Mittwoch, 21. Mai 2014

TTIP - (K)ein Schlaraffenland


Freihandelsabkommen - Das Märchen vom Jobmotor (ARD "Monitor", 30.01.2014)

Herr De Gucht (EU-Kommission, Handelskommissar), Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) und viele weitere Politiker versprechen "Hunderttausende neue Jobs", "ein gigantisches Wirtschaftswachstum", "mehr Einkommen für alle", "einen Riesenschritt nach vorne" ... - man könnte beinahe meinen, mit dem "Transatlantischen Handelsabkommen" (TTIP) zwischen den USA und der EU stünden wir am Beginn des Zeitalters eines "Transatlantischen Schlaraffenlandes".

Falls es zum Vertragsabschluss kommen sollte, dann wäre das tatsächlich so etwas wie ein Schlaraffenland - allerdings nur für Konzerne und Unternehmen, die dann die Gesetze demokratischer Staaten mithilfe außerstaatlicher Schiedsgerichte außer Kraft setzen könnten, sofern sie aufgrund der Gesetze ihre Gewinnaussichten beeinträchtigt sähen.

Kein Schlaraffenland wäre das allerdings für das Leben der Bürger in den Staaten der Freihandelszone. Frau Eberhardt ("Corporate Europe Observatory" - CEO) sagt im Filmbeitrag des ARD-Politmagazins "Monitor" vom 30.01.2014 (siehe Video oben) über das TTIP (Zitat): ".. Es handelt sich um einen Generalangriff auf Verbraucherschutzstandards, Umweltgesetze, Gesetze zur Stabilisierung der Finanzmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks. .." und in der Anmoderation zum Film heißt es, bei den geheim gehaltenen TTIP-Verhandlungen gehe um nichts weniger, als (Zitat): ".. um eine völlig neue Welthandelsordnung, um eine gigantische Freihandelszone von Los Angeles bis Bukarest. Vor allem aber geht es darum, wer in Zukunft das Sagen hat: Gewählte Politiker oder Lobbyisten und Großkonzerne? ..".

Etwas später wird im Filmbeitrag ein geheimes Positionspapier der EU-Kommission erwähnt, das , "Monitor" vorliegt. Demzufolge sollen alle neuen Gesetze und Regeln daraufhin überprüft werden, ob sie mehr Handel erzeugen. Für die Überprüfung solle ein (Zitat "Monitor"): "Rat für Regulierung" zuständig sein, an dem Lobbyvertreter von Anfang an beteiligt werden sollen ... - (Zitat): ".. und zwar, bevor die eigentlichen Gesetzgeber wie das Parlament an der Reihe sind. .."!


Köder für die Bürger - Beute für die Konzerne

Appetithäppchen für die Bürger: 0,05 Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr
Uns Bürger versucht man derweil - ausnahmsweise einmal höchstoffiziell - mit dem leeren Versprechen von einem gigantischen Wachstum zu ködern:
  • "120 Milliarden Euro Wirtschaftswachstum für die EU"
    wirft Herr De Gucht den EU-Bürgern als Appetithäppchen auf den leeren Teller.

Um mehr als ein Appetithäppchen, ein leeres Versprechen, handelt es sich dabei nämlich wirklich nicht. Laut einer von der EU-Kommission selbst in Auftrag gegebenen Studie wäre das ein zusätzliches Wachstum von nicht mehr als 0,5 Prozent - und zwar gestreckt über 10 Jahre! - wenn alles gut geht ... - auf's Jahr gerechnet würde das durchschnittlich gerade einmal lächerliche 0,05 Prozent ausmachen.

Da stellt sich die Frage, ob deutsche Politiker auch dann noch der EU-Kommission immer wieder kritiklos das Märchen vom Jobwunder und dem grenzenlosem Wachstum nachplappern würden, wenn sie nicht inzwischen höchstpersönlich von diversen Lobbyvertretern bearbeitet worden wären.


Keine Stimme gegen die Demokratie

TTIP unfairhandelbar


Und dafür sollen wir auf eines der grundlegendsten Rechte demokratischer Staaten - die uneingeschränkte Hoheit über die demokratisch legitimierte Gesetzgebung(!) - verzichten?
Mit mir jedenfalls nicht!

Gerade wir Deutschen sollten diesbezüglich aus eigener, leidvoller Erfahrung eigentlich besonders sensibilisiert sein: Rückblickend gesehen endete auch die Weimarer Republik aufgrund des Ergebnisses einer demokratischen Wahl - der Reichstagswahl am 05.03.1933 - weil die Mehrheit der Wahlberechtigten ihrem favorisierten Kandidaten zuvor nicht richtig zugehört hatten.

Aber immerhin hatten die Nazis - im Gegensatz zu den Akteuren in den USA und der EU-Kommission heute - die Bürger des Deutschen Reiches damals über ihre Ziele nicht Unklaren gelassen. Wenn es um Informationen über die Verhandlungen zum TTIP geht, dann sind wir heute auf zufällige Lecks in der Geheimhaltung angewiesen. Schon allein das hat mit rechtsstaatlichen, demokratischen Verhältnissen nichts mehr zu tun!

Auf der Internetseite TTIP check - Europawahl 2014 und das Freihandelsabkommen haben einige der Kandidaten für die Wahl zum Europäischen Parlament drei Fragen bezüglich ihrer Positon zum TTIP beantwortet: Ein FDP-Kandidat aus Niedersachsen, befürwortet das TTIP - soweit bisher bekannt - uneingeschränkt. 97 der befragten Kandidaten, die bisher geantwortet haben, stehen dem TTIP ablehnend gegenüber. Etliche Kandidaten haben bisher nicht geantwortet.

Bei den Kandidaten aus dem Bundesland Bremen stellt sich das so dar:
  • 5 CDU-Kandidaten: KEINE ANTWORT
  • 2 SPD-Kandidaten lehnen das TTIP ab
    1 SPD-Kandidat: KEINE ANTWORT
  • 1 Kandidat der Grünen lehnt das TTIP ab
  • 1 Kandidat der "Linken" lehnt das TTIP ab
  • 1 FDP-Kandidat beantwortet die Fragen wie folgt:
    • Lehnt TTIP ab,
      das bestehende nationale und europäische Umwelt- und Verbraucherschutzstandards schwächt.
    • Lehnt TTIP ab,
      das die Interessen der Agrarindustrie über die Bedürfnisse der KonsumentInnen und der bäuerlichen Landwirtschaft stellt.
    • Befürwortet TTIP,
      das ein Investor-Staat-Klagerecht und einen Rat für regulatorische Kooperation vorsieht.

Keine Antwort ist aber auch eine Antwort: Wer, mich - wie die überwiegende Zahl der CDU-Kandidaten - im Unklaren über seine Absichten lässt, braucht mit meiner Stimme nicht zu rechnen. Da der Bremer FDP-Kandidat das TTIP befürwortet, wenn die Konzerne damit demokratische Gesetze aushebeln könnten, wäre auch er für mich nicht wählbar.

Wahl-O-Mat Europawahl 2014


"Ich sage Ihnen, wir werden die meisten Handelshemmnisse in einer Vielzahl von Handelsbereichen abschaffen, das sage ich!"

Karel De Gucht
(EU-Handelskommissar, ARD "Monitor" vom 30.01.2014)
... nach mehrfacher Nachfrage des Reporters bezüglich des in der Studie
der EU-Kommission tatsächlich prognostizierten Wirtschaftswachstums.



"Übrigens, als es um das Freihandelsabkommen der USA mit Mexiko ging, wurden dem Land auch goldene Zeiten versprochen. Die Wahrheit ist, seit Einführung des Abkommens ging das Wachstum in Mexiko zurück, die Arbeitslosigkeit nahm dramatisch zu. Vor allem viele Bauern verloren ihre Existenzgrundlage, weil sie gegen die Billigimporte aus den USA keine Chance hatten. Von wegen Wachstumsschub und Wohlstand für alle."

Georg Restle
(ARD "Monitor", Moderator, 30.01.2014)


Zum Weiterlesen:


(Quellen: ARD Monitor vom 30.01.2014, TTIP check, CEO vom 16.12.2013 [engl.], Wikipedia )

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