Freitag, 21. Dezember 2012

Des Weihnachtsmanns Schlittentiere

Rentiere in Norwegen (©Foto:  Arne Eide, CC BY-SA)
Wer kennt nicht Santa Claus (die amerikanische Variante des Weihnachtsmanns) der auch gestern wieder im Abendprogramm eines Privatsenders auf seinem von fliegenden Rentieren gezogenen Schlitten voller Weihnachtsgeschenke auf einer Spur aus Sternenstaub am nächtlichen Himmel vorbeiflog? Oder das amerikanische Weihnachtslied über "Rudolph, dem Rentier mit der roten Nase"? Es sind wohl im wesentlichen diese Bilder, die unsere Vorstellung von Rentieren prägen.

Wie ich seit kuzem weiß, weisen Spuren aus der Vergangenheit allerdings darauf hin, dass den Rentieren die Kunst des Fliegens schon lange vor der Erfindung des Weihnachtsmanns zugeschrieben wurde. Auf der Internetseite der Menschenrechtsorganisation "Survival International", die sich für die Rechte indigener Völker einsetzt, gibt es eine kleine aber sehenswerte Serie aus zwölf Fotos, die erstaunliches über die Rentiere und "die Menschen des Rentiers", die mit und von ihnen leben, enthüllt.

Wer nicht, wie ich, zufällig einmal einen Dokumentarfilm über das Volk der Samen gesehen hat, der wird wohl kaum eine Vorstellung davon haben, wie eng das Leben vieler indigener Völker des Nordens mit dem der Rentiere verwoben ist. Die Rentiere sind der Mittelpunkt ihres Lebens und ein wichtiger Bestandteil, ihrer Geschichte und ihrer Kultur. Ohne ihre Rentierherden wären Völker wie die Samen, die Nenzen, die Ewenken Sibiriens, die Chanten oder die Innu zum Aussterben verurteilt.

Unglücklicherweise ist die Bedrohung des Fortbestands nordischer, indigener Völker und ihrer Rentierherden heute alles andere, als nur eine gänsehautverursachende "Endzeit-Fantasy"-Geschichte.


Einst eine der größten Rentierherden der Welt

Im Oktober 2010 wurde beispielsweise die Population der "George River"-Herde im Norden Kanadas noch mit rund 74000 Tieren angegeben. Das Ergebnis einer Zählung im Auftrag der kanadischen Regierung, die gemeinsam vom "Newfoundland and Labrador Government's Department of Environment and Conservation", dem "Institute for Environmental Monitoring and Research and the Torngat Wildlife" und dem "Plants and Fisheries Secretariat" durchgeführt wurde, ist alarmierend. Der im Juli 2012 veröffentlichten Studie zufolge ist die Zahl der Tiere der "George River"-Herde auf 27600 Tiere zurückgegegangen. Die Zählung bestätige die kontinuierliche Abnahme der "George River"-Herde während der letzten Jahre. Mit achthundert bis neunhunderttausend Tieren gehörte sie einmal zu den größten Rentierherden unseres Planeten.

Die Innu machen die anhaltende Ausweitung von Bergbau-Aktivitäten im Norden Kanadas für den Rückgang Rentier-Population verantwortlich. Sie fordern eine stärkere Kontrolle über ihre Territorien und die dortigen Ressourcen. Sie wollen gleichberechtigt behandelt werden, wenn es um Entscheidungen geht, die ihr Land und die darauf lebenden Tiere betreffen. Wer die Geschichte der indigenen Völker auf dem nordamerikanischen Kontinent kennt, der erkennt im Verhalten der Bergbau-Konzerne beängstigende Parallelen zur Vergangenheit, in der ganze Völker von den in ihr Land vordringenden Aussiedlern aus Europa an den Rand des Aussterbens getrieben wurden (wer sich dafür interessiert, dem kann ich als Einstieg in das Thema die Dokumentation "500 Nations" empfehlen).


Staatliche Willkür im Norden Russlands

Ähnlich ist es auch um das Überleben indigener Völker im Norden Russlands bestellt. Dort wurde der "Russian Association of Indigenous Peoples of the North" (RAIPON) verboten, sich für die Interressen der indigenen Völker Russlands einzusetzen. Genau das ist jedoch die Aufgabe von RAIPON.

"Survival International" schreibt, das russische Justizministerium habe das Verbot damit begründet, dass die Satzung der Organisation nicht mehr mit aktuellen Bundesgesetzen übereinstimmt. In Russland würden Vorschriften für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) häufig geändert, wodurch der Staat Organisationen mit internationalen Verbindungen zu kontrollieren versuche. RAIPON habe mehrere Versuche unternommen, seine Satzung an die "aktuellen Bundesgesetze" anzupassen. Die Regierung habe die Änderungen jedoch jedesmal abgelehnt.

Wer die restriktive Politik in "Putins Russland" gegen Andersdenkende verfolgt hat, die sich immerhin im Licht der weltweiten Medien abspielt und sich deshalb nicht so einfach verheimlichen lässt, der wird eine ungefähre Vorstellung davon entwickeln können, wieviel einfacher es für die russische Regierung sein muss die Rechte indigener Völker im fernen Sibirien zu beschneiden. So gebe es "einen Mangel an Klarheit" bezüglich ihrer Landrechte. Wenn RAIPON sich dafür einsetzt, diesen Mangel zu beheben, dann ist es schon klar, dass diese Organisation einen Dorn im Auge der Regierung in Moskau darstellt.

Auch in Russland geht es im Kern um die industrielle Ausbeutung der letzten Resourcen in den Gebieten indigener Völker. Die nomadisch lebenden Völker sind auf eine intakte Umwelt in den Lebensräumen ihrer Rentierherden angewiesen. Die Ausbeutung fossiler Energieträger oder der Raubbau durch Holzfäller zerstören die Umwelt und vernichten damit die Lebensgrundlage dieser Völker.

Dabei sollte eigentlich gerade Russland daran gelegen sein, dass das Öl in der Erde bleibt. Gefördert und verbrannt wird es seinen Teil zum Anstieg der mittleren globalen Temperatur beitragen. Wenn dann die Permafrostböden tauen und die dadurch entstehenden gigantischen Sumpfgebiete ihr Methan in die Atmosphäre abgeben, denn wird es das geringste Problem sein, wenn der Weihnachtsmann mangels verfügbarer Rentiere gezwungen sein sollte, die Geschenke zu Fuß auszuliefern..


(Quellen: Spiegel vom 18.12.2012, Survival International, Portail Quebéc [englisch], Wikipedia)

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