Sonntag, 17. Januar 2016

Wir haben es satt - zum 6. Mal

Unter dem Motto "Wir haben es satt" sind gestern in Berlin wieder mehrere tausend Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet im Rahmen einer Großdemonstration gegen die deutsche und europäische Agrarpolitik auf die Straße gegangen. Sie forderten unter anderem das Ende der Massenproduktion von Milch und Fleisch zu Dumpingpreisen und protestierten gegen das Höfesterben.

Zu der Großdemonstration hatte ein breites Bündnis aus mehr als 100 Organisationen aus Landwirtschaft, Imkerei, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz, Entwicklungsorganisationen und dem Lebensmittelhandwerk aufgerufen. Die Organisatoren vom Bündnis "Wir haben es satt" hatten 23000 Menschen gezählt, deren Demonstrationszug von von 130 Treckern angeführt wurde. Damit seien so viele Landwirte mit ihren Traktoren angereist, wie nie zuvor. Die Sicherheitskräfte sprachen von etwa 13500 Demonstranten.

Umwelt- und Agrarverbände sehen die Landwirtschaft am Scheideweg. Entweder lässt man die Politik gewähren und es geht auf direktem Weg in die Abhängigkeit von multinationalen Chemie-, Gentechnik- und Lebensmittelkonzernen, oder man setzt sich dagegen zur Wehr und versucht, die Existenzgrundlage der noch verbliebenen bäuerlichen- und ökologischen Landwirtschaftsbetriebe zu retten und die genetische Vielfalt unserer Nahrungsmittel zu bewahren.

Die Demonstranten forderten unter anderem eine genaue Herkunftskennzeichnung für Fleisch- und Milchprodukte, das Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft und einen gerechten Welthandel. Um multinationale Konzerne daran zu hindern, ihre bisher in der EU verbotenen gentechnisch veränderten- oder agrarchemischen Produkte mithilfe der Urteile von internationalen Schiedsgerichten (ISDS) in der EU zu vermarkten, richtete sich ihr Protest auch gegen die von der Politik angestrebten sogenannten "Frei"-Handelsabkommen TTIP, CETA und Co.

Der Demonstrationszug durch die Stadt endete mit einer Abschlusskundgebung vor dem Bundeskanzleramt. Herr Janßen (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Geschäftsführer) forderte die Bundsregierung auf, sich für eine ökologische Landwirtschaft einzusetzen. Er sagte: "Die Agrarindustrie haben wir satt." Diese setze auf steigende Exporte vor allem von Fleisch- und Milchprodukten zu Dumpingpreisen.

Die aktuelle Agrarpolitik der Bundesregierung ziele nur auf eine Steigerung der Exporte. Der dadurch hervorgerufene Preisverfall bedrohe die Existenz vieler Bauern. So hätten im gerade zu Ende gegangenen Jahr 2015 vier Prozent der deutschen Milchbauern ihren Hof aufgeben müssen. Auch in der Region sei ein kontinuierlicher Rückgang bei Zahl der Milchproduzenten zu verzeichnen.

Die Förderung von Agrarkonzernen müsse beendet werden. Anstelle der einseitigen Exportorientierung forderte Herr Janßen eine Qualitätsoffensive seitens der Agrarpolitik.


Agrarfabriken gibt es nicht ...

Vor dem Berliner Hauptbahnhof hatten sich unter dem Motto "Wir machen Euch satt" etwa fünfhundert Landwirte zu einer Gegendemonstration versammelt. Sie warben für eine "moderne" Produktion von Lebensmitteln und warfen den anderen Demonstranten "ideologische Voreingenommenheit" und "Diffamierung landwirtschaftlicher Unternehmen und ihrer Betreiber" vor. Unter dem Slogan "Redet mit uns statt über uns" forderten das Bündnis "Wir haben es satt" auf, mit der Agrarindustrie in einen Dialog zu treten.

Herr Lucht (Landwirt) sagte: "Wir wollen zu einem sachlichen Dialog zurückkehren. Wir haben in Deutschland immer noch eine bäuerliche Landwirtschaft, die angeprangerten Agrarfabriken gibt es nicht." (... und die Erde ist eine Scheibe)

Wenn Herr Lucht sagt, "noch" gebe es bäuerliche Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland, dann trifft das glücklicherweise zu. Wenn man allerdings von der Annahme ausgeht, dass - wie im Jahre 2015 - jährlich allein vier Prozent der deutschen Milchbauern ihren Betrieb aufgeben müssen, dann kann jeder für sich selbst ausrechnen, wie lange es die bäuerliche Landwirtschaft hierzulande wohl noch geben wird.


