Donnerstag, 3. März 2016

Glyphosat: EU-Kommission ignoriert Vorsorgeprinzip


Roundup (Glyphosat) - Das stille Gift (ZDF-Zoom)

Glyphosat, das ist ein Pflanzenvernichtungsmittel das kürzlich wieder einmal Schlagzeilen machte, weil das Umweltinstitut München über Glyphosat-Messwerte in deutschen Bieren berichtete, die um bis zum dreihundertfachen über dem Grenzwert für Trinkwasser liegen.

Glyphosat ist, vom Standpunkt der Pflanzenwelt aus betrachtet, ein Massenvernichtungsmittel. Bis auf einige gentechnisch veränderte - und dadurch glyphosatresistente - Nahrungspflanzen tötet es alle Pflanzen, die damit in Kontakt kommen.

Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Glyphosat gerade als "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen" eingetuft worden. In der Europäischen Union gilt für die Zulassung potentiell gefährlicher Stoffen das Vorsorgeprinzip. Das heißt, ein Stoff, der im Verdacht steht, gesundheitsgefährdend zu sein, darf in der EU solange nicht zugelassen werden, bis seine Unschädlichkeit zweifelsfrei nachgewiesen ist.

Dass die Unschädlichkeit von Glyphosat für die menschliche Gesundheit zweifelsfrei nachgewiesen ist, kann man angesichts der Bewertung durch die WHO nun wirklich nicht behaupten. Trotzdem will die EU-Kommission dem Pflanzengift Anfang der kommenden Woche eine Zulassung für 15 Jahre(!) erteilen.

Nichtregierungsorganisationen wie "Foodwatch", "Global 2000", "Campact" oder "Rettet den Regenwald" gehen dagegen auf die Barrikaden. "Foodwatch" hat eine E-Mail-Aktion an die Adresse von Herrn Vytenis Andriukaitis (EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) ins Leben gerufen. Auf ihrer Internetseite stellt die Verbraucherschutzorganisation einen vorgefertigten Text mit folgendem Wortlaut zur Verfügung (Zitat):
Sehr geehrter Herr Andriukaitis,
die Europäische Union muss in Kürze über eine neue Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat entscheiden, der in vielen Unkrautvernichtungsmitteln eingesetzt wird. Ich fordere Sie auf, diese Zulassung nicht zu erteilen.
Die Wissenschaft liefert keine eindeutige Risikobewertung: Die Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält Glyphosat für „wahrscheinlich krebserregend“ beim Menschen, die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) kommt zu einer anderen Einschätzung. In dieser Situation muss das Vorsorgeprinzip aus der EU-Basisverordnung 178/2002 greifen. Das bedeutet: Solange die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat wissenschaftlich umstritten sind, muss im Zweifel zum Schutze der Verbraucherinnen und Verbraucher gehandelt werden. Ein Risiko für die Gesundheit der Menschen darf nicht eingegangen werden. Für eine Neuzulassung von Glyphosat fehlt also die Grundlage.
Sehr geehrter Herr Kommissar, bitte wenden Sie das Vorsorgeprinzip konsequent an. Das heißt: 
  • Glyphosat darf angesichts des wissenschaftlichen Streits nicht erneut zugelassen werden;
  • Grundsätzlich muss allen potenziell schädlichen Wirkstoffen für Pflanzenschutzmittel die Zulassung entzogen werden, sobald es substantielle Hinweise auf gesundheitliche Risiken gibt;
  • bei künftigen Zulassungsverfahren dürfen nur noch solche Einzelwirkstoffe und Präparate als Pflanzenschutzmittel zugelassen werden, die transparent und unabhängig toxikologisch bewertet wurden und bei denen keine substantiellen Hinweise auf gesundheitliche Risiken für die Verbraucherschaft vorliegen.
Mit freundlichem Gruß,
Die E-Mail kann mithilfe eines Formulars auf der Internetseite von "Foodwatch" abgeschickt werden.

