn Putin natürlich irgendwann gelingen, seine Kritiker schlicht und einfach restlos aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen. Dann wäre wieder Ruhe im Staate Russland ... - so wie damals.

Dank ihrer handfesten Bemühungen, hatten es die russischen Sicherheitskräfte am Ende also doch noch geschafft, die Randnotiz ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit zu prügeln. Falls das jetzt Schule machen sollte, wird Herr Putin wohl dafür sorgen müssen, dass in Russland viele neue Gefängnisse gebaut werden. Damit hätte er dann zumindest für das russische Baugewerbe etwas positives erreicht. In Wählerstimmen umgerechnet dürften Mauer, Poliere, Architekten etc. allerdings eher ein bescheidenes Häufchen dankbarer Putin-Anhänger abgeben.


(Quellen: Stern vom 07.05.2012 zu Serbien, FAZ vom 07.05.2012, Süddeutsche Zeitung vom 07.05.2012, TAZ vom 07.05.2012 zu den Wahlen in Schleswig-Holstein, Griechenland, Frankreich, Serbien und Russland, Die Zeit vom 07.05.2012, NDR vom 07.05.2012, Tagesschau vom 07.05.2012 zu den Wahlen in Schleswig-Holstein, Frankreich, Serbien und Griechenland, ZDF heute vom 07.05.2012 zu den Wahlen in Schleswig-Holstein, Frankreich und Griechenland, Süddeutsche Zeitung vom 06.05.2012, Spiegel vom 06.05.2012, Handelsblatt vom 06.05.2012, und 07.05.2012, Wikipedia - Premierminister, Russland und Alexei Nawalny)

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