... - Wirklich nicht?

Tatsache ist ebenfalls, dass Mitte der fünfziger Jahre bereits die Vorgänger-Organisattionen der heutigen EU (Römische Verträge, EWG) einen gemeinsamen Agrarmarkt anstrebten. Als Mittel zum Zweck sollten unter anderem die "Modernisierung der Agrarstrukturen" und "standardisierte Agrarprodukte" dienen.

Rückblickend wurde mit der Festlegung auf "standardisierte Agrarprodukte" bereits damals die endgültige Einschränkung der Sortenvielfalt besiegelt. In weniger als einhundert Jahren sind mehr als drei Viertel der Vielfalt in der Landwirtschaft verloren gegangen. Heute kämpfen Menschen gegen die Politik und das Monopol- und Profitstreben multinationaler Konzerne darum, zu retten, was noch zu retten ist.

Mit dem Ziel, eine großflächige, industrielle Landnutzung(!) zu ermöglichen, führte die "Modernisierung der Agrarstrukturen" in Deutschland zur umfangreichen Ausräumung von Landschaftsbestandteilen. Die Folgen der sogenannten Flur-"Bereinigung" und der daraus resultierenden Zerstörung natürlicher bzw. naturnaher Lebensräume machen sich bis heute bemerkbar:
  • Verödung der Landschaft und Erosion infolge der Förderung von Monokulturen
  • aktuell die rasant zunehmende "Ver-Mais-ung" unserer Landschaft
  • Bienensterben infolge des massiven Einsatzes von Chemikalien (sogenannte Pflanzen-"Schutzmittel", hier die Gruppe der Neonicotinoide)
  • Verluste an Biodiversität als Folge der Rodung von Hecken und der Vernichtung von Ackerrandstreifen
  • Artensterben (beispielsweise gehört der früher einmal häufig anzutreffende Feldhamster inzwischen zu den gefährdeten Arten)
  • Kanalisierung von Bächen
  • Verluste von Auwäldern

Eine weitere Folge der "Modernisierung der Agrarstrukturen" ist die industrielle Massentierhaltung:
  • Eier-"Produktion" auf engstem Raum und das "Shreddern" bzw. Vergasen männlicher Küken (man muss das einmal gesehen haben, um wirklich verstehen zu können, was damit gemeint ist!)
  • Fleisch-"Produktion" unter massivem Einsatz von Hormonen und Antibiotika. Daraus resultierende Antibiotikaresistenzen von Krankheitserregern stellen inzwischen eine ernsthafte Bedrohung für die Humanmedizin dar. Infolge des steigenden Einsatzes von Hormonen in der "Schweineproduktion" und der daraus resultierenden enormen Steigerung der Ferkelzahl je Wurf kommen vermehrt Ferkel tot zur Welt oder sterben kurz nach der Geburt (BUND, Broschüre "Die Lügen der Agrarindustrie", Seite 7).

Tiere sind keine Produkte menschlicher Ingenieurskunst. Sie werden ebenso von Müttern geboren wie wir Menschen - oder sie schlüpfen aus Eiern, die ihre Mütter in ein Nest gelegt und ausgebrütet haben. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn Menschen die Eier aus den Nestern nehmen und in einem Brutschrank ausbrüten. Tiere sind unsere Mitgeschöpfe. Wenn wir schon darauf angewiesen sind, uns von ihnen zu ernähren, dann verdienen sie während ihres ohnehin nur kurzen Lebens zumindest unsere Achtung und dass wir fürsorglich mit ihnen umgehen.

Wer all das - und darüber hinausgehend auch noch die Forderungen einiger Agrarökonomen, den Einsatz gentechnisch veränderter Futter- und Nahrungspflanzen in Deutschland zuzulassen - ausblendet, der wird auch die "angeprangerten Agrarfabriken" nicht sehen können oder wollen. Da frage ich mich, wie in der Vorstellung Herrn Luchts wohl ein erfolgversprechnender Dialog der bäuerlichen Landwirtschaftsbetiebe - in der Regel sind das Familienbetriebe, viele davon seit vielen Generationen - mit der Agrarindustrie(!) zustande kommen soll.

Die sogenannte "moderne Agrarindustrie" begibt sich heute mehr und mehr in die Abhängigkeit multinationaler Chemie- und Agrarkonzerne. Ein Blick in die USA, wo die Landwirtschaft bereits seit Jahrzehnten am Tropf des multinationalen Chemie- und Gentechnik-Giganten "Monsanto" hängt, der auch schon diverse Versuche unternommen hat, mit seinen gentechnisch veränderten Pflanzen und darauf abgestimmten Pflanzenmassenvernichtungsmitteln in Europa Fuß zu fassen, sollte für die Landwirte und die Verbraucher hierzulande, sowie in Europa, eigentlich Warnung genug sein. Mit "konventioneller" oder "bäuerlicher" Landwirtschaft hat das nämlich nichts mehr zu tun - und mit biologischer Landwirtschaft schon gar nicht!

Die Verbraucher in den USA müssen die gentechnisch veränderten Lebensmittel essen, die auf ihre us-amerikanischen Tische kommen - ob sie das nun wollen, oder nicht: Die Möglichkeit, als vermeintlich "freie" Amerikaner frei darüber zu entscheiden, was sie essen wollen, haben sie schon längst verloren. Diese Freiheit ist ihnen bereits vor langer Zeit von multinationalen Konzernen wie "Monsanto" und Co. abgenommen worden.

Wenn wir in Deutschland und Europa nicht aufpassen und uns nicht dagegen zur Wehr setzen, dann konnte es uns in nicht allzuferner Zukunft ebenso ergehen. "Monsanto" wartet nur noch auf die Ratifizierung der sogenannten "Frei"-Handelsabkommen CETA und TTIP, um auch uns die Entscheidung darüber aus der Hand nehmen zu können, ob wir den Anbau gentechnisch veränderter Lebensmittel bei uns zulassen wollen oder nicht.


Eine "Fluchtursache"

Die Massenproduktion von Hühner- oder Schweinefleisch, für das es in Deutschland und Europa keinen Markt gibt, hat aber auch noch ganz andere Folgen. Zum Beispiel für die Menschen in Liberia, einem der ärmsten Länder Afrikas. Dorthin verramschen auch deutsche Firmen die Teile von Hühnern und Schweinen die bei uns niemand mehr essen will - und zerstören dort die Existenzgrundlage einheimischer Landwirte.

Erwin Wagenhofer hat in seinem Dokumentarfilm "We feed the World" bereits vor einigen Jahren gezeigt, dass Menschen, die in den Ländern Afrikas einmal von der Landwirtschaft gelebt haben, ihre Heimatländer verlassen und nach Europa auswandern, weil sie aufgrund europäischer Exporte nach Afrika in ihrer Heimat keine wirtschaftliche Perspektive mehr haben.

Gerade vor der aktuellen Diskussion über die Bekämpfung von Fluchtursachen ist das ein Problem, für das dringend eine politsche Lösung gesucht werden muss. Am einfachsten wäre es, den Export der Abfallprodukte - um nichts anderes handelt es sich bei den hierzulande unverkäuflichen Hühner- oder Schweineteilen - aus den Ländern der EU per Gesetz zu verbieten - und zwar nicht nur nach Afrika, sondern generell.


Mehr zum Thema:


(Quellen: Tagesspiegel vom 16.01.2016, Radio Berlin Brandenburg vom 16.01.2015, Spiegel vom 16.01.2016, Bündnis "Wir haben es satt", Wikipedia )

Samstag, 16. Januar 2016

Es gibt auch "Näher"

Bevor meine Mutter im Herbst des vergangenen Jahres in ihre neue Wohnung umgezogen ist, hatte sie eine lange Liste mit Dingen zusammengestellt, die sie nicht mitnehmen konnte oder wollte. Darunter befand sich auch ihre Nähmaschine. Die hat jetzt bei mir ein neues Zuhause gefunden.

Nachdem ich ausgiebig die - mit Blick auf heutige Verhältnisse - recht ausführliche Bedienungs- und Wartungsanleitung studiert und die in der Anleitung beschriebenen Stellen geölt hatte, habe ich mich erst einmal an alten Stoffresten ausgetobt, um ein Gefühl für die Maschine und die richtigen Einstellungen zu bekommen.

Als ich mir nach einige Zeit einigermaßen sicher war, dass wohl nichts schiefgehen würde, habe ich mein erstes Projekt in Angriff genommen: Eine Tasche für mein Smartphone. Zu kaufen gibt es dafür in Bremerhaven nur ein Klappetui mit dem das Display vor Beschädigungen geschützt ist. Im Sommer, wenn ich keine tiefe Jackentasche mehr dabei habe, möchte ich es aber gern am Gürtel tragen.

Deshalb hatte ich schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken gespielt, selbst eine Gürteltasche dafür anzufertigen. Mit der Nähmaschine meiner Mutter steht mir jetzt das notwendige Werkzeug dafür zur Verfügung.

Nachdem ich anfangs nur Anleitungen für einfache, oben offene Etuis gefunden hatte, die zudem explizit auf bestimmte Modelle zugeschnitten sind, bin ich dann auf eine Video-Anleitung gestoßen, die mit der Erstellung eines Schnittmusters - passend für jedes x-beliebige Mobiltelefon - beginnt und außerdem äußerst gut verständlich erklärt, wie eine Tasche mit einer Verschlußlasche genäht wird. Die Haltevorrichtung für die Befestigung der Tasche am Gürtel habe ich selbst hinzugefügt. Das Ergebnis meiner ersten "richtigen" Nähversuche seht ihr hier:

Mein 1. Projekt mit der Nähmaschine: Eine Smartphonetasche

Nur mal so nebenbei bemerkt: Es amüsiert mich immer wieder, dass sich die Artikel im Internet, die sich mit Nähmaschinen oder Nähanleitungen beschäftigen in der Regel an die "Liebe Näherin" wenden. Männern trauen die Verfasser/innen den Umgang mit einer derart komplizierten Technik offenbar nicht unbedingt zu. - Es lebe das Rollenklischee ;)

Für alle, die sich dafür interessieren: Die Anleitung für die Smartphone- (oder auch "Handy"-Tasche) gibt es hier. Falls sich die eine oder der andere gefragt haben sollte, was ich in den letzten beiden Wochen  gemacht habe, sollte die Frage hiermit wohl beantwortet sein :)

Montag, 4. Januar 2016

Was lange währt ...

... wird endlich gut: Die Internetseiten der Quartiersmeisterei Lehe sind online. Zwar hat die Quartiersmeisterei bisher auch ohne Internetauftritt gute Arbeit geleistet, aber jetzt können sich auch die anderen Bremerhavener, die nicht im E-Mail Verteiler der Quartiersmeisterei sind, über Termine, Veranstaltungen und aktuelle Projekte informieren.

Eine gute Gelegenheit, andere Menschen aus dem Quartier kennenzulernen ist beispielsweise die Veranstaltungsreihe "Nachbarn im Goethequartier", die in diesem Monat in der Moschee in der Potsdamer Straße 30 stattfinden wird ...

Freitag, 1. Januar 2016

2015 - Das war's ..

Mit "Prost Neujahr" stoßen die Menschen hierzulande auf das kommende Jahr an und wüschen einen "Guten Rutsch". Das Alte liegt hinter ihnen. Einige haben vielleicht Schicksalsschläge zu verkraften gehabt, andere sind besorgt wegen des Klimawandels oder wegen der zahlreichen Kriege an vielen Brennpunkten in der Welt ... - und so hoffen sie auf bessere Zeiten im neuen Jahr. So war es auch am Sylvesterabend des Jahres 2014 ...

Das Jahr 2015 war gerade einmal 7 Tage alt, als ein barbarischer Anschlag islamistischer Terroristen auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" in Paris die Hoffnungen vieler Menschen auf bessere Zeiten in Blut ertränkte. Nach dem Anschlag schrieb eine junge Französin auf dem "Place de la République" in Paris immer wieder die gleichen Worte in ein Schulheft: "Tinte muss fließen und kein Blut." Im ARD-Brennpunkt vom 08.01.2015 sagte sie: "Menschen sind gestorben, aber die Meinungsfreiheit ist nicht tot."

Zumindest was die Staaten mit freien demokratischen Gesellschaften angeht hat sie damit - bisher - Recht behalten. Allerdings nutzen auch dort die Regierungen den Terror in der Welt, indem sie mit dem allgemeinen Totschlagsargument "Terrorismusbekämpfung" versuchen, demokratische Grundrechte einzuschränken, um ihre eigene Macht zu stärken. Ein unschönes Beispiel dafür, wohin das führen kann, ist Putin's Russland, wo Demonstranten inzwischen riskieren, für mehrere Jahre im Gefängnis zu verschwinden - oder ermordet zu werden.


Der Krieg in Syrien ist bei uns angekommen

Aus dem syrischen Bürgerkrieg gegen das Assad-Regime ist längst ein Krieg der Terrormilizen des IS gegen das nach Freiheit strebende syrische Volk geworden. Es ist noch nicht allzulange her, da schien es, als seien Syrien und die Gräueltaten des IS "weit weg". Das änderte sich im Verlauf des Jahres 2015, als die Zahl der Menschen die vor dem Terror des IS in Syrien bei uns Zuflucht suchen, dramatisch zunahm.

Das wiederum machen sich die Hetzer am äußersten rechten Rand unserer Gesellschaft zunutze, um unterschwellige Ängste vor einer "Islamisierung des Abendlandes" zu schüren. Das Resultat ist eine steigende Anzahl von Anschlägen gegen Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünfte. Auf der anderen Seite gibt es jedoch glücklicherweise eine überwältigende Welle der Hilfsbereitschaft, die den Menschen, die den Terroregieme des IS entkommen konnten, das Gefühl geben, in der Fremde willkommen zu sein. Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer hätte die Bundesregierung der - eigentlich nicht sehr überraschenden - Flüchtlingswelle wohl ziemlich hilflos gegenübergestanden.


Für Frankreich endete das Jahr 2015, wie es begonnen hatte. Am 13. November wurden in Paris 132 Menschen ermordet und 352 weitere verletzt, als Terroristen im Namen des IS zeitgleich wahllos auf die Besucher von Cafés und eines Konzerts schießen. Zuvor gab es eine Explosion in der Nähe des Stadions "Stade de France" im Norden der Stadt, als dort gerade ein Fußballspiel mit Mannschaften aus Deutschland und Frankreich stattfand.

Nur einen Tag zuvor waren bei einem Anschlag des IS in einem überwiegend von sunnitischen Muslimen bewohnten Stadtteil der libanesischen Hauptstadt Beirut 44 Menschen getötet und 239 verletzt worden.

Am 10.10.2015 kamen bei einem Anschlag in der türkischen Hauptstadt Ankara 102 Menschen ums Leben und mehr als 500 wurden verletzt, als sich zwei Selbstmordattentäter des IS während einer Demonstration linker und prokurdischer Gruppen in die Luft sprengten. Wie es heißt, soll einer der Attentäter kurz zuvor "Allahu akbar" (Gott ist groß) gerufen haben. Am 31.10.2015 kamen alle 224 Menschen an Bord eines russischen Airbus 321 bei einem Bombenanschlag des IS über der Sinai-Halbinsel (Ägypten) ums Leben.


Raketen gegen Selbstmordattentäter?

Das Handelsblatt berichtet am 17. November auf seiner Internetseite über die Anschlagsserie unter dem Titel "Paris, Ankara, Sinai, Libanon - IS-Terror im Wochentakt". Immer wenn das von den Extremisten ausgerufene "Kalifat" militärisch in Bedrängnis gerate, würden die Terrormilizen des IS würden ihre Macht weit über die Grenzen ihres direkten Einflussbereichs hinaus demonstrieren. Der IS brauche militärische Erfolge und spektakuläre Terrorakte, um sich die Gefolgschaft seiner Anhänger zu sichern.

Vor diesem Hintergrund macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, eine große High-Tech Militärmaschinerie in Bewegung zu setzen, um den IS in Syrien und im Irak zu besiegen. Vielleicht kann es einer internationalen Militäroffensive gelingen, die Kontrolle in den beiden Ländern zu erlangen. - Gegen unerkannt aus dem Untergrund heraus operierende Terroristen und Selbstmordattentäter nützen jedoch weder Panzer und Kanonen noch viele milliarden Dollar teure Kampfflugzeuge, Marschflugkörper und Raketen.

Diese bittere Lehre hätten diejenigen, denen jetzt wieder nichts besseres einfällt, als sich Hals über Kopf in einen neuen Krieg zu stürzen, eigentlich aus den militärischen Debakeln im Irak und in Afghanistan ziehen sollen. Es bleibt nicht aus, dass dabei auch unbeteiligte Zivilisten zu Schaden kommen, die sich dann gegen die Angreifer wenden, die ihre Häuser zerstört und ihre Familienangehörigen, Freunde oder Nachbarn getötet haben. Das angestrebte Image des "Befreiers" ändert sich dann schnell in ein Image des "Besatzers". Das wiederum treibt letztlich viele von ihnen in die Arme ihrer Unterdrücker - und produziert möglicherweise neue Terroristen.


Irrweg "grenzenloses Wachstum"

Ich habe auch kein Patentrezept mit einer schnellen Wirkung gegen internationalen Terrorismus. Ich weiß nur, dass waffenstarrende Armeen machtlos dagegen sind und niemand davor sicher ist - auch wenn der eine oder andere Anschlag infolge glücklicher Zufälle verhindert werden kann, wird es den radikalen Fanatikern immer wieder gelingen, sich irgendwo ohne Vorwarnung inmitten vieler unschuldiger Menschen in die Luft zu sprengen.

Das einzige, was auf lange Sicht wirksam ist, wären fundamentale Verbesserungen der Lebensumstände der Menschen. Wenn es den Menschen gut geht, wenn sie genug zu essen, Kleidung und ein Dach über dem Kopf haben und wenn sie sich das eine oder andere leisten können, dann wird dem Terrorismus der Nährboden entzogen. Um das zu erreichen müsste aber wohl das gesamte Weltwirtschaftssystem komplett reformiert werden. Mit den knapper werdenden natürlichen Resourcen unseres Planeten kann das Prinzip des ewigen Wirtschaftswachstums in den reichen Industriestaaten nicht mehr funktionieren: Wenn etwas wachsen soll, dann muss ihm etwas hinzugefügt werden.

In der heutigen globalisierten Welt geht unser Wachstum inzwischen längst zulasten der Mehrheit der ohnehin schon ärmeren und armen Länder in der Welt. Vielleicht würde es schon helfen, das Dogma "Wachsum" gegen ein Prinip des "Teilens" auszuwechseln. Wenn der Reichtum der Welt nicht einer raffgierigen Minderheit, sondern allen Menschen zur Verfügung stünde, könnten alle Menschen überall auf unserem Planeten gut leben.

Auch deshalb sind die sogenannten "Frei"-Handeslsabkommen TTIP, CETA, TISA, TPP etc. die derzeit von Regierungen zugunsten der Profite internationaler Konzerne und zulasten grundlegender demokratischer Rechte bisher noch souveräner Staaten vorangetrieben werden, ein Weg in die Sackgasse. Dass die Regierungen damit gegen den Willen der betroffenen Bürger handeln, zeigen beispielsweise die mehr als 3 Millionen Unterschriften für die selbstorganisierte Bürgerinitiative "Stop TTIP!" und hunderttausende Menschen, die in Europa gegen TTIP, CETA, TISA und Co. auf die Straße gegangen sind.


(Gem)einsam gegen den Klimawandel (?)

Angesichts der drohenden Klimakatastrophe geht es ohnehin nicht mehr darum, wer am Ende mehr hat. Es geht um nichts weniger, als um unser gemeinsames Überleben auf unserem gemeinsamen Planeten, dessen Lebensgrundlagen dem Wachstumswahn der "reichen" Industriestaaten zum Opfer zu fallen droht. Schon deshalb ist eine Reform der Weltwirtschaft dringend erforderlich. Wenn "wir" so weitermachen, wie bisher, wird es am Ende nur Verlierer geben.

Auch wenn es nicht die erhoffte radikale Kehrtwende im Kampf gegen den Klimawandel und die damit einhergehende globale Erwärmung gebracht hat, ist das Abkommen, das im Dezember im Rahmen der internationalen Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris (COP 21) zustande kam, immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Das wesentliche Hindernis war aber auch hier wieder das kleinstaatliche Denken und die Sicherung der "eignenen Resourcen" im Angesicht der uns alle betreffenden globalen Bedrohung unserer gemeinsamen Lebensgrundlagen.

Damit schließe ich meinen diesjährigen Jahresrückblick. Klar: Es gibt noch sehr viel mehr, was ich hier hätte auflisten können. Aber die Gewalt im Nahen Osten und ihre Auwirkungen hierzulande, die Auseinandersetzung mit TTIP, CETA und den zu erwartenden Folgen für unser Leben, sowie der besorgniserregend voranschreitende Klimawandel sind die Themen, die mich am meisten beschäftigt haben. Daneben gab es auch für mich persönlich einige Veränderungen während des zurückliegenden Jahres - darunter zwei Umzüge (mein eigener und der meiner Mutter), die mich über einen längeren Zeitraum hinweg in Anspruch genommen haben. Auch wenn es Themen genug gab, fehlte mit oftmals schlicht die Zeit für eine umfassende Recherche und zum Schreiben.