Die Umweltschutzorganisation "Rettet den Regenwald" kümmert sich - wie ihr Name vermuten lässt - gewöhnlich um die Erhaltung weiter entfernt gelegene Lebensräume. In diesem Fall wird sie einmal sozusagen in eigener Sache - für unseren eigenen Lebensraum - aktiv. Ihre Petition richtet sich an die Verantwortlichen in der EU und der EU-Mitgliedsländer. Sie hat folgenden Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind sehr besorgt über die von der EU-Kommission angestrebte Verlängerung der Genehmigung von Glyphosat in der EU bis zum Jahr 2031.
Die Krebsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Glyphosat vergangenes Jahr als erbgutschädigend und potentiell krebserregend beim Menschen eingestuft.
Im Gegensatz dazu teilen die europäischen Behörden diese Einschätzung nicht. Dabei findet sich Glyphosat inzwischen in unseren Lebensmitteln wie Milch, Mehl, Brot und Bier.
Anstatt die Umwelt und die Gesundheit der Menschen vorsorgend zu schützen, folgen die EU-Lebensmittelbehörde EFSA und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit ihren Risikoanalysen vor allem den Wirtschaftsinteressen der Chemiekonzerne.
Hundert Wissenschaftler, darunter fast das komplette Team der IARC, erheben schwere Vorwürfe gegen BfR und EFSA. Sie weisen auf schwerwiegende Mängel in den Bewertungen, wissenschaftlich inakzeptables Vorgehen und fehlende Daten hin.
Bitte sorgen Sie dafür, dass die Genehmigung von Glyphosat in der EU NICHT verlängert wird. Bitte reformieren Sie auch die Risikoanalyse durch die staatlichen Behörden.
Mit freundlichem Gruß
Die Petition kann auf der Internetseite von "Rettet den Regenwald" online unterzeichnet werden.

Das demokratische Netzwerk "Campact" hat einen Appell gegen die Zulassung von Glyphosat initiiert, die sich an  den Bundesagrarminister und die Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister der Länder richtet. Der Appell lautet kurz und bündig (Zitat):
Glyphosat ist nach neuesten Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation WHO "wahrscheinlich krebserregend". Diese Warnung zu ignorieren wäre fahrlässig. Giftiges Glyphosat darf nicht länger auf unsere Äcker und in unser Essen gelangen.
Setzen Sie sich dafür ein, dass die EU Glyphosat die Zulassung entzieht! Engagieren Sie sich für eine Landwirtschaft, die ohne gesundheitsschädliche Gifte auskommt!
Der Appell kann auf der Internetseite des Netzwerks online unterzeichnet werden.

Die österreichische Umweltschutzorganisation "Global 2000" geht einen anderen Weg: Sie erstattet Strafanzeige bei den Staatsanwaltschaften von Wien und Berlin gegen die "Behörde für Lebensmittelsicherheit" (EFSA) der EU und das deutsche "Bundesinstitut für Risikobewertung" (BfR), das sich für seine Risikobewertung ursprünglich voll und ganz auf die Angaben des Glyphosatherstellers und Gentechnik-Konzerns "Monsanto" verließ. "Global 2000" schreibt dazu in einer E-Mail an ihren Verteiler (Zitat):
Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid. Rückstände finden sich in der Umwelt und in Lebensmitteln.

Im März 2015 wurde Glyphosat von der Internationalen Agentur für Krebsforschung und der Weltgesundheitsorganisation als wahrscheinlich beim Menschen krebserregend eingestuft.

In Widerspruch dazu schlugen das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung und die Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor, Glyphosat als nicht krebserregend zu klassifizieren. Damit ebneten sie den Weg für eine erneute Zulassung. Schon am 7. März sollen die EU-Mitgliedsstaaten über eine erneute Zulassung entscheiden.

Was ist hier passiert? Wir haben uns das genauer angeschaut und gravierende Mängel entdeckt.

GLOBAL 2000 erstattet Strafanzeige bei den Staatsanwaltschaften von Wien und Berlin. Mehr Informationen zur Anzeige finden Sie hier.
Auch in diesem Fall ist es wieder einmal so, dass die EU-Kommission und einige nationale Regierungen gegen die ureigensten Interessