Montag, 8. Dezember 2014

COP20: Ungesagtes in Lima

Sollten die Emission der klimarelevanten Gase weiterhin dem derzeitigen Trend folgend um jährlich zwei bis drei Grad steigen, dann würde die mittlere globale Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um drei bis fünf Grad zunehmen.

Sofern die internationale Gemeinschaft sich doch noch ernsthaft dazu durchringen sollte, die mittlere globale Temperarur sicher unterhalb der kritischen "maximal plus 2 Grad"-Marke zu stabilisieren, dann müssten die Emissionen stattdessen jährlich um sechs Prozent zurückgehen. Dazu müsste allerdings sofort mit massiven Maßnahmen zum Klimaschutz begonnen werden.
  • Nur: Darüber wird in Lima gerade nicht gesprochen ...

Wissenschaftler, die sich mit physikalisch-mathematischen Rechenmodellen beschäftigen, mit deren Hilfe sie - abhängig von unterschiedlichen Grundbedingungen und Annahmen bezüglich zukünftiger Entwicklungen und Einflüsse - Trends der zukünftigen klimatischen Bedingungen auf unserem Planeten darstellen, sind derzeit noch vorsichtig optimistisch: Rein theoretisch könne es  gelingen, die kritische Marke bis 2100 noch einzuhalten ...


... möglicherweise

Die Voraussetzung dafür sei die zügige Umsetzung ehrgeiziger, nachhaltiger Klimaschutzmaßnahmen. Außerdem müsse es darüberhinaus mittelfristig auch zu "negativen Emissionen" kommen. Soll heißen, CO2 aus der Atmosphäre müsste in Wäldern gebunden werden. Dazu wäre es allerdings zwingend notwendig, den fortschreitenden Kahlschlag in den bestehenden tropischen Regenwäldern und die "Bewirtschaftung" der noch vorhandenen Urwälder in den gemäßigten Zonen - insbesondere auf der Nordhälfte unseres Planeten - auf der Stelle zu stoppen, sowie bereits verlorene Wälder unverzüglich massiv wieder aufzuforsten.

Die Realität ist jedoch bekanntlich eine völlig andere. Der Kahlschlag in den tropischen Regenwäldern schreitet nach wie vor rapide voran. Die ehemals natürlichen Lebensräume mit einer kaum vorstellbaren Artenvielfalt, Heimat einer großen Zahl indigener Völker, fallen den Monokulturen aus Palmölplantagen oder anderen "Energiepflanzen" zum Opfer. Beispielsweise wurde auf Sumatra im Zeitraum von 1985 bis 2007 in jeder einzelnen Stunde die Fläche von 88 Fußballfeldern vernichtet! Mit der Vernichtung ihres Lebensraums einher geht nicht nur die Ausrottung der "Waldmenschen" - den Orang Utans auf Borneo und Sumatra - sondern anderenorts auch der vielfältige Genozid an zahlreichen indigenen Völkern, deren Kultur und traditionelle Lebensweise von der intakten Umwelt ihrer Wälder abhängig ist.



Brasilien - mit schlechtem Beispiel voran

Auch Brasilien - Gastgeber der historischen Klimakonferenz in Rio de Janeiro 1992 und "Rio +20" (2012) - und gleichzeitig Sinnbild für die großflächige Zerstörung der tropischen Regenwälder - geht weiterhin mit schlechtem Beispiel voran. Für den "Belo Monte"-Staudamm am Rio Xingo sollen 500 Quadratkilometer Regenwald unter Wasser gesetzt werden. Der Weg vertriebener, ehemals souveräner indigener Völker, die lange Zeit - auch mit internationaler Unterstützung - gegen den Verlust ihrer Heimat gekämpft haben, in die Abhängigkeit von Almosen, Drogen, Prostitution und Alkoholismus ist vorgezeichnet. Davon betroffen sind etwa 30.000 Menschen - Angehörige der Völker der Kayapó, Arara, Juruna, Araweté, Xikrin, Asurini und Parakanã - sowie laut Auskunft der FUNAI, "möglicherweise einige unkontaktierte Indigene in der Nähe des Staudamms".

Derzeit ist die Existenz des indigenen Volkes der Mundurukú durch ein weiteres, geplantes Staudammprojekt im Amazonas Regenwaldgebiet - dem 8040 Megawatt Staudamm "São Luiz do Tapajós" - dem Untergang geweiht. Anstelle der Welt der Mundurukú sollen in der Region um São Luiz Industrieanlagen, Bergbaureviere und Aluminiumhütten entstehen. Den Strom für den Betrieb dieser Anlagen soll der Staudamm "São Luiz do Tapajós" liefern. Brasilien verstößt damit wiederholt nicht nur gegen nationales, sondern darüberhinaus auch gegen internationales Recht.

Mit ihren Booten sind die Mundurukú den Tapajós aufwärts nach São Luiz gefahren, um an der zukünftigen Baustelle gegen die millionenfache Abholzung der Bäume - und die damit einhergehende Vernichtung ihrer Heimat - zu demonstrieren. Bei ihrem Widerstand gegen die Regierung Brasiliens werden sie unter anderem von der Umweltschutzorganisation "Rettet den Regenwald" unterstützt und auch die Menschenrechtsorganisation "Survival International", die sich weltweit explizit für die Rechte indigener Völker einsetzt, hat die Verletzung der Rechte der Mundurukú öffentlich gemacht.


Der Irrweg der Technikgläubigen

Eher unrealistisch dürften die Visionen der technikgläubigen Träumer sein, die daran denken, die Luft aus der Umwelt über CO2-Filter zu leiten, um das in der Atmospäre vorhandene Kohlendioxid mithilfe der umstrittenen CCS-Technik, die bisher als Alibi für den weiteren Betrieb fossiler Großkraftwerke herhalten musste, unterirdisch zu speichern. Die Geschichte der geologischen Veränderungen unseres Planeten zeigt, dass es keine Garantie dafür gibt, dass unterirdisch in geologischen Formationen gespeichertes CO2 nicht eines Tages wieder an die Oberfläche und zurück in die Atmosphäre gelangt. Aus der jüngeren Vergangenheit gibt es darüber hinaus genug Beispiele dafür, dass sich Eingriffe in den Untergrund bereits nach kurzer Zeit negativ auf das Leben der Menschen auf der Erdoberfläche darüber auswirken können (Bergbau, Fracking, ...).

Das Wachstum der "entwickelten" Industriestaaten ging - und geht(!) - auf Kosten der "Entwicklungsländer" und auf Kosten der kommenden Generationen. Die "Entwicklung" der "unterentwickelten" Länder hin zu materiellem Reichtum und Wohlstand hat bisher noch immer die Zunahme klimarelevanter Emissionen zur Folge gehabt.
  • Auch über diese unbequeme Wahrheit
    wird in Lima nicht gesprochen.


    Das Gegenteil ist der Fall:
    Die Regierungen "aufstrebender Staaten", wie beispielsweise Indien oder China, sorgen dafür, dass ihr Weg aus der Armut, der ebenso zulasten des Klimaschutzes geht wie die industrielle Revolution in den "entwickelten" Ländern, in den Kurzfassungen der IPCC-Berichte nicht thematisiert wird.


Zum Weiterlesen


(Quellen: taz vom 05.12.2014 und vom 02.05.2014, Stiftung Unternehmen Wald, Survival International, KoBra, UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker, Rettet den Regenwald)

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