Dienstag, 30. Dezember 2014

Das war 2014 - Der Blick über den Tellerrand

Beim Blick über den lokalen Tellerrand zurück auf die Ereignisse des zu Ende gehenden Jahres 2014 schwappt mir Anfang Januar sofort eine Forderung aus der Bremer Bürgerschaft ins Gesicht: Herr Weber (SPD, Bremen, Bürgerschaft, Präsident) propagierte beim Neujahrsempfang im Parlament des Landes Bremen eine Wahlpflicht für Deutschland.

Wenn das Volk die Demokratur derer da oben mit Wahlboykott bestraft, dann muss es wohl zu seinem Glück gezwungen werden? Auch wenn ich die Wahverweigerer aus anderen Gründen nicht wirklich verstehen, so habe ich doch den Eindruck, dass die Menschen hierzulande großen Wert auf ihre grundlegenden demokratischen Rechte legen. Das deutsche Länderquorum der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative "Stop TTIP!" spricht diesbezüglich schon eine recht deutliche Sprache - doch dazu später mehr ...


Die Energiewende-Wende ...
Klimawandel, Braunkohle und Atomkraft

Die größte Herausforderung für die Menschheit blieb auch in diesem Jahr der Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe. Die schwarz-rote Koalition in Berlin offenbarte jedoch ein merkwürdiges Verständnis für den Ernst der Lage. Keine drei Monate nach der Bundestagswahl befreite sie Anfang Januar den Klimakiller "Braunkohle" von der EEG-Umlage.Gleich anschließend folgte der Beschluss zum Tritt auf die "Strompreisbremse".

Ausgebremst werden sollte damit konkret der Ausbau der Windenergieanlagen im Allgemeinen und die "Energiewende in Bürgerhand" - mithilfe der "Sonnensteuer" - insbesondere. Und damit das auch wirklich klappt, setzten Anfang April auch die Ministerpräsidenten der Länder ihre Füße neben dem Herrn Gabriels (SPD, Bundeswirtschaftsministers und Vizekanzler) auf die "Strompreisbremse".

Die in Bremerhaven noch junge Windkraftindustrie wurde davon eiskalt erwischt. Die "Strompreisbremse" kostet aber nicht nur Arbeitsplätze. Sie signalisiert der Weltgemeinschaft: Für die Regierung Deutschlands ist der Erfolg der Energiewende zweitrangig. Hauptsache den Verursachern der globalen Erwärmung, der fossilen Industrie mit ihren Kohlekraftwerken, geht es weiterhin gut.

Damit sollte wohl auch den letzten Gutgläubigen klar geworden sein: Die Große Koalition behindert die Energiewende.Ich habe inzwischen von einigen SPD-Anhängern gehört, dass sie mit Befremden wahrgenommen haben, dass klimapolitisch betrachtet in "ihrer" Partei wohl der Wurm steckt. Herr Denter (Attac), einer der Redner bei den Demonstrationen gegen die Klimapolitik der Bundesregierung am 22.03.2014, brachte es auf den Punkt (Zitat):
"Jetzt wird langsam klar, was da wirklich passiert in Berlin, dass die Energiewende geschlachtet werden soll auf dem Kabinettstisch zugunsten der Energiekonzerne."

Im Mai folgte in Berlin die nächste große Demonstration gegen die Energiewende-Wende. Für mehr als zehntausend Menschen aus ganz Deutschland gab es allen Grund, sich auf den Weg nach Berlin zu machen. - Im November ließ Herr Gabriel die Katze aus dem Sack (Zitat):
"Ist doch klar, dass das Ziel nicht zu halten ist .. Wir können nicht von jetzt auf gleich aus der Kohle raus."
Wer zuerst mit der EEG-"Reform" dafür sorgt, dass der Ausbau der Solarenergie und der Windkraftanlagen empfindlich ausgebremst wird, dann mithilfe des gleichen Gesetzes dafür sorgt, dass Braunkohle demhingegen von der EEG-Umlage befreit ist, wer also statt in die Energiewende mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr in Subventionen für den Klimakiller Nr. 1, die Braunkohle investiert, der hat sich von der zügigen Umsetzung der notwendigen Maßnahmen für den Umbau der Energieversorgung verabschiedet.

Dem ist es gleichgültig, dass jedes Stück Kohle, das unnötigerweise zusätzlich verheizt werden wird, den Anstieg der globalen Erwärmung weiter beschleunigen wird - und er belegt die Tatsache, dass die Braunkohleindustrie einem todgeweihten Patienten auf der Intensivstaion gleicht: Ohne lebenserhaltende Maßnahmen in Form massiver Subventionen und ohne die Begrenzung der regenerativen Energiequellen ist die Braunkohle wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Trotz alledem lag der Anteil des Stromverbrauchs aus regenerativen Energiequellen in den ersten neun Monaten dieses Jahres erstmals über dem des Braunkohlestroms.

Auch anderenorts in Europa setzte sich die Erkenntnis durch, dass schmutziger Strom aus Kohlekraftwerken den Klimawandel und die globale Erwärmung beschleunigt, Landschaften frisst, Dörfer und Städte vernichtet und die Profitgier von Kohlegruben-Betreibern immer wieder Menschen tötet. Demonstranten aus Polen und Deutschland gingen gemeinsam in den Braunkohle-Tagebaugebieten jenseits und diesseits der Grenze auf die Straße.

In Australien formierte sich der Widerstand gegen Pläne der australischen Regierung und der indischen Adani-Group, die derzeit weltweit noch größten Kohleresourcen auszubeuten. Konkret bedeutet der dafür notwendige Ausbau der Kohleumschlaganlagen des Hafens Abbot Point eine direkte gefahr für den Fortbestand des weltgrößten Korallenriffs und UNESCO-Weltnaturerbes "Great Barrier Reef". Die Petitionen zum Schutz des Riffs und gegen den Hafenausbau werden von Menschen aus allen Teilen der Welt unterstützt. Am 1. Juni 2014 konnten die australischen Umweltschützer einen ersten Etappensieg für das Great Barrier Reef verkünden.
Im Oktober machten sich Menschen aus Ozeanien, die sich selbst als "Klimakrieger" bezeichnen, mit selbstgebauten traditionellen Booten auf den Weg nach Australien, um gegen den geplanten Export des fossilen Brennstoffs für die "Todesfabriken" zu demonstrierten: Mit ihren Booten blockierten sie die Zufahrt zum wichtigsten australischen Kohlehafen.

Im September lud Herr Ban Ki Mun (UNO, Generalsekretär) die "Führer der Welt" zu einem Klima-Gipfeltreffen in New York ein. Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) gehört nicht zu dieser "Führungselite": Sie glänzte durch Abwesenheit.

Statt dessen versammelten sich zeitgleich zum Gipfeltreffen weltweit viele Hundertausend Menschen auf mehr als 2700 Demonstrationen in 161 Ländern und forderten von ihren Regierungen und denen aller anderen Länder der Welt, die seit vielen Jahren angemahnte, dringend notwendige, ambitionierte und nachhaltige Klimapolitik endlich in Angriff zu nehmen und zügig umzusetzen.
  • "Die Zeit ist nicht auf unserer Seite:
    Je länger wir warten, desto größer wird die Herausforderung"
    Michel Jarraud (WMO, General Sekretär)


Ende Oktober trafen sich die Vertreter der Regierungen der EU Mitgliedsländer in Brüssel zum EU-Klimagipfel, um sich auf eine gemeinsame Linie für den Weltklimagipfel im Dezember in Lima (Peru) zu einigen. Als Frau Merkel im Anschluss an den Klimagipfel in Brüssel sagte: "Wir hätten uns mehr vorstellen können.", dann war das ein Indiz dafür, welche Chancen während des EU-Klimagipfeltreffens verpielt wurden. In einem Artikel der taz vom 24.10.2014 heißt es dazu treffend formuliert (Zitat): ".. Europa ist wieder Vorreiter im Klimaschutz. Die schnellste Schnecke des Planeten."

Im Dezember, beim Weltklimagipfel in Lima, wurde wieder viel geredet, in gewohnter Manier geschachert und vieles blieb ungesagt. Nach der anfänglichen Euphorie unter den Gipfelteilnehmern folgte am Ende die Enttäuschung. Jetzt sollen die Regierungen ihre Hausaufgaben nachholen und bis Anfang 2015 schriftlich mitteilen, welche Maßnahmen sie konkret zum gemeinsamen Kampf gegen die globale Erwärmung beitragen wollen, damit im Dezember 2015 in Paris eine Grundlage für die Erarbeitung eines international verbindlichen Abkommens auf dem Tisch liegt.


Auch im Jahr 28 nach Tschenobyl und drei Jahre nach dem Beginn des mehrfachen Super-Gaus in der japanischen Atomkraftanlage Fukushima-I (Dai-ich) sind hierzulande noch Atomkraftwerke in Betrieb und und behindern die Energiewende. Ungeachtet des sogenannten schwarz-gelben "Atomausstiegs" produzieren die Atomfabriken in Lingen und Gronau weiterhin den strahlenden Brennstoff für Atomkraftwerke in aller Welt. Im Dunkel der Katakomben unter dem Atomkraftwerk "Brunsbüttel" gleichen immer mehr rostende, mit Atommüll gefüllte Fässer einem Schweizer Käse.

Allerdings merken inzwischen selbst die Lenker der Atomkonzerne, dass niemand mehr an das Märchen vom billigen Atomstrom glaubt und dass ihr hoch subventioniertes Geschäftsmodell gescheitert ist. Im Mai versuchten sie deshalb, ihre Atomanlagen mit allem drum und dran - inklusiver aller Risiken und allen unkalkulierbaren Folgekosten(!) - an den Staat zu verschenken.

Der wollte sie aber nicht so einfach aus ihrer Verantwortung entlassen und so wurde erst einmal nichts aus dem Deal. Im Dezember folgte dann der Überraschungscoup des E.on-Konzerns: Er kündigte an, er wolle sich von seinen Atomgeschäften verabschieden, indem er diese in eine neu zu gründende Gesellschaft auslagert. Letztlich läuft das Vorhaben auf eine Art "Bad Bank" für Verlustgeschäfte aus seinem Atomgeschäft hinaus.


Agrarindustrie, Gentechnik

Bestrebungen Multinationaler Agrar-, Chemie- und Gentechnik-Konzerne wie Monsanto, Pioneer oder Nestlé deuteten auch in diesem Jahr weiter auf die Errichtung eines internationalen Oligopols auf die weltweite Lebensmittelversorgung hin. Die Vielfalt des Erbguts unter den Nahrungspflanzen drohte in diesem Machtkampf der Agrarmultis den kürzeren zu ziehen.

So auch in Brasilien: Das Land ist einer von 193 Unterzeichnern der Biodiversitäts-Konvention (offiziell: Übereinkommen über die biologische Vielfalt) der Vereinten Nationen (engl.: Convention on Biological Diversity, CBD). Brasilianische Großgrundbesitzer versuchten ihre Regierung dahingehend zu beeinflussen, den Beitritt zur Biodiversitäts-Konvention zurückzuziehen.


Hierzulande gab es Mitte Januar eine eindrucksvolle Demonstration für eine Agrarwende, weg von der Agrarindustrie und hin zu einer umweltverträglichen, biologisch orientierten Landwirtschaft.Dass derartige Demonstrationen des Bürgerwillens notwendig sind, zeigte sich bereits im Monat darauf.

Anfang Februar hätte die Bundesregierung das Zünglein an der Waage sein können, als es in Brüssel um die Frage ging, ob der getechnisch veränderte "Mais 1507" des "DuPont-Pioneer"-Konzerns in Europa zugelassen wird - und ob damit gentechnisch veränderte Pflanzen wieder auf unsere Felder zurückkehren können. Anstelle mit "Nein" zu stimmen enthielt sich die Bundesregierung bei der Abstimmung. Mit einem klaren "Nein" hätte es für eine qualifizierte Mehrheit gegen die Zulassung gereicht. Die Enthaltung wirkt damit de facto wie eine Zustimmung zur Zulassung des DuPont-Pioneer GenMais. Es ist davon auszugehen, dass die EU-Kommission den europaweiten Anbau der gentechnisch veränderten Mais-Sorte jetzt zulassen wird.

Eine positive Nachricht gab es dafür im März über die Entscheidung der EU bezüglich der geplanten Restriktionen bezüglich der natürlichen Vermehrung von Saatgut. Das Europäische Parlament hatte dem Vorschlag der EU-Kommission für eine neue Saatgut-Verordnung vom 06.05.2013 eine eindeutige Absage erteilt. Die Abgeordneten des EU-Parlaments nahmen damit mehrheitlich die Bedenken der Bürger und der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ernst, die sich für den Erhalt und die Ausweitung der Sortenvielfalt, sowie für das bäuerliche Recht auf Erzeugung und Verbreitung von Saatgut oder die Züchtung neuer Sorten für den ökologischen Anbau eingesetzt hatten.


TTIP, CETA, ...

Der Kampf um die Biodiversität, gentechnikfreie Nahrungsmittel und eine biologisch orientierte Landwirtschaft ist noch längst nicht gewonnen. Sollten die über die TTIP-Geheimverhandlungen zwischen der EU-Kommission und den USA bekannt gewordenen Informationen einmal EU-Recht werden, dann hätten wir keine Möglichkeit mehr, uns mit demokratischen Mitteln gegen das profiorientierte Machtstreben multinationaler Konzerne zur Wehr zu setzen.

Letztlich wären alle Bereiche unseres täglichen Lebens betroffen. Erst später wurde den meisten Menschen bewusst, dass ein bereits fertig verhandeltes Abkommen zwischen der EU und Kanada ebendiese demokratiefeindlichen Punkte enthält, gegen die sich bezogen auf TTIP inzwischen ein europaweiter Widerstand etabliert.

Eine der letzten Amtshandlungen der vorherigen EU-Kommission war die Ablehnung der Registrierung der Europäischen Bürgerintiative "Stop TTIP" im September. Das Bündnis "Stop TTIP" klagt dagegen inzwischen vor dem Europäischen Gerichtshof und setzte seinen Widerstand gegen CETA und TTIP Anfang Oktober als selbstorganiserte Europäische Bürgerintiative fort.

Bereits nach nicht einmal zwei Monaten erreichte die selbstorganisierte Bürgerinitiative den ersten von zwei notwendigen Meilensteinen für den Erfolg einer registrierten Europäische Bürgerinitiative: Mehr als eine Million Bürger unterstützen "Stop TTIP!" mit ihrer Unterschrift. Nur fünf Tage später folgte der zweite Meilenstein: In mindestens sieben EU-Mitgliedsstaaten wird das Länderquorum erfüllt. Wenige Tage später erreichten auch die Niederlande und Spanien ihre Länderquoren.

Die mit Abstand größte Zahl der Unterstützer von "Stop TTIP!" kommt mit aktuell 738224 Unterschriften aus Deutschland. Das deutsche Länderquorum (mindestens 72000 Unterschriften) ist damit um 1025 Prozent "überzeichnet: Eine schallende Ohrfeige für alle Politmarionetten der Lobbyisten diverser Konzerne und Verbände.


Wovon Hacker nur träumen können:
Die allumfassende Überwachung durch die NSA

Über einen längeren Zeitraum war ihr die 'lästige NSA-Angelegenheit' ja ziemlich egal gewesen. Im Gegensatz zu den davon massenhaft betroffenen Bürgern wachte Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) erst auf, nachdem - dank Herrn Snowden - bekannt geworden war, dass sie mithilfe ihres eigenen Mobittelefons ebenfalls ausspioniert wird. Is' ja wirklich unerhört! Um die Wogen wieder zu glätten, wurde - nachdem sich die erste Empörung gelegt hatte - ernsthaft ein "No Spy"-Abkommen in Erwägung gezogen ...

Auf das Bekanntwerden der Spionageangriffe gegen deutsche Politiker folgten aus Berlin erstaunlich scharfe Töne in Richtung Washingtion. Im April musste man sich allerdings fragen, wie ernsthaft es den Mitgliedern des NSA Ausschusses, die eine Befragung Herrn Snowdens nicht für notwendig erachteten, mit der Aufklärung des NSA-Spionage Skandals wirklich ist.

Am 25.09.2014 gab die "Right Livelihood Award Foundation" in Stockholm bekannt, dass der Whistleblower Edward Snowden gemeinsam mit Alan Rusbridger (engl. Tageszeitung "Guardian", Herausgeber) mit  mit dem diesjährigen Ehrentitel des Alternativen Nobelpreises ausgezeichnet werden: Eine verdiente Ehrung für Herrn Snowden, dem wir alle zu verdanken haben, dass die Welt über den unfassbaren Umfang der US-amerikanischen Spionageaktivitäten, die sich quasi gegen jeden Bürger des Planeten richten, informiert ist.
... Och nööö: Nich' schon wieder! Dieses Mal wollte sich ein NSA-Trojaner ins Kanzleramt einschleichen.


Menschenrechte

Wäre ich eine Frau, dann würde ich es mir sehr gut überlegen, ob ich tatsächlich in ein Land fahren würde, in der Männer über Frauen richten und sich dabei auf die Scharia berufen.
Ein abschreckendes Beispiel ist das Schicksal einer östereichischen Touristin, die in Dubai in der Tiefgarage eines Hotels von einem aus Jemen stammenden Mann vergewaltigt wurde. Das Opfer wurde vor Gericht gestellt und und sollte wegen "außerehelichen Geschlechtsverkehrs" zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt werden.


Noch härter traf es Mariam Yehya Ibrahim - eine Mutter, Ärztin und Christin. Sie hatte einen zweijährigen Sohn und war im achten Monat schwanger als sie zu 100 Peitschenhieben wegen Ehebruchs verurteilt wurde. Außerdem warf man ihr "Abtrünnigkeit" vom Glauben vor. Dafür sollte sie gehängt werden. Am Morgen des 27. Mai 2014 kam im Gefängnis ihre kleine Tochter zur Welt. Mariam wurde eine Frist von zwei Jahren gewährt, während der ihr erlaubt sein sollte, ihre kleine Tochter zu stillen, bevor man ihr eine Schlinge um den Hals legenwürde, um sie daran aufzuhängen.

Weltweit setzten sich mehr als eine Million Menschen für die Freilassung der jungen Frau ein. Am 23. Juni 2014 wurde sie aus der Haft entlassen. Weil ihr die sudanesischen Behörden jedoch verboten, das Land zu verlassen, flüchtete sie mit ihrer Familie in die US-Botschaft in Khartum. Ende Juli 2014 konnte sie schließlich in die USA ausreisen.


Nachdem die Taliban im pakistanischen Swat-Tal die Macht übernommen hatten, schlossen sie Mädchen von der Schulbildung aus und verboten das Hören von Musik. Malala Yousafzai berichtete damals in ihrem Blog über Gewalttaten der Taliban im Swat-Tal und forderte Schulbildung für alle Kinder. Als sie 15 Jahre alt war schossen die Talban Malala dafür in den Kopf.
Malala hatte den Mordanschlag wie durch ein Wunder schwerverletzt überlebt und war in England operiert worden. Trotz allem was ihr widerfahren ist, tritt sie weiterhin öffentlich für die Rechte der Kinder auf Bildung - insbesondere derjenigen der Mädchen - ein.

Im Oktober wurde Malala Yousafzai mit dem Friedensnobelpreis geehrt, den sie sich mit Kailash Satyarthi teilt, der in seinem Heimatland Indien seit langem mit friedlichen Protestaktionen in der Tradition von Mahatma Gandhi gegen die Ausbeutung von Kindern engagiert. Seinem Engagement ist es auch zu verdanken, dass die Rechte von Kindern in internationalen Konventionen festgeschrieben wurden. Das Nobel-Komitee würdigte ihn für seinen persönlichen Ensatz mit dem er großen Mut bewiesen habe.


Im Juni jährte sich zum 25. Mal der Tag, an dem Chinas Machhaber "ihren" Tiananmen-Platz, den Platz des Himmlischen Friedens, in den Platz der blutigen Hölle verwandelten. An der Situation der Menschenrechte hat sich seit damals nichts zum Besseren verändert - warum auch: Die Herrscher über die "Volks"-Republik werden schließlich nach wie vor von Politikern aus Ländern hofiert, die sich die Menschenrechte ganz oben auf ihre Fahnen geschrieben haben. Angesichts möglicher fetter Profite sind die Menschenrechte offensichtlich nicht mehr viel wert ...


Krieg und Frieden

Ebenfalls im Juni jährte sich der Tag, an dem vor einhundert Jahren der Erste Weltkrieg begann - ein Jahrestag, der uns daran erinnern sollte, das Frieden ein hohes Gut ist ...

Noch während im russischen Sotschi die Olympischen Spiele ausgetragen wurden und kritische Stimmen russischer Bürger im Keim erstickt wurden, setzte in der Ukraine eine Entwicklung ein, die später - unter tatkräftiger Unterstützug durch Herrn Putin (Russland, Präsident) zur Abspaltung der Krim von der Ukraine führen und bald darauf in einen Bürgerkrieg im Osten der Ukraine münden sollte. Von dem flüchtigen politischen Tauwetter im Vorfeld der Olympischen Spiele konnte keine Rede mehr sein.

Im September ließ Herr Putin die Katze aus dem Sack: Die Krim ist ihm nicht genug. Der gesamte Südosten der Ukraine sollte es schon sein. Trotzdem dementierte Vorwürfe, er habe im Bürgerkrieg im Osten der Ukraine seine Hände im Spiel. Nachdem allerdings mehrere russische Fallschirmjäger fünfzig Kilometer hinter der Grenze zu Russland in der Ukraine festgenommen worden waren glaubte ihm das niemand mehr: Da hatte er der Welt monatelang weiszumachen versucht, dass keine russischen Soldaten in die Kämpfe der Separatisten in der Ostukraine involviert sind - und nun das ...


Ein anderer Krieg begann in diesem Jahr als eine islamistische Terrormilitz, die anfangs Anschläge im Irak verübte und als eine unter vielen Gruppierungen im syrischen Bürgerkrieg mitmischte, sich bald darauf große Teile des Irak und Syriens unter den Nagel riss.

In dem Maße, in dem die selbsternannten Gotteskrieger des IS ihren Machbereich ausweiteten, wuchs die Zahl der Flüchtlinge, mit denen die angrenzenden Länder bald überfordert waren. Andere Länder erklärten sich bereit, einige der vielen Flüchtlinge aufzunehmen. Mit den Flüchtlingen, die dem Tod und der Barbaraei in ihrer Heimat entkommen konnten, kam die Angst auch nach Deutschland.

Diese Angst ist nicht die Angst vor Folter oder Tod, der die Flüchtlinge in ihrer Heimat ausgesetzt waren, bevor sie zu uns kamen. Vielmehr ist es die Angst einiger unserer Mitbürger, die sich vor einer - wie sie es nennen - "Islamisierung des christlichen Abendlandes" fürchten.

Es ist die irrationale Angst vor einer Minderheit von Mitbürgern muslimischen Glaubens, deren Anteil an unserer Gesellschaft derzeit etwa fünf Prozent beträgt. Und genau diese Angst schüren die ewig Gestrigen vom äußersten rechten Rand unserer Gesellschaft - in der Hoffnung, dass ihnen noch mehr ängstliche Menschen auf den Leim gehen.


Gone home

Die Stimme eines Mannes, der schon sehr früh gegen den Krieg seines Heimatlandes in Vietnam gesungen hat, ist am 27. Januar für immer verstummt. Wenn er "Bring' em home" - Bringt sie heim - sang, dann wusste er die wachsende Zahl derjenigen hinter sich, die in den sechziger und siebziger Jahren gegen den Vietnamkrieg auf die Straße gingen.

Pete Seeger war nicht einfach nur ein guter Sänger und Musiker, der die amerikanische Folk-Music weltweit bekannt gemacht hat. Er hat sich sein Leben lang auch für gesellschaftliche und soziale Verbesserungen, für den Frieden, für die US-amerikanische Arbeiterbewegung, gegen den Rassismus, für den Schutz der Umwelt, für die Menschenrechte und vieles mehr engagiert.

In einem Interview hat er einmal gesagt: "Mein Job ist es, den Leuten zu zeigen, dass es eine Menge gute Musik in dieser Welt gibt, und wenn sie richtig verwendet wird, könnte sie dazu beitragen diesen Planeten zu retten."

Now he's gone home ... - now it's our part to help to save the planet.


Think global - global denken

Auch mein Jahresrückblick auf die Ereignisse jenseits des lokalen Tellerrands erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Vielleicht hat aber die Eine oder der Andere beim lesen dieser "geballten Zusammenstellung" bemerkt, dass sich die Dinge nicht immer in "Schubladen" einordnen lassen. Viele lokale Entscheidungen und Ereignisse wirken sich unter Umständen weltweit aus. Oftmals ist vieles von dem, was auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hat, miteinander verwoben.

Entscheidungen in einem Teil der Welt lösen anderenorts eine Hungerkatastrophe aus. Weil die Politik hierzulande ihre Fittiche schützend über die fossile Industrie ausbreitet, versinken komplette Staaten in den Fluten des Pazifischen Ozeans ... - Dinge, die "am anderen Ende der Welt" geschehen, beeinflussen indirekt - und oft auch direkt - unser Leben bis hinein in unsere Privatshäre.

Deshalb ist es auch zukünftig wichtig, die Augen und Ohren offen zu halten - hier, in unserer eigenen kleinen Welt ebenso, wie auch in der Welt jenseits des lokalen Tellerrands ...

  • Ich wünsche euch alles Gute im neuen Jahr 2015 - und vergesst dabei bitte auch die Menschen nicht, mit denen es das Schicksal nicht so gut gemeint hat.

Montag, 29. Dezember 2014

Das war 2014 - juwi's welt

Für mich begann das Jahr 2014 in aller Ruhe mit Spaziergängen an menschenleeren Stränden der Ostseeküste nordöstlich von Kiel. 

Auf dem Land verläuft der Jahreswechsel erheblich ruhiger als ich es von der Ballerei in den Straßenschluchten zwischen den Häusern in der Stadt kenne. Das Feuerwerk beschränkt sich im Wesentlichen auf die Zeit um Mitternacht herum.

Als es im Ort wieder ruhiger wurde, wehte der Feuerwerkslärm aus Kiel wie das Grollen einer fernen Schlacht zu uns herüber. Dabei kamen mir Bilder in den Sinn, wie man sie aus Dokumentarfilmen über den ersten Weltkrieg kennt, der vor einhundert Jahren seinen Anfang nahm.


Lale Eisbär

Bereits im Dezember 2013 hatte im Bremerhavener "Zoo am Meer" ein winziges Eisbärbaby das Licht der Welt erblickt. Obwohl: eigentlich war es wohl mehr die schummerige Beleuchtung im inneren der Wurfhöhle, in die sich die Eisbärin zur Geburt zurückgezogen hatte. Bis zum März war sie dort mit ihrem Baby allein.

Seit dem ersten Gesundheitscheck wusste man, das der kleine Eisbär ein Eisbärmädchen ist, das von den Bremerhavenern den Namen Lale erhielt. Wie in meinem Video zu sehen ist, hatte sich die kleine Lale prächtig entwickelt und unternahm zusammen mit ihrer Mutter im April die ersten Ausflüge in die Außenanlagen des Eisbärengeheges.


Was lange währt ...

Von der Ankündigung der SPD im Herbst des Jahres 2013, den baulichen Problemen im Goethe-Quartier des Bremerhavener Stadtteils Lehe solle mit der Einrichtung eines Sanierungsgebietes und weiteren Problemen mithilfe eines langfristig angelegten Stadtteilmanagements begegnet werden, war schon bald darauf keine Rede mehr. Seitdem hatten die im Quartier organisierten Bürger auch nach mehrfachen Anfragen nach einen gemeinsamen Gesprächstermin keine Antwort erhalten. Sie fühlten sich deshalb von der Politik im Stich gelassen.
Intrigen der Opposition in der Stadtverordnetenversammlung war es darüberhinaus zu verdanken, dass sich auch der Amtsantritt von Frau Ehbauer, die nach dem Ausscheiden Herrn Holms die neue Baustadträtin werden sollte, bis zum St. Nimmerleinstag zu verzögern drohte. Erst im Februar nahm das politische Ränkelspiel ein glückliches Ende, nachdem das Oberverwaltungsgericht Bremen den Weg für ihren Amtsantritt frei gemacht hatte.

Im gleichen Monat erfuhren die Menschen im Goethe-Quartier aus der Presse, dass Geld zur Finanzierung einer Quartiersmeisterei vorhanden wäre - allerdings vorerst nur "für eine Pilotphase". Herr Kaminiarz (Bündnis '90 / Die Grünen, Bremerhaven, Stadtverordnetenfraktion, Vorsitzender) hatte der Nordsee-Zeitung gegenüber den Vorwurf der SPD zurückgewiesen, seine Fraktion blockiere die Finazierung. Richtig sei, dass eine zeitliche Begrenzung für eine Quartiersmeisterei auf ein Jahr aus Sicht der Grünen wenig sinnvoll ist, wenn man nicht weiß, wie man sie anschließend weiter finanzieren kann. Derweil warteten die Bewohner des Goethe-Quartiers weiter darauf, dass den vielen Worten endlich Taten folgen ...

Deshalb war die Tagesordnung der "Stadtteilkonferenz Lehe" (STK-Lehe) am 11.02.2014 kurzfristig geändert worden. Nach kontroversen Diskussionen folgte Endlich die Klarstellung seitens der Vertreter der rot-grünen Regierungskoalition: Eine Quartiersmeisterei für das Goethe-Quartier werde kommen - und die erklärte Absicht solle noch in diesem Jahr umgesetzt werden ...


... wird endlich gut

Was lange währt wird manchmal endlich gut: Inzwischen hat Frau Hawelka ihre Arbeit als Quartiersmeisterin aufgenommen und Mitte Dezember sind auch Büroräume in der Uhlandstraße fertig geworden. Nicht ganz uneigennützig wünsche ich Frau Hawelka viel Erfolg und dass sie uns lange erhalten bleiben wird, damit die angestrebten Ergebnisse ihrer Arbeit eine nachhaltige Wirkung entfalten können.


Ein immer wiederkehrendes Ärgernis in Bremerhaven sind "wilde Müllkippen", die sich aus Keimzellen, wie etwa einem prallgefüllten, irgendwo an der Straße abgestellten "Blauen Sack" oder einem alten Einkaufsplastikbeutel voller Lebensmittelabfälle, entwickeln. Zum einem fehlt denjenigen Menschen, die ihren Abfall in dafür vorgesehenen Abfallbehältern entsorgen, jegliches Verständnis für diejenigen unter ihren Mitbürgern, die davon noch nie etwas gehört zu haben scheinen, und zum anderen sind sie genervt vom Possenspiel der "Realen Müll-Verwaltung und ihre Folgen".

Aber wir arbeiten daran: Steter Tropfen höhlt den Stein ... - und kleine Erfolge ermuntern zu weiteren Telefonanrufen, wenn es darum geht, die unappetitlichen Hinterlassenschaften ignoranter Schmutzfinken von den für die Müllentsorgung zuständigen Stellen entsorgen zu lassen ...


Anlass zur Hoffnung bietet auch die Einführung eines Gesetzes gegen "nachwachsende Schrottimmobilien". Ein Wohnungsaufsichtsgesetz soll der Stadt ein Werkzeug für die Beseitigung von Missständen an Wohnraum und dazugehörigen Nebengebäuden und Außenanlagen in die Hand geben. Insbesondere bei Anzeichen von Verwahrlosung in den Wohngebäuden und an den Außenanlagen können sie regelmäßige Überprüfungen durchführen und Eigentümer - auch unter Androhung von Zwangsmaßnahmen - zur Beseitigung von Missständen veranlassen.

Der Haken an der Sache ist jedoch, dass sich das Gesetz nur auf vermieteten Wohnraum anwenden lässt. Eigentümern, die sich in einer verwahrlosten Umgebung wohl fühlen, kann man nicht vorschreiben, wie sie mit ihren selbstgenutzten Eigentumswohnungen oder Häuschen umgehen. Auch bereits leerstehende, dem Verfall preisgegebene Spekulationsruinen werden sich sich damit letztlich nicht vor dem Abrissbagger retten lassen.


Einen erfolgreicher Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen Nutzung des seit Jahren verwaisten Zollinlandplatzes hatte eine Initiative von Bürgern aus dem Goethe-Quartier zu vermelden. Im Dezember feierte sie mit Anwohnern und interessierten Besuchern ein "Zolli-Auftaktfest". Auch wenn es derzeit noch nach einem weiteren zähen Ringen mit den politisch Verantwortlichen aussieht: Es geht voran.


Im Oktober beobachtete eine gute Bekannte einen dubiosen Dachstuhlbrand in einem Haus der Nähe ihrer Wohnung in der Hafenstraße. Darüber - und über weitere, kleinere Brände - berichtete auch die Nordsee-Zeitung.


Ein Fass ohne Boden

Gegen jede Vernunft und gegen den Widerstand betroffener Anwohner, weiterer Bürger in der Stadt, haben Mitte des Jahres die Bauarbeiten für den Hafentunnel begonnen. Der Versuch der Tunnelgegner, im Februar noch eine Petion gegen den Tunnelbau  zu organisieren, kam zu spät und bleib auch aufgrund der aus meiner Sicht für diesen Zweck ungeeigneten Petitionsplattform (AVAAZ, internationales demokratische Netzwerk) und der ungenügenden Verbreitung im Internet und in den Medien mit gerade einmal 92 Unterzeichnern erfolglos.

Dafür zeichnete sich im Juli ab, dass der Bau des Hafentunnels noch mehr Geld verschlingen wird, als vor Beginn der Baumaßnahmen ohnehin schon bekannt war. Es gibt genügend Beispiel dafür, dass größere Bauprojekte nie für die anfangs veranschlagten Kosten fertiggestellt werden. Auch der Tunnel droht als Fass ohne Boden zu enden ...


Kulturelles

Im Rahmen der "Kulturkirche" sorgte die Berliner Küstlerin Corinna Tiesen mit ihrer Installation "zeit|gleich|hier" im Turm der Bremerhavener Pauluskirche für Aufsehen. Darin ging es um die Wechselwirkungen zwischen der Welt, die uns umgibt, und der Welt aus Gedanken und Erfahrungen in unserem Inneren. Auf dem Weg nach oben erwartete die Besucher der Turminstallation Ungehörtes und Unerwartetes.


Im Juni lud die türkisch-islamische Gemeinde der Moschee "Merkez Camii" zu ihrem ersten türkischen Kulturfest auf dem Bremerhavener "Phillips-Field". Gemeinsam mit vielen deutschstämmigen Gästen war das Fest eine rundum gelungene Veranstaltung, die nach den Wünschen der Besucher und dem Willen der Veranstalter wohl nicht die letzte dieser Art gewesen sein wird.

Die türkisch-islamische Gemeinde, deren Moschee im Leher Goethe-Quartier steht, ist sehr offen für den Dialog mit Angehörigen anderer Glaubensrichtungen. Ein Beispiel dafür war die an alle Bremerhavener Bürger gerichtete Einladung zum Fastenbrechen zum Abschluss des islamischen Fastenmonats Ramadan im Rahmen des "Leher Kultursommers 2014".

Vorher gab es die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Führung durch die Moschee. Für mich war es das erste Mal, dass ich ein islamisches Gotteshaus von innen zu sehen bekam. Die Führerin erklärte ihren Gästen die Einrichtungen im Gebetsraum und beantwortete unsere Fragen. Für mich wurde dabei erneut deutlich, dass der Islam und das Christentum, trotz unterschiedlicher Auffasungen und Praktiken, die gleichen Wurzeln haben und viele Parallelen aufweisen, die mit den Gräueltaten heutiger "Gotteskrieger" à la Al-Kaida oder IS ebensowenig gemein haben, wie mit der Barbarei der europäischen Kreuzritter im "Heiligen Land" oder den Folterkellern der katholischen Inquisition im Mittelalter.

Eine weitere Veranstaltung im Rahmen des "Leher Kultursommers 2014", die sich mit unterschiedlichen Standpunkten in Glaubensfragen - dieses Mal ausschließlich aus christlicher Sicht - auseinandersetzte, war die "Preacher-Poetry-Slam" in der Pauluskirche. Anders als bei einer "normalen" Poetry-Slam trafen dabei fünf Poeten und fünf Pastoren aufeinander, die sich mit ihren Texten dem Thema der evangelischen Jahreslosung des Jahres 2014 stellten.


Bleibende Eindrücke hat auch der geführte Spaziergang entlang des Verlaufs des ehemaligen Flusses Aue durch das Goethe-Quartier hinterlassen, der mit einem sehr interessanten Besuch im unterirdischen Regenauffangspeicher an der Geeste endete. Am Rande ging es dabei unter anderem auch um das Thema "Häufung von Starkregenereignissen", das uns und unseren Nachkommen angesichts der fortschreitenden globalen Erwärmung infolge des menschengemachten Klimawandels zukünftig wohl mehr und mehr zu schaffen machen wird.


Klimawandel, Energiewende

Der Klimawandel macht auch vor Bremerhaven nicht halt. Im April hatte sich schon die ESG-Lehe im Rahmen einer ihrer Veranstaltungen damit auseinandergesetzt, welche Möglichkeiten der Anpassung seitens der Haus- und Grundstückseigentümer nötig, und welche Maßnahmen der Kommunen machbar sind, um die Schäden infolge von Starkregenfällen zu vermindern. Ich denke, die meisten Besucher der Veranstaltung werden anschließend wohl eher ernüchtert als ermutigt nach Hause gegangen sein.


Je weniger klimarelevante Gase (CO2, Methan etc.) noch in die Armosphäre gelangen werden, desto weniger drastisch wird die zu erwartende Häufung von Starkregenereignissen ausfallen. Die "Strompreisbremse" der schwarz-roten Bundesregierung mit ihrem Festhalten an der Subventionierung der Braunkohleindustrie zulasten der Energiewende und der Verbraucher bewirkt das genaue Gegenteil.

Nebenbei bemerkt betraf die verfehlte Energiepolitik der Bundesregierung auch eine große Anzahl an Arbeitsplätzen bei den Windanlagenherstellern, die sich in den letzten Jahren in Bremerhaven angesiedelt haben. Wenn es so weiter geht, könnte auf das Werftensterben und den Niedergang der Hochseefischerei in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts Anfang dieses Jahrhunderts das Ende der Windanlagenbranche folgen und der vom Strukturwandel der letzten Jahrzehnte ohnehin gebeutelten Stadt einen erneuten schmerzhaften Rückschlag versetzen.


Dies und das

Im April hatte ich zufällig die seltene Gelegenheit, ein stählernes Baudenkmal in Aktion zu sehen: Die einhundertzehnjährige Geestebrücke wurde geöffnet, um einen Schleppverband durchzulassen, der Material für den Bau der neuen Spundwand am Ufer der Geeste vor der Marineschule transportierte. Damals, zu der Zeit, als auf den Werften an der Geeste noch Schiffe gebaut wurden, war das nichts ungewöhnliches - heute ist es ein aufsehenerregendes Ereignis.

Ein anderes stählernes technisches Denkmal, das noch nicht so viele Jahre auf dem Buckel hat, konnte glücklicherweise am Neuen Hafen erhalten und saniert werden: Eingebettet in ein Neubauensemble aus einem Büro- und einem Wohngebäude ist der Verladekran der ehemaligen Kiesumschlagsanlage dort die letzte erhalten gebliebene, weithin erkennbare Spur, die einen Hinweis auf die ehemalige Bedeutung der Hafenwirtschaft als Keimzelle der heutigen Stadt Bremerhaven gibt.


Die ersten ruhigen Stunden zur Einstimmung auf die Adventszeit und den bevorstehenden Jahresausklang konnte ich am ersten Adventswochenende beim Adventsmarkt in und um die Pauluskirche erleben. Gespräche mit Gästen auf dem Turm, der Blick am Abend auf die Lichter der Stadt oder die Eindrücke vom Treiben in der Kirche während der Wartezeit zwischen den Turmführungen lenkten meine Gedanken in andere Richtungen ...


Diese kleine Auswahl aus der Vielzahl der Ereignisse des letzten Jahres in meiner unmittelbaren Umgebung und den Einflüssen von politischen Entscheidungen und Vorgängen jenseits des regionalen Tellerrands, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist mein ganz persönlicher Jahresrückblick, der den Einen oder die Andere unter euch vielleicht an Dinge erinnert, die in der heutigen Flut der Nachrichten allzuschnell in Vergessenheit geraten ...

Mittwoch, 24. Dezember 2014

O heiliger Abend

Krippe vor der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche ("Große Kirche") in Bremerhaven
O heiliger Abend,
mit Sternen besät,
wie lieblich und labend
dein Hauch mich umweht!
Vom Kindergetümmel,
vom Lichtergewimmel
auf schau ich zum Himmel
im leisen Gebet.

Da funkelt's von Sternen
am himmlischen Saum,
da jauchzt es vom fernen,
unendlichen Raum.
Es singen mit Schalle
die Engelein alle,
ich lausche dem Halle,
mir klingt's wie ein Traum.

O Erde, du kleine,
du dämmernder Stern,
dir gleichet doch keine
der Welten von fern!
So schmählich verloren,
so selig erkoren,
auf dir ist geboren
die Klarheit des Herrn!

Karl Gerok (1815 - 1890)


Ich wünsche euch ruhige und gemütliche Feiertage im Kreise eurer Lieben und alles Gute im neuen Jahr 2015.

Uns allen wünsche ich das Vertrauen, den Mut und die Kraft, für die christlichen Werte einzustehen (auf die sich in diesen Tagen so viele Menschen in unserem Land berufen), wenn es darum geht, den Flüchtlingen, die der Folter, dem Terror und dem Tod in ihrer Heimat entkommen konnten, eine sichere Zuflucht zu geben.

Dienstag, 23. Dezember 2014

Sie wissen nicht, was sie tun ...

Wie man in diesen Tagen aus den Medien erfährt, gibt es hierzulande Menschen, die vorgeben, sie hätten Angst um das "christliche Abendland". Sie fürchten sich vor einer Minderheit von Mitbürgern muslimischen Glaubens, deren Anteil an unserer Gesellschaft derzeit etwa fünf Prozent beträgt.

Diese Menschen missbrauchen in der Adventszeit des Jahres 2015 das Absingen von Weihnachtsliedern als Tarnung für eine Demonstration gegen Flüchtlinge, die in unserem Land Zuflucht vor Folter und Tod suchen. Ich denke, diese Menschen haben die christliche Botschaft nicht verstanden. Sie wissen nicht, was sie tun ...

Rückblende:

Das Kind, das nach unserer Zeitrechnung vor mehr als zweitausend Jahren in Bethlehem (damals Judäa, heute Westjordanland) in einem Stall geboren wurde, war ein Flüchtlingskind. Als der über die damaligen Gebiete Galiläa, Judäa und Samaria herrschende König Herodes von der Geburt "des neuen Königs" erfuhr, fürchtete er um seine Macht und ließ vorsorglich alle bis zu zwei Jahre alten männlichen Kinder umbringen. Die Eltern von Jesus waren - wie es in der Bibel der Christen heißt - im Traum vor der drohenden Gefahr für ihr Kind gewarnt worden und hatten es gerade noch rechtzeitig geschaft, über die Grenze nach Ägypten zu entkommen.

... Bei einer Bevölkerung von etwa acht Millionen Einwohnern und einem Anteil von fünf Prozent leben in Deutschland derzeit etwa vier Millionen Mitbürger muslimischen Glaubens. Selbst wenn wir ebensoviele Frieden suchende muslimische Flüchtlinge aus den vom Terrorregieme des IS besetzten Gebieten im Irak und in Syrien bei uns aufnehmen würden, wäre das noch immer eine kleine Minderheit, die wohl kaum in der Lage wäre, eine Mehrheit von nahezu siebzig Millionen Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften und Konfessionslosen - darunter etwa 46,7 Millionen Christen - zu dominieren.


Die Ermordung eines Kindes
hätte die Geschichte verändert


Wäre Maria und Josef damals die Flucht mit dem kleinen Jesus nicht gelungen, und hätten die Schergen Herodes' auch dieses Kind erschlagen, dann müssten sich die Teilnehmer an den Pegida-Demonstrationen heute keine Gedanken um das "christliche Abendland" machen. Es hätte dann nämlich weder Christen noch ein "christliches Abendland" gegeben.

Kein Kritiker der katholischen Kirche wäre der Inquisition zum Opfer gefallen und als Häretiker oder Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Kein Kreuzzug hätte Unfrieden in das Heilige Land gebracht. Die muslimischen Mauren wären nicht von den Christen aus Spanien vertrieben worden. Vielleicht wären wir stattdessen Nachkommen von Menschen, die in der Lehre des Propheten Mohamed ihr Heil gesehen hätten und würden in die Moschee statt in die Kirche gehen. Mit Sicherheit hätte die Geschichte des Abendlandes einen völlig anderen Verlauf genommen.


Die Opfer der Rattenfänger

Nicht nur ich denke offensichtlich, dass die Strippenzieher im Hintergrund die irrationalen Ängste ihrer Mitbürger für ihre eigenen Zwecke schüren und missbrauchen. In der aktuellen "taz am Wochenende" vom 20.12.2014 schreibt Frau Gaus (taz, politische Korrespondentin) - Zitat:

Das Doppelbödige und Unausgesprochene ist oft das eigentlich Interessante an zwischenmenschlicher Kommunikation. Alle können derartige Signale lesen: Erwachsene Kinder und ihre Eltern, Berufstätige und deren Vorgesetzte, Politiker und deren Anhänger. Die Einzigen, die davon offenbar noch nie gehört haben, sind die Leute, die nicht verstehen, was an Pegida eigentlich schlimm sein soll. ..

Jede Forderung braucht einen Adressaten, der die Forderung bisher ignoriert hat, sonst ist es keine. .. Es muss also jemanden geben, dem die Anhänger von Pegida unterstellen, Islamismus und relgiösen Fanatismus ganz prima zu finden - oder zumindest nicht entschlossen genug dagegen zu kämpfen. Wer soll das sein? Regierung, Medien, Parlament? Man weiß es nicht. Denn die Teilnehmer der Demonstrationen haben ja offenbar kein Bedürfnis, ihre Position zu erläutern, sondern verweigern das Gespräch. Sie erklären Schweigen zum Konzept.
"Wenn Sie als Presse nicht immer nur mit Totschlagworten auf die Menschen, die es satthaben, einschlagen würden, dann würden Sie auch wissen, was die Haltung Ihrer Leser ist" teilt mir eine Leserin mit. Das Totschlagwort, das sie meint, ist vermutlich Rassismus. Aber wie soll man die Pegida denn sonst nennen?

Selbst die Organisatoren der Pegida und ihre Verbündeten von der AfD würden nicht daran glauben, dass in Deutschland jetzt die Scharia eingeführt werden und in München das Bier verboten werden soll. Sie würden sich ganz einfach darauf verlassen, dass der Subtext dessen, was sie sagen - also das, was sie wirklich meinen-, schon verstanden werden wird:
".. Und damit haben sie recht. Es ist eindeutig. Und deshalb nenne ich die Pegida ausländerfeindlich und rassistisch. .."


Nicht die Flüchtlinge sind eine Gefahr für die innere Sicherheit unserer Gesellschaft, sondern ausländerfeindliche Rassisten, die sich unter Ausnutzung des Unglücks der Verfolgten auf dem Weg zur Macht wähnen.
  • Wenn ich in einem Filmbericht der Tageschau höre, wie mehr als siebzehntausend Pegida-Demonstranten vor der Dresdener Semperoper "Stille Nacht, Heilige Nacht .." singen während die Menschen in deutschen Flüchtlingsunterkünften Angst vor neu aufkeimender rassistischer Gewalt der Strippenzieher im Hintergrund haben müssen, dann wird mir übel.

    Und daran kann ich nichts Stilles und schon gar nichts Heiliges erkennen! Rostock-Lichtenhagen im August 1992 - Schon vergessen?


Update 24.12.2014: Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung

(Quellen: Tagesschau vom 22.12.2014, taz vom 20.12.2014, Tagesspiegel vom 13.11.2014, Wikipedia)

Sonntag, 21. Dezember 2014

Dezemberregen

Weser, an der Geestemündung (Sturmtief Xaver, 06.12.2013)
Ein Blick aus dem Fenster:
Trostloses Grau.
Fröstelnd wende ich mich ab.
Die Kälte weicht.
Im Schein der flackernden Kerzen
schenkt mir
mein Weihnachtsengel
sein warmes Lächeln.

© Anita Menger


Kaum zu glauben, welche Mengen an Wasser der aus Nordwest kommende Wind gestern durch die Luft peitschte. Außerdem drückte er so viel Wasser in die Wesermündung, dass der Parkplatz an der Weserfähre überflutet wurde.

Wenn ich meiner Mutter nicht zugesagt gehabt hätte, mit ihr zusammen einen Weihnachtsbaum zu kaufen, dann wäre ich mit Sicherheit zu Hause geblieben. In weiser Voraussicht hatte sie zwar einen knisternden und raschelnden Pfad aus Prospektseiten von der Wohnungstür bist in das Wohnzimmer gelegt, aber ich bin mir nicht sicher, ob der klitschnasse, um sich spritzende Baum nicht doch die eine oder andere Spur auf ihren hellen Teppich hinterlassen hat - so genau habe ich vorsichtshalber nicht mehr hingesehen.

Als das gute Stück endlich fest im Baumständer verankert und gerade ausgerichtet war, meinte meine Mutter erschöpft: "Das wird wohl der letzte Weihnachtsbaum gewesen sein. ..."

Den Spruch habe ich in den letzten Jahren schon des öfteren von ihr zu hören bekommen. aber im darauffolgenden Jahr war der gute Vorsatz schnell wieder vergessen. Einschränkend fügte meine sie denn auch gleich hinzu: "... jedenfalls wird es wohl nicht wieder ein so großer Baum werden."


Meine Mutter wird im nächten Frühjahr ihren fünfundachtzigjährigen Geburtstag feiern. Als sie siebzig Jahre alt wurde, meinte sie: "Achtzig will ich aber nicht mehr werden. Dann bin ich ja alt und klapperig und falle allen nur noch zur Last." Heute, fünfzehn Jahre weiser, steckt sie immer noch voller Tatendrang und meint, "Alter" sei ein relativer Begriff. Meine Mutter ist zwar manchmal etwas anstrengend, aber sollte sie uns solange erhalten bleiben, werde ich ich gerne auch in zehn Jahren noch Wind und Wetter trotzen, damit sie sich an einem festlich geschmückten Weihnachtsbaum freuen kann.

Allen, die heute hier vorbeischauen, wünsche ich einen ruhigen vierten Advent.

Samstag, 20. Dezember 2014

Wir haben es satt!


Mit Gift und Genen: Mit TTIP steht Monsanto auch in Europa nichts mehr im Wege

Gestern Abend um 18:30 Uhr unterstützten 717.973 Bundesbürger den Forderungen der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative "Stop TTIP!" mit ihrer Unterschrift. Über Nacht sind 3557 weitere hinzugekommen (Stand: 20.12.2014, 6 Uhr).

Mit 721.572 Unterstützern ist das minimale Länderquorum Deutschlands (72000 Unterschriften) für eine Europäische Bürgerinitiative seit heute um mehr als das zehnfache "überzeichnet" (1002 Prozent). Damit zeichnet sich ab, dass sich diejenigen Politiker, die weiterhin an der Implementierung von ISDS und CCR in den vertragswerken der "Frei"-Handelsabkommen CETA und TTIP festhalten, warm anziehen sollten. Anderenfalls ist ihnen der Zorn der Bürger jetzt bereits gewiss, denn ...
  • mit den Freihandelsabkommen TTIP und CETA wird die Ausweitung der qualvollen Massentierhaltung in Tierfabriken nicht mehr aufzuhalten sein.
  • Noch dämmen deutsche Gesetze den umfassenden Einsatz gentechnisch veränderter Nahrung oder gefährlicher Chemikalien in den Ställen und auf den Äckern ein. Mithilfe der ISDS werden multinationale Konzerne wie Monsanto, BASF, Bayer oder Syngenta ihre gefährlichen Produkte (Glyphosat in Monsanto's Roundup in Verbindung mit gentechnisch verändertem, patentiertem Mais, bzw. Neonicotinoide, die unabhängigen Untersuchungen zufolge maßgeblichen Anteil am weltweiten Bienensterben haben) jedoch ungehindert verbreiten können.
  • Patente auf Pflanzen und Tiere werden das Sterben der Familienbetriebe in der Landwirtschaft beschleunigen. Die Ausweitung agrarindustrieller Monokulturen wäre vorprogramiert. Die Saatgutvielfalt, ein Garant für die Anpassung unserer Nahrungspflanzen an veränderte Lebensbedingungen, wie sie beispielsweise aufgrund des Klimawandels zu erwarten sind, wäre aufs höchste gefährdet - und damit auch die Ernährung der nach uns folgenden Generationen! Da auch Gesetze zum Schutz es Klimas die Gewinnerwartung multinationaler Konzerne schmälern, wäre das dann eine Schraube ohne Ende.
  • Lebensmittelskandale, die heute noch als Skandale bezeichnet werden dürfen, könnten zukünftig aufgrund gekippter Verbraucherschutzgesetze legalisiert werden. Multinationale Konzerne bräuchten beim Einsatz möglicherweise gesundheitsgefährdender Lebensmittelzusätze keine Rücksicht mehr zu nehmen. Wir hätten keine Möglichkeit mehr, uns mit demokratischen Mitteln dagegen zur Wehr zu setzen.
  • Ein weiteres, bisher kaum wahrgenommenens Problem ist die weltweite Landnahme durch Staaten und Investoren. In den Ländern Afrikas nehmen die Landkäufe (engl. Landgrabbing) und die damit verbundenen Enteignungen der einheimischen Bevölkerung durch China inzwischen beängstigende Ausmaße an. Mit TTIP wären wir auch in Europa nicht mehr sicher davor.

Wir haben es satt!

Unter dem Motto "Wir haben es satt!" ruft ein breites Bündnis aus Organisationen, Initiativen und Projekten (darunter unter anderem Bauern, Imker, Natur-, Tier- und Verbraucherschützer, Entwicklungsorganisationen oder Erwerbsloseninitiativen), das sich gemeinsam für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und Ernährung einsetzt, zu einer zentralen Demonstration in Berlin auf.

Am 17. Januar 2015 werden zahlreiche Menschen ihren Protest gegen TTIP, gentechnisch veränderte Lebensmittel, die gefährlichen Auswüchse der Agrarindustrie etc. vom Potsdamer Platz durch die Straßen Berlins bis vor das Kanzleramt tragen. Für die Anreise werden bereits bundesweit Busse und Mitfahrgelegenheiten organisiert. Details dazu finden sich hier ...





(Quellen: BUND, Wikipedia, Wir haben es satt! )

Freitag, 19. Dezember 2014

Stop TTIP! Niederlande und Spanien erfüllen Quorum

Zur Petition der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative "Stop TTIP!" ... 

Inzwischen unterstützen 1.207.155 EU-Bürger die Forderungen der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative "Stop TTIP!". Außerdem erfüllen mit den Niederlanden (seit vorgestern) und Spanien (seit gestern) jetzt 9 EU-Mitgliedsstaaten das Länderquorum.

Zwei Monate und elf Tage nach dem Start der Initiative sind damit die Mindestanforderungen für den Erfolg einer registrierten Europäischen Bürgerinitiative bereits "übererfüllt". In drei weiteren Ländern liegt die Quote für das Länderquorum über fünfzig Prozent (Irland 86-, Belgien 74- und Schweden 61%). Täglich kommen bisher tausende weiterer Unterstützer hinzu.

Das verdeutlicht den wachsenden Widerstand gegen den drohenden Ausverkauf der Demokratie in Europa. Das trifft insbesondere auf Deutschland zu: Hier ist die Quote für das Länderquorum mit 997 Prozent eine schallende Ohrfeige für die deutschen Polit-Marionetten an den Fäden der Lobbyisten, die multinationalen Konzernen mit dem "Investor­State Dispute Settlement" (ISDS"; Schiedsgericht zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) und dem "Regulatory Cooperation Council" (RCC"; Rat zur regulatorischen Kooperation) die Werkzeuge für die Demontage unserer Demokratie in die Hand geben wollen.

Über das "ISDS" hatte ich ja schon einmal geschrieben. Der "RCC" könnte sich allerdings sogar als noch gefährlicher für die Zukunft unserer Demokratischen Rechtsordnung herausstellen. Einem an die Öffentlichkeit gelangten Papier der EU-Kommission zufolge, das neue Gesetzgebungsprozesse im Rahmen des Freihandelsvertrages vorschlägt, sollen Konzerne und Unternehmen im Rahmen der "regulatorischen Kooperation" künftig frühzeitigen und umfassenden Zugriff auf den europäischen Gesetzgebungsprozess bekommen - lange bevor die Parlamente die entsprechenden Dokumente überhaupt zu Gesicht bekommen!

Sollte die "regulatorische Kooperation" via TTIP in der Gesetzgebung der Europäischen Union verankert werden, dann bekämen die Lobbyisten von Konzernen und Unternehmen einen weitaus größeren Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren als ohnehin schon. Nur: Dann wäre es offiziell erlaubt und politisch gewünscht(!), während es sich bis jetzt eine umfassende, unoffizielle Kungelei zwischen einflussreichen Politikern und Lobbyisten der Wirtschaft handelt, von der Außenstehende möglichst nichts mitbekommen sollen.

Mit dem "RCC" und dem "ISDS" verkämen die demokratisch gewählten Parlamente zu bloßen Abnickdienstleistern der Industrie und der Wirtschaft. Sie hätten so gut wie keine Handhabe mehr, um den mehrheitlichen Willen der Bürger gegen die ausschließlich profitorentierten Interessen einzelner Konzerne und Unternehmen durchzusetzen. Letztlich käme das quasi einem "Staatsstreich in Zeitlupe" gleich.


Wir haben es satt!

Unter dem Motto "Wir haben es satt!" werden am 17. Januar 2015 zahlreiche Menschen ihren Protest gegen TTIP, gentechnisch veränderte Lebensmittel, die gefährlichen Auswüchse der Agrarindustrie etc. auf die Straßen Berlins tragen. Nach der Auftaktkundgebung, die um 12 Uhr am Potsdamer Platz stattfinden soll, geht die Demonstration durch die Straßen der Stadt zum Kanzleramt. Details dazu finden sich hier ...


Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA


(Quellen: Mehr Demokratie vom 07.08.2014, Die Zeit vom 05.06.2014, und vom 16.12.2014)

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Folgen des Missbrauchs von Nahrungsmitteln

Kann sich noch jemand an den Gesang der Lerche erinnern? Monokulturen bedrohen izwischen nicht nur die tropische Artenvielfalt. Auch die bei uns heimischen Vögel werden von Mais-Monokulturen für Biogas-Anlagen verdrängt. Es ist Zeit, die Artenvielfalt zu fördern – nicht den Missbrauch der Nahrungspflanzen zur Stromerzeugung oder als "Bio"-Treibstoff in unseren Autos.

Aufgrund der weltweiten Nachfrage nach Mais verhungern anderenorts Menschen. Die Umweltschutzorganisation "Rettet den Regenwald" schreibt dazu in einer E-Mail (Zitat):
"Die Nachfrage ist riesig: Bei uns wird Mais zu Biogas vergoren und zur Stromerzeugung verwendet, die USA produzieren mit ihm Ethanol. Weltweit wird Mais an Milliarden Hühner und Schweine verfüttert. Der Maispreis explodiert. Er richtet sich nach dem Fleischhunger der Welt und nach den Interessen der Agrarkonzerne. Der Markt spielt verrückt. Er macht manche Menschen reich und lässt andere hungern."

In anderen Ländern ist Mais das Hauptnahrungsmittel. Dort wissen die Eltern nicht mehr, wie sie ihre Kinder satt kriegen sollen. Mais ist für sie unerschwinglich geworden.


Reportage

HEUTE um 21 Uhr zeigt Phoenix eine Reportage zu diesem Thema mit dem Titel "Der Mais-Wahn".

Die Sendung wird wiederholt am:
Do. 18.12.2014, 01.30 Uhr
Do. 18.12.2014, 08.00 Uhr
Do. 18.12.2014, 19.15 Uhr

Di. 13.01.2015, 16.45 Uhr
Mi. 14.01.2015, 14.45 Uhr
Fr. 16.01.2015, 15.15 Uhr

Petition

"Rettet den Regenwald" hat eine Petition initiiert, mit der die Bundesregierung aufgefordet wird, dem Missbrauch von Nahrungsmittel-Monokulturen zugunsten der Artenvielfalt Einhalt zu gebieten. Wer sich der Petition anschließen möchte, kann sie auf der Internetseite der
Umweltschutzorganisation online unterzeichnen.


(Quelle: Rettet den Regenwald - Newsletter vom 17.12.2014)

Montag, 15. Dezember 2014

"Bad Bank" für Verlustgeschäfte der Atomkonzerne

Atomkraft? Nein Danke!Im Mai dieses Jahres tauchten in den Medien Berichte auf, denen zufolge die Atomkonzerne mit dem Gedanken spielen, die Kosten für den Rückbau ihrer Atommeiler und die "Entsorgung" ihres Atommülls auf die Gesellschaft abzuwälzen, damit der Gewinn aus dem Betrieb während der verbleibenden "Restlaufzeiten" nicht geschmälert wird.

Während die verantwortlichen Politiker das als realitätsfernen Firlefanz abtaten, warnen die Atomkraftgegener bereits seit damals vor den möglichen Folgen für den Steuerzahler und forderten die Bundesregierung auf, die "Rückstellungen" für den Rückbau, die von den Atomkonzernen zwar als Überschuss ausgewiesen, nicht aber getrennt vom laufenden Geschäft behandelt werden, in einen sicheren Fond zu überführen. Passiert ist jedoch bis heute nichts dergleichen.

Dabei hatten die Atomkonzerne bereits im Februar einen ersten Vorstoß in Richtung atomarer "Bad Bank" unternommen. Damals hatten sie ihr gesamtes Atomgeschäft, inklusive aller Folgekosten, in eine dafür zu gründende öffentlich-rechtliche Stiftung verschieben wollen. Mit anderen Worten: Alle Risiken aus dem Betrieb und sämtliche Folgekosten aus dem Rückbau ihrer Atomkraftwerke und der Atommülllagerung sollten auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Nach heftigen Protesten der Atomkraftgegner verschwand die Idee jedoch erst einmal wieder aus der öffentlichen Diskussion.

Selbst nachdem der Atomkonzern E.on vor einigen Tagen bekanntgegeben hatte, dass er sich von seinen fossilen und atomaren Verlustgeschäften trennen will, indem er sie in eine vom Rest des Konzern getrennte Firma auslagern will, gab sich Herr Gabriel (SPD, Bundeswirtschaftminister, Vizekanzler) zuversichtlich, dass die Rückstellungen zur Verfügung stehen werden. Noch am 01.12.2014 berichtete der Spiegel in einem Artikel auf seiner Internetseite, eine Sprecherin Herrn Gabriels habe mitgeteilt, dass dafür derzeit 36 Milliarden Euro vorhanden seien. Einem Online-Artikel der Zeit zufolge lobte der Bundeswirtschaftsminister den E.on-Konzern mit den Worten (Zitat): "Mit seiner Entscheidung stellt sich E.on konsequent auf und zieht als erstes Unternehmen die Konsequenz aus einer sich völlig gewandelten Welt der Energieversorgung. Das schafft durchaus neue Chancen."

Erst jetzt realisieren offenbar so langsam auch die atom- und kohlefrundlichen Politiker in Berlin, dass die Idee der Atomkonzerne, die Folgekosten ihrer Gewinne aus den fetten Jahren des Atomzeitalters in eine Art "Bad Bank" auszulagern, alles andere als Firlefanz ist und für die Bürger in einem dauerhaften finanziellen Fiasko enden könnte. Wie der Spiegel in einem Online-Artikel vom 06.12.2014 schreibt, hat das Bundeswirtschaftsministerium deshalb jetzt ein Gutachten in Auftrag gegeben, das noch vor dem Ende des Jahres klären soll, wie sicher die finanziellen Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber für den Rückbau der Anlagen sind.


Eine grüne Mogelpackung

Davon einmal ganz abgesehen, ist es ja nicht wirklich so, dass der Konzern unter einem vorgeblich "grünen" E.on-Label zukünftig keinen Atomstrom und Strom auf Grundlage fossiler Energieträger mehr unter die Leute bringen wird. Der strahlende und schmutzige Strom kommt dann lediglich aus der Produktion des Schwester-Unternehmens. Wenn der E.on-Konzern zukünftig für seinen "sauberen" Strom werben wird, dann wird er die Geschäfte seiner häßlichen Schwester allerdings wohl kaum noch an die große Glocke hängen. Auf Neudeutsch nennt man so etwas bekanntlich "Greenwashing".

Infolge der Überkapazitäten an Kraftwerken und des Ausbaus der regenerativen Energieen sind die Großhandelspreise für Strom seit Anfang 2013 um mehr als ein Viertel gefallen. Das schmälert natürlich die Profite der Atomkonzerne, deren einst als konkurenzlos billg bezeichneter Atomstrom - trotz weiterhin hoher versteckter und offener Subventionen - mit dem Strom aus regenerativen Energiequellen nicht mehr mithalten kann.


Die guten ins Töpfchen,
die schlechten ins Steuersäckel


Während E.on hofft, mit seinem Stamm-Konzern - unbelastet von den  finanziellen Folgen seiner atomaren und fossilen Vergangenheit - doch noch den verpassten Anschluss an die Zukunft der Energieversorgung auf Grundlage von einhundert Prozent regenerativer Energieen zu erreichen, wird sein schmutziges Schwesterlein einmal allein für die Kosten der Atommülllagerung und den Rückbau der Atomkonzerne des großen Bruders aufkommen müssen. Da E.on's ausgelagerter Schwesterkonzern mit seinen zum Aussterben verurteilten strahlenden und klimaschädigenden Dreckschleudern aber unaufhaltsam in die Verlustzone fahren wird, ist es aus meiner Sicht alles andere als sicher, dass die nicht wirklich zurückgestelleten "Rückstellungen" tatsächlich zur Verfügung stehen werden, wenn sie später einmal gebraucht werden. 

Auf uns und auf die Steuerzahler kommender Generationen werden langfristig ohnehin schon imense, kaum zu beziffernde Folgekosten des Atomzeitalters zukommen. Ohne eine kurzfristige Überführung der "Rückstellungen" aus dem laufenden Betrieb der Atomkonzerne in einen unter der Verwaltung des Bundes stehenden Fond werden wir Steuerzahler zudem auch noch auf den Kosten sitzenbleiben, die eigentlich aus den Rückstellungen der Atomkonzerne hätten beglichen werden sollen.


(Quellen: .ausgestrahlt - Artikel vom 10.12.2014 und vom 02.12.2014 - Bad Bank für AKW? - Petition "Wir zahlen nicht für euren Müll", Der Spiegel vom 06.12.2014 - Bericht 1 und Bericht 2 vom 01.12.2014 - 30.11.2014 - 19.05.2014 - 12.05.2014, "Störfall Atomkraft" vom 07.12.2014, Tagesschau vom 01.12.2014, Manager Magazin vom 01.12.2014, Die Zeit vom 01.12.2014, Deutschlandfunk vom 01.12.2014, Handeslblatt vom 30.11.2014, Süddeutsche Zeitung vom 21.05.2014 und vom 11.05.2014, ARD Politmagazin "Plusminus" vom 14.05.2014, taz vom 13.05.2014 )

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Ein Brief kann Leben retten

Die damals siebenundzwanzigjährige Mariam Yahia Ibrahim Ishag (abweichende Schreibweisen: Maryam, Meriam - Yahya, Yahia, Jahia - Ibrahim - Ishaq, Ishag, Ishak) war hochschwanger, als sie Mitte Mai dieses Jahres von einem sudanesischen Gericht zum Tode verurteilt wurde.

Die Anklage lautete: "Abkehr vom islamischen Glauben". Als Mariam sechs Jahre alt war verließ ihr Vater, ein Moslem, ihre christliche Mutter, bei der sie in der Tradition des äthiopisch-orthodoxen Glaubens aufwuchs.

Mariam Yahia Ibrahim Ishag ist mit einem Christen verheiratet. Ende Mai brachte sie im Gefängnis angekettet ihr Baby zur Welt. Mehr als eine Million Amnesty-Mitglieder weltweit setzten sich für die Freilassung der 27-Jährigen ein.

Allein aus Deutschland wurden mehr als 24.000 Appelle verschickt. Am 23. Juni 2014 wurde Mariam Yahya Ibrahim aus der Haft entlassen. Weil ihr die sudanesischen Behörden jedoch verboten, das Land zu verlassen, flüchtete sie mit ihrer Familie in die US-Botschaft in Khartum. Ende Juli 2014 konnte sie schließlich in die USA ausreisen.


Ein Brief kann Leben retten

Heute ist der Tag der Menschenrechte. An den Tagen um diesen Tag herum veranstaltet die internationale Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" (AI) einen Briefmaraton. Mit geringem Aufwand kann man sich mithilfe eines vorgefertigten E-Mail Textes, der sich aber auch individuell ändern lässt, für das Schicksal von fünf Menschen aus China, Nigeria, Saudi-Arabien, Griechenland und den USA einsetzen.

Darunter befindet sich auch Chelsea Manning, die sich als Soldatin der US-Army unter anderem um die Aufklärung der menschenverachtenden Ermordung von Zivilisten und Journalisten im Irak durch eine Hubschrauberbesatzung verdient gemacht hat. Das von Frau Manning an Wikileaks weitergeleitete Video, das mit der Bordkamera des Kampfhubschraubers aufgenommen wurde, ist später unter dem Titel "Collateral Murder" bekannt geworden.

Einer der fünf Gefangenen wurde in Nigeria zum Tode verurteilt. Der bei seiner Festnahme vor zehn Jahren sechzehnjährige Moses Akatugba wurde gefoltert und unterschrieb daraufhin zwei vorformulierte "Geständnisse" ...

Es gibt niemals eine Gewähr dafür, dass der Einsatz für Opfer von Menschenrechtsverletzungen zum Erfolg führt. Ich denke jedoch, dass man zumindest versuchen muss, etwas zu bewirken. Das Schicksal der Mariam Yahia Ibrahim Ishag zeigt: Ein Brief kann leben retten.


Wer sich am Briefmarathon von Amnesty International beteiligen möchte, findet dafür auf der Internetseite von Amnesty International die Gelegenheit ...



Zum Weiterlesen:
  • Glaube, Wissen, Wahrheit ... - Mariam Yehya Ibrahim
    juwi's welt vom 23.05.2014
  • Kriegsverbrechen: Aufklärer in Haft, Täter frei
    juwi's welt vom 27.03.2013
  • Die Erinnerung an das Land der Freien verblasst ...
    juwi's welt vom 31.07.2013


(Quellen: Der Standard vom 01.08.2014, Gesellschaft für bedrohte Völker vom 25.07.2014, Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) vom 24.07.2014, Amnesty International vom 23.07.2014 und vom 16.05.2014, Neue Züricher Zeitung vom 26.06.2014, Tagesanzeiger vom 02.06.2014, Frankfurter Rundschau vom 01.06.2014, Deutsche Welle vom 19.05.2014, Change.org, Wikipedia )

Ein Geburtstagsgeschenk für Herrn Juncker

© Stop TTIP!
Pünktlich zum 60. Geburtstag Herrn Junckers (EU-Kommission, Präsident) hat die selbstorganisierte Bürgerinitiative "Stop TTIP!" gestern einen weiteren wichtigen Meilenstein erreicht: Auch das "Länderquorum" wird jetzt in der erforderlichen Anzahl von "mindestens sieben EU-Mitgliedsstaten" erfüllt.

Neben dem Kriterium "mehr als eine Million Unterschriften innerhalb von 12 Monaten", hängt der Erfolg einer Europäischen Bürgerinitiative davon ab, dass diese im gleichen Zeitraum in mindestens sieben EU-Mitgliedsstaaten von jeweils einer Mindestanzahl von Bürgern unterstützt wird. Dieses sogenannte "Länderquorum" orientiert sich an der Anzahl der Wahlberechtigten in den jeweiligen Staaten der EU.

Bereits nach nicht einmal ganz 2 Monaten seit dem Beginn der Unterschriftensammlung wurde vor fünft Tagen das erste Kriterium (mehr als eine Million Unterschriften) erreicht. Mit dem Länderquorum ist seit gestern auch das zweite wichtige Kriterium in trockenen Tüchern. Jede einzelne zusätzliche Stimme gegen CETA und TTIP, jeder einzelne zusätzliche EU-Staat, der das Länderquorum erfüllt, wird die EU-Kommission mehr und mehr unter Druck setzen.

Schon die bisher erreichten Länderquoren können sich sehen lassen: In mehr als der Hälfte der benötigten 7 EU-Staaten ist das erforderliche Länderquorum um mehr als das Doppelte überschritten worden - in zwei davon um mehr als das Dreifache (Großbritanien und Österreich). In Deutschland wird das Quorum sogar mehr als neunfach(!) "über"-erfüllt. In fünf weiteren Ländern der EU liegt die Quote derzeitig zwischen 59 und 94 Prozent (Schweden, Belgien, Spanien, Irland, Niederlande).

Die "Stop TTIP!"-Initiatoren sind der Meinung, das sei ein schönes Geburtstagseschenk für den EU-Kommissionspräsidenten. In einem Newsletter verkündeten sie gestern (Zitat):
".. Heute haben wir in Brüssel Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine besondere Überraschung bereitet. Dieser feiert nämlich heute seinen 60. Geburtstag und wir sind mit dabei. Wir fordern, die Verhandlungen zu TTIP und die Ratifizierung von CETA zu stoppen. .."


Herr Gabriel gegen den Rest Europas?

Herr Gabriel versucht uns weiszumachen, "dass ganz Europa CETA will". Die Süddeutsche Zeitung zitiert in dazu auf ihrer Internetseite in einem Artikel vom 27.11.2014 mit den Worten (Zitat):
"Wenn der Rest Europas dieses Abkommen will, (...) dann wird Deutschland dem auch zustimmen. Das geht gar nicht anders." 
Wenn meine Eltern einmal einen meiner Wünsche ablehnten und ich mit dem - eigentlich bekannterweise unwirksamen - Hinweis: "aber alle anderen Kinder machen das doch auch", versuchte dagegen zu argumentieren, dann entgegnete mein Vater in der Regel:
"Und wenn alle anderen Kinder in den Brunnen springen und darin ertrinken? Machst du das dann auch?"
Mit seiner Behauptung ignoriert Herr Gabriel, dass selbst seine eigene Partei die Investorenschutzklauseln im CETA-Vertragswerk ablehnt und dass "der Rest Europas" unter anderem auch Frankreich, Österreich und die Niederlande einschließt. Die Parlamente dieser Länder hatten sich schon vor den irreführenden Worten Herrn Gabriels eindeutig gegen die Investorenschutz-Klauseln im CETA-Vertragswerk ausgesprochen.

Aber vielleicht ist Herr Gabriel ja auch nur ein klein wenig vergesslich. In der Plenarsitzung des deutschen Bundestags am 25.09.2014 hatte er jedenfalls selbst noch einen ähnlichen Standpunkt vertreten, wie zuvor schon die Parlamente Frankreichs, Österreichs und der Niederlande, wobei er den Beschluss Österreichs ausdrücklich lobend erwähnte (Plenarprotokoll vom 25.09.2014, Seite 46, Zitat):
".. Gestern hat das österreichische Parlament - ich glaube, mit einer Zweidrittelmehrheit - .. beschlossen, dass sie ebenfalls weiterverhandeln wollen. .. Tun Sie .. bitte nicht so, als gäbe es keinerlei Chance, weiter zu reden! Das tun die Österreicher, das werden andere tun, und das werden auch wir machen. .. Der letzte Satz in der Positionierung [Anm. juwi: der Bundesregierung] vom 12. September lautet: In der jetzigen Fassung ist das Abkommen für Deutschland nicht zustimmungsfähig. .."
An der Fassung des Abkommens, die für Deutschland schon damals nicht zustimmungsfähig war, hat sich meines Wissens bis heute nichts geändert. So sahen das wohl auch die Delegierten auf der SPD-Regionalkonferenz des Bezirks Hessen-Süd. Herr Müller (SPD, Offenbach, Ortsverein Tempelsee-Lauterborn, Vorstandsvorsitzender) erinnerte diesbezüglich noch einmal daran, dass seine Partei sich erst im September klar gegen CETA positioniert hatte.

In einem Artikel vom 09.12.2014 zitiert "Die Welt" ihn auf ihrer Internetseite mit den Worten (Zitat): "Es kann nicht sein, dass unsere Beschlüsse nur eine Halbwertzeit von zwei Monaten haben. Unter Demokratie stelle ich mir etwas anderes vor. Das geht so nicht!" Auch die Behauptung Herrn Gabriels, ganz Europa sei für CETA, obwohl Frankreich, die Niederlande und Österreich sich dagegen ausgesprochen haben, brachte Herrn Müller offensichtlich "auf die Palme" ("Die Welt", Zitat):
"Wovon redet der Mann eigentlich? .. Hält er uns für blöd?"
Möglicherweise liegt Herr Müller mit seinem Ansatz zu dieser Fragestellung gar nicht so falsch ...

  • Ebenso wie ich fordern inzwischen mehr als 1,1 Millionen Bürger in Europa, dass die EU-Kommission unsere grundlegenden demokratischen Rechte und hohe europäische Standards im Umwelt- und Klimaschutz, im Verbraucherschutz und in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens nicht multinationalen Konzernen und internationalen Schiedsgerichten zum Fraß vorwirft, indem sie den Vertrag mit Kanada - inklusive ISDS - unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente in den EU-Staaten rechtsgültig abschließt.


Zum Weiterlesen
Pia Eberhardt, Blair Redlin, Cecile Toubeau

"CETA: Verkaufte Demokratie"
Wie die CETA-Regeln zum Schutz von
Investoren das Allgemeinwohl in Kanada
und der EU bedrohen

- Übersetzung: Anna Schüler -

Zusammenfassung der Studie
Veröffentlicht von:
  ● Association Internationale de Techniciens
  ● Experts et Chercheurs (Aitec)
  ● Arbeiterkammer Wien (AK Wien)
  ● Canadian Centre for Policy Alternatives (CCPA)
  ● Corporate Europe Observatory (CEO)
  ● Council of Canadians
  ● Canadian Union of Public Employees (CUPE)
  ● Europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD)
  ● Forum Umwelt und Entwicklung
  ● Friends of the Earth Europe (FoEE)
  ● PowerShift
  ● Quaker Council for European Affairs (QCEA)
  ● Quebec Network on Continental Integration (RQIC)
  ● Trade Justice Network
  ● Transnational Institute (TNI)
  ● Transport & Environment (T&E)

Amsterdam / Berlin / Brüssel / Montreal / Paris / Ottawa / Wien
November 2014

Pia Eberhardt und Cecilia Olivet
mit Beiträgen von Tyler Amos und Nick Buxton

"Profit durch Unrecht"
Wie Kanzleien, SchiedsrichterInnen und Prozessfinanziererdas Geschäft mit dem Investitionsschutz befeuern
Die "leicht aktualisierte" deutsche Übersetzung der im November 2012 erschienenen Studie "Profiting from Injustice. - How law firms, arbitrators and financiers are fuelling an investment arbitration boom" wird von den Organisationen "Corporate Europe Observatory" (CEO), "Transnational Institute" (TNI), Campact und "Power Shift" herausgegeben.
(Stand der Recherche: September 2012)

Inhalt:
  • Wenn Investoren Regierungen verklagen:
    Ein lukratives Geschäft für die Schiedsgerichtsindustrie
  • Aasgeier in Anwaltsroben:
    Kanzleien auf der Suche nach neuen Klagemöglichkeiten
  • Wer wacht über die WächterInnen?
    Die konfligierenden Interessen der SchiedsrichterInnen
  • Spekulation mit Ungerechtigkeit:
    Die externe Finanzierung von Investor-Staat-Klagen
  • Ein trojanisches Pferd in der Wissenschaft:
    Untergräbt die Schiedsbranche unabhängige Forschung?
  • Fazit:
    Internationale Investitionsschiedsgerichtsbarkeit - eine lukrative Branche, gebaut auf der Illusion von Neutralität

Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, LL.M. (EUI)
Johan Horst, LL.M. (Georgetown)

Rechtsgutachten
Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für
das Comprehensive Economic and Trade Agreement
der EU und Kanada (CETA) 
Juristisches Kurzgutachten 
im Auftrag von attac/München
Zentrum für europäische Rechtspolitik (ZERP)
Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Bremen
  • Die  Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass der Ende September 2014 veröffentlichte CETA-Vertragstext in mehrfacher Hinsicht EU-Recht und deutsches Verfassungsrecht verletzt!


Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA



(Quellen: Die Welt vom 09.12.2014, EU-Reporter vom 09.12.2014, Süddeutsche Zeitung vom 27.11.2014, Tiroler Tageszeitung vom 08.10.2014, Bundestag vom 25.09.2014 - Plenarprotokoll, Stop TTIP!, EU-Kommission - Die Europäische Bürgerinitiative )