Sonntag, 5. Oktober 2014

Deichspaziergang mit Mensch

Moin! Für alle, die mich noch nicht kennen: Ich bin Cleo. Gestern meinte mein Mensch - ihr kennt ihn wohl als "juwi" - also juwi meinte zu mir, er würde gerne an den Deich fahren, um die vielleicht letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres zu genießen und fragte mich, ob ich mit wolle. Genießen ist immer eine tolle Sache. Da habe ich mich natürlich nicht lange bitten lassen.

Ganz da hinten, ungefähr dort, wo der Weg aus dem Bild verschwindet, sind wir los gegangen. Der Weg führt vom Ochsenturm aus in Richtung Wremen  immer an der Wattkante entlang. Wenn ich etwas größer wäre hätte ich auch das Watt sehen können: Die Menschen haben da aber so einen blöden Wellenbrecher hin gebaut, der mir die Sicht verstellt.

Aber die Sonne stand so hoch am Himmel, dass sie über das blöde Ding hinwegscheinen konnte. So habe auch ich noch ein paar von den vielleicht letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres abbekommen.

In regelmäßigen Abständen haben die Menschen Lücken in den Wellenbrecher eingebaut, durch die das übergeschwappte Wasser wieder zurück in Richtung Wattenmeer abfließen kann. Damit auch ich einmal sehen konnte wie es auf der Wattseite des Wellenbrechers aussieht, sind wir einmal durch eine der Lücken gegangen und ein Stück auf dem Betonstreifen zwischen der Basaltböschung und dem Wellenbrecher gelaufen.

Aber durch die nächste Lücke sind wir dann gleich wieder zurück auf den asphaltierten Weg gegangen: Der Betonstreifen war manchmal so schmal, dass ich sehr auf den Weg achten musste, damit ich mit den Pfoten nicht in die Lücken zwischen den Basaltblöcken geriet: So richtig entspannt auf das Watt blicken konnte ich deshalb auch nicht.

Über weite Strecken hinweg beginnt - vom Deichfuß aus gesehen - der Himmel direkt an der Deichkrone. Da vorne, wo man oben an der Deichkrone die Bäume sehen kann, habe ich meinen Mensch überredet, oben auf dem Deich zurückzugehen. Manchmal können Menschen ja sehr stur sein, wenn sie uns Hunden gegenüber ihren Willen durchsetzen wollen. Oft braucht es allerdings nicht sehr viel, um meine Menschen zu irgendetwas zu überreden. (In diesem Fall war ich mir allerdings nicht ganz sicher, ob juwi nicht ohnehin zur Deichkrone hinauf wollte.)

Auf dem Deich wachsen keine Bäume. Wenn zwischen der Deichkrone und dem Himmel also einmal Bäume ins Blickfeld geraten, dann ist das meistens ein Hinweis darauf, dass direkt hinter dem Deich Menschen wohnen. Die Bäume sollen Haus und Hof vor Wind und Wetter schützen. Hier im freien, platten Land, wo es ringsumher nur Wiesen und Weiden gibt, kann der Sturm oftmals auch sehr heftig toben, wenn er von der Landseite her über den Deich fegt.

Auf der anderen Seite des Deiches reicht der Blick weit über's Watt hinaus bis zum Horizont. Kein Grashalm, kein Busch oder Baum, kein Haus, nicht einmal ein Berg verstellt den Blick in die scheinbar endlose Weite. Da wo ich geboren wurde, in Coburg, kann man nicht so weit in die Ferne sehen. Mit meinem menschlichen Rudel, dessen Revier so dicht hinter den Deichen an der Nordseeküste liegt, habe ich eine gute Wahl getroffen.

Auf dem Rückweg konnte ich auch sehen, was hinter dem Deich los ist. Wer meint, da gäbe es nicht viel zu sehen, der sollte mal seine Augen aufmachen.

Ganz hinten am linken Rand sind auf diesem Foto beispielsweise zwei der Hochhäuser zu erkennen, die in Langen an der Straße nach Cuxhaven stehen. Langen ist eine Stadt, die direkt an der nördlichen Grenze von Bremerhaven liegt. Hinter dem Deich, mitten zwischen den weidenden Rindern, ...

... stehen überall diese Türme herum. An der Spitze trägt jeder von ihnen drei Flügel, die sich im Wind drehen. Wenn ich juwi richtig verstanden habe, dann sind diese Türme dafür zuständig, dass es bei uns zuhause auch dann noch hell ist, wenn die Sonne abends schon längst hinter dem Horizont verschwunden ist.

Auf der Wattseite des Deiches sind hinten rechts im Bild die Verladebrücken des Container-Terminals von Bremerhaven zu sehen. Ich habe nie verstanden, warum den Menschen Geld so wichtig ist, aber unter anderem über den Container-Terminal kommt angeblich das Geld ins Land und somit auch nach Bremerhaven, dass die Stadt am Leben erhält.

Ich brauche kein Geld. Mir reichen futtern, faulenzen, spielen und Spaziergänge zum Leben und zum Glücklichsein. - Den letzten Rest des Rückwegs haben wir auf dem Weg hinter dem Deich zurückgelegt. Oben auf dem Deich lagen zu viele Kuhfladen herum. Wenn die auf dem Deich weidenden Rinder das Gras kurz halten, dann sei das gut für den Deich und den Schutz vor Sturmfluten, meint juwi.

Bald kam voraus der "Ochsenturm" in Sicht, der seinen Namen dreien der männlichen Vorfahren jener Rinder verdankt, die heute noch hinter, und manchmal eben auch dem Deich weiden. Die Menschen, hier im Lande Wursten, erzählen sich dazu eine alte Geschichte.

An der Stelle, an der heute noch der Turm hinter dem Deich aufragt, sollen sich einmal drei Ochsen ausgeruht haben, deren Ställe in drei verschiedenen Orten standen. Zuvor hatten sie sich lange an den Stricken, mit denen sie von den Menschen aus den drei Dörfern zusammengebunden worden waren, hin und herrgezerrt: Nachdem sie am vorhergehenden Tag nichts zu futtern bekommen hatten, knurrten ihre Mägen lautstark um die Wette, und jeder von ihnen wollte unbedingt zum Futtern zurück in seinen eigenen Stall.

Irgendwie müssen die Ochsen damals ziemlich blöd gewesen sein: So viel Gras auf weiter Weide, aber die Rindviecher streiten sich bis zur Erschöpfung um den Weg zum jeweils eigenen Fressnapf. Dabei hätte ihnen doch klar sein müssen, dass - von diesen fiesen Menschen zusammengebunden - unmöglich jeder von ihnen jemals allein - ohne die beiden anderen - in seinen eigenen Stall gekommen wäre. Also, hätten die Menschen anstelle der Ochsen damals drei Hunde zusammengebunden, dann hieße der Turm heute bestimmt nicht "Hundeturm". Wir hätten die Stricke nämlich durchgekaut und die Menschen hätten selbst entscheiden müssen, wo sie ihren Turm erichten wollen ...

Geschafft: Ein schöner, langer Spaziergang, mit mit Blick vom Deich hinaus in die weite Welt und vielen der vielleicht letzten warmen Sonnenstrahlen dieses Jahres im Fell ist zu Ende.

Falls euer Revier von Bergen umgeben sein sollte, und ihr neugierig geworden sein solltet, wie es ist, wenn man bis zu Horizont blicken kann, dann solltet ihr mal nach Bremerhaven oder ins Land Wursten kommen. Wer weiß: Vielleicht würden wir uns dann ja sogar einmal begegnen, bei einem Spaziergang am Deich ...

  • Das war ein "Gastbeitrag" von Cleo :)
    Cleo und ich wünschen euch einen schönen sonnigen Sonntag.

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