Freitag, 11. Mai 2012

Kahlschlag und Genozid in den Wäldern Amazoniens

Der letze Tanz der Akuntsu (© Survival International)

Der Kongress Brasiliens hat ein neues Waldgesetz verabschiedet, das Holzfällern und Großbauern die Möglichkeit gibt, riesige Gebiete des Amazonas-Regenwaldes abzuholzen. Nur Frau Dilma Rousseff (Brasilien, Präsidentin) könnte das Gesetz noch aufgehalten.

In wenigen Wochen wird Frau Rousseff als Gastgeberin die internationle Umweltkonferenz "Rio+20" eröffnen, an der in der Zeit vom 20. bis zum 22. Juni Vertreter aus etwa 120 Staaten teilnehmen werden. Der in diesem Jahr wohl größte Umweltgipfel der Welt wird - genau 20 Jahre nach dem "Erdgipfel" (UNCED) in Rio de Janairo - auch dieses Mal wieder in der brasilianischen Metropole stattfinden.

1992 hatte die Staatengemeinschaft die Nachhaltigkeit als Grundprinzip für verschiedenste Bereiche, etwa für die Produktion in Industriestaaten oder die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern, verankert. Würde Frau Rousseff das Gesetz mit ihrer Unterschrift in Kraft setzen, dann stünde sie vor den Augen der Welt während des gesamten Umweltgipfels von Beginn an als diejenige da, welche die Zerstörung des Regenwaldes legalisierte.

In einer E-Mail an seinen Verteiler informierte das internationale demokratische Netzwerk AVAAZ gestern darüber, dass 79 Prozent der Bürger Brasiliens gegen das neue Gesetz sind. Frau Rousseff steht daher unter großem Druck. Um den Druck auch international zu erhöhen, hat AVAAZ eine Petition verfasst, mit der Frau Rousseff aufgefordert wird, den Regenwald vor den Angriffen der Holzfällerlobby und der Bauern zu schützen und das Gesetz zu Fall zu bringen.


Brasilien ist weit weg

Warum also sollte ich mir deshalb ausgerechnet Gedanken um ein paar Bäume mehr oder weniger in Brasilien machen?

Der Amazonas ist mit seinen Nebenflüssen das mit Abstand größte Flusssystem der Welt, das (bisher noch) eine Einheit mit dem größten tropischen Regenwaldsystem der Welt bildet. Die Vegetation des Amazonas-Regenwalds entnimmt der Atmosphäre große Mengen des klimarelevanten Gases CO2 und gibt im Austausch dafür große Mengen Sauerstoff an sie zurück. Zwanzig Prozent unseres Sauerstoffs gelangen aus diesem gewaltigen Regenwaldgebiet in die Luft. Der Wald am Amazonas ist damit unverzichtbar für das Leben auf der Erde.

Aufgrund gigantischer Mengen CO2, die (heute noch) in der Biomasse der Wälder gebunden sind spielt der Wald im Amazonasgebiet eine wichtige Rolle gegen den weltweiten Klimawandel. In den letzten 10 Jahren hat Brasilien die Abholzung erheblich reduzieren können. Zwischen 2004 und 2011 konnte ein Rückgang des Kahlschlags um 78 Prozent erreicht werden. Das ist einem Waldgesetz mit Satellitenüberwachung und starken Durchsetzungsmechanismen zu verdanken, das weltweit große Anerkennung gefunden hat. Allein aufgrund des neuen Waldgesetzes des brasilianischen Kongresses drohen jedoch zusätzliche 28 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt zu werden.

Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass sich die Holz- und die Agrarlobbys Brasiliens damit zufrieden geben werden. Sie werden erst damit aufhören, wenn der letzte Baum gefällt worden ist - oder wenn die Weltgemeinschaft die Regierung Brasiliens dazu bewegen kann, das neue Waldgesetz zugunsten eines umfassenden Waldschutzgesetzes aufzugeben und die Sicherheitskräfte des brasilianischen Staats den Holzfällern das Handwerk gelegt haben.

Sollte Frau Rousseff das neue, vom Kongress verabschiedete Gesetz in Kraft setzen, dann würde ein Gebiet zur Abholzung freigeben, das der Größe der gesamten Fläche von Frankreich und Großbritannien entspricht. Das wären dann also schon deutlich mehr als nur "ein paar Bäume mehr oder weniger in Brasilien", um die wir alle uns ernsthafte Sorgen machen sollten.

Das, was in Brasilien nach dem Mehrheitswillen des Kongresses jetzt legalisiert werden soll, ist die Ursache für die Schäden, die dem Amazonas-Regenwald bisher schon zugefügt worden sind. Aufgrund der globalen Bedeutung der Regenwälder unseres Planeten sind die Kahlschläge der Vergangenheit ein Verbrechen an der Menschheit und der nachfolgenden Generationen.


Ein dreckiges und blutiges Geschäft

Es geht um deutlich mehr, als um ein paar Bäume mehr oder weniger irgendwo in Brasilien.

Das neue Gesetz würde die Holzfäller mit einer Amnestie für ihre - nach bisher geltendem brasilianischen Recht(!) - illegalen Kahlschläge belohnen. Es wäre damit ein gefährliches Vorbild für andere Länder, die dem Beispiel Brasiliens möglicherweise folgen könnten. Der zu erwartende "Dammbrucheffekt" würde somit zu einer weitreichender Zerstörung der großen Waldgebiete des Planeten führen und beträfe dann eben nicht nur "ein paar Bäume mehr oder weniger in Brasilien"! Das ist der Grund dafür, dass ich mir "Gedanken um ein paar Bäume mehr oder weniger in Brasilien" mache. - Und deshalb ist es wichtig, dass wir alles in unserer Macht stehende unternehmen, um den Regenwald vor dem Machenschaften der brasilianischen Holzmafia und ihrer politischen Handlanger zu schützen.

Um zu erreichen, dass der Regenwald ihrem Profit geopfert wird und dafür, dass sie Frau Rousseff zum Wahlsieg verhalf, setzt die mächtige Agrarlobby Brasiliens Frau Rousseff mit Argumenten wie "Wirtschaftswachstum" und "Wohlstand für alle" unter Druck - trotz überzeugender Beweise dafür, dass wirtschaftliches Wachstum nicht von der Entwaldung des Amazonas-Gebietes abhängt und trotz der zu erwartenden globalen Konsequenzen. Zu illegalen Kahlschlägen der Holzfäller kommt noch hinzu, dass diese auch vor Mord und Vertreibung der unter dem Schutz der Regierung stehenden indigene Bevölkerung der Waldgebiete nicht zurückschrecken (allen, die mehr über diese Problematik erfahren möchten, dem kann ich die Internetseite der Organisation "Survival International" empfehlen).

Wenn es sich um die Vertreibung und Auslöschung bekannter Minderheiten handelt, dann spricht die Welt von "Genozid". Weihin bekannt sein dürften die Genozide an den Armeniern (Osmanisches Reich, 1915-1916) oder den Tutsi (Afrika, Ruanda, 1994).

Die indigenen Völker Amazoniens sind Minderheiten im eigenen Land. Sie leben in Einklang mit dem Wald und von dem Reichtum, den er ihnen zum Leben bietet. Wenn die Holzfäller in ihren Wald - ihre Welt(!) - eindringen, um die Fäche um Fläche zu roden, dann machen sie sich des Völkermords schuldig. Ganze Völker sind so schon von der Erde verschwunden, von deren Existenz, ihrer Kultur und ihrem Wissen niemand je etwas erfahren wird. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Genozid an den Akuntsu, von deren Volk nur noch fünf Menschen übrig geblieben sind.

Das Geschäft der Holzfäller und der Agrarlobby ist ein dreckiges und blutiges Geschäft. Aktivisten, die sich für den Schutz des Waldes und seiner Bewohner einsetzen, werden eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht - oder, wenn das nicht zum Ziel führt, ermordet. Vielleicht ist es nicht der Zweck des neuen Waldgesetzes, die indigenen Völker des Amazonas Regenwaldes auszurotten. Aber genau darauf wird es hinauslaufen:
  • Es geht um deutlich mehr, als um "ein paar Bäume mehr oder weniger in Brasilien". Es geht darum, die massive Verletzung der Menschenrechte der indigenen Völker Amazoniens zu beenden. - Und nicht zuletzt geht es um einen bewohnbaren Planeten für eine lebenswerte Zukunft aller uns nachfolgender Generationen.


Petition: Für den Wald und seine Bewohner

Brasiliens Bürger und ehemalige Umweltminister des Landes haben Frau Rousseff bereits klar zu verstehen gegeben, dass sie von ihr die Rettung des Regenwaldes und der indigenen Bevölkerung erwarten. Die von AVAAZ initiierte Petion wird ihnen den Rücken stärken. Je mehr Menschen sich der Petition anschließen, desto eher wird Frau Rousseff bereit sein, ihre Zustimmung zu dem neuen Waldgesetz zu verweigern. Ehemalige Umweltminister Brasiliens werden die Petition direkt an Frau Rousseff überreichen. Die Petition hat fplgenden Wortlaut:
An Präsidentin Dilma Rousseff:

Wir rufen Sie dazu auf, sofort zu handeln um Brasiliens wertvolle Wälder zu schützen, indem Sie gegen die Änderungen am Waldgesetz Ihr Veto einlegen. Desweiteren fordern wir Sie auf, weitere Morde an Umweltaktivisten und Arbeitern zu verhindern, indem Sie verschärft gegen illegale Holzfäller vorgehen und den Schutz für diejenigen erhöhen, die von Gewalt oder Tötung bedroht sind. Die Welt braucht Brasilien als internationalen Anführer im Kampf für die Umwelt. Ihr entschlossenes Handeln zu diesem Zeitpunkt wird unseren Planeten für künftige Generationen erhalten.
 
Die Petition kann auf der Internetseite von AVAAZ online unterzeichnet werden.



Nebenbei bemerkt

Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin), die einmal mit dem Prädikat "Umweltkanzlerin" gestartet war, hat ihre Teilnahme an der Umweltkonferenz in Rio de Janairo abgesagt! Die deutsche Delegation solle von den Herren Röttgen (CDU, Bundesumweltminister) und Niebel (FDP, Bundesentwicklungsminister) geleitet werden.

Ein Entwicklungsminister, der nur deshalb gerade nicht beschäftigungslos ist, weil es ihm vor seinem Amtsantritt nicht gelungen war, mit seiner Vorstellung von der Abschaffung des "überflüssigen Entwicklungshilfeministeriums" zu überzeugen, und ein wendehälsiger Umweltminister, der sich nicht zu schade war, die "Laufzeitverlängerung" mitzutragen, von deren Unfug er vorher angeblich überzeugt gewesen war, sind in meinen Augen nun nicht gerade die "hochrangige Besetzung", die Frau Merkel gerne in ihre beiden Kollegen hineininterpretieren möchte. Damit zeigt die "ex. Umweltkanzlerin" erneut, wie wichtig ihr das Thema "Nachhaltiger Umweltschutz" und der Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe wirklich sind.

Oppositionspolitiker haben deshalb scharfe Kritik an der Entscheidung Frau Merkels geübt. Von mir werden Frau Merkel und ihre CDU - nicht nur für ihre verfehlte Klimapolitik(!) - bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr die Rote Karte gezeigt bekommen:
Platzverweis!


Zum Weiterlesen:
Survival International
  • Unkontaktierte Völker Brasiliens

    • Tief im brasilianischen Amazonas-Regenwald leben Völker, die keinen Kontakt mit der Außenwelt haben. Illegale Holzfäller und Viezüchter dringen in ihr Land ein und schleppen Krankheiten ein. Wenn dies nicht aufhört, werden sie nicht überleben ...
  • Das bedrohteste Volk der Welt

    • „In der Stadt spüren wir die gleiche Unsicherheit, die Außenstehende im Wald befällt“, sagt Weißer Stein, ein Awá-Mann. Aber der dichte Regenwald, der früher im Nordosten Brasiliens weite Flächen bedeckte, ist heute völlig verschwunden. Doch es entsteht hier keine Stadt, sondern eine Ödnis aus scheinbar endlosen Viehzuchtbetrieben. In den letzten Teilen dieser einst großartigen Wälder, die zu den ältesten der Welt zählen, haben indigene Völker dem Vormarsch der Viehzüchter und Holzfäller Widerstand geleistet.

      Dies ist die Geschichte eines Volkes, der Awá, und seiner außergewöhnlichen Liebesbeziehung zum Wald. Eine Geschichte des Widerstandes, der Zerstörung, der Hoffnung und vielleicht des Überlebens ....
Earth Summit 1992 
  • Kleine Brötchen gegen den Klimawandel
     
    • Mit einem Video der Rede der damals zwölfjährigen Severn Cullis-Suzuki in Rio de Janeiro vor den Delegierten des "Erdgipfels" von 1992 (englisch mit deutschen Untertiteln). Frau Cullis-Suziki ist inzwischen 32 Jahre alt, aber die Worte des Mädchens aus dem Jahre 1992 sind heute aktueller denn je!




(Quellen: Finanz Nachrichten vom 11.05.2012, Berliner Zeitung vom 09.05.2012, Spiegel vom 03.05.2012, Die Zeit vom 27.04.2012, NZZ vom 26.04.2012, Die Presse vom 26.04.2012, Die Zeit vom 27.10.2009, Die Welt vom 29.01. und vom 28.02.2009, Survival International, AVAAZ, Wikipedia, RIO+20 [englisch])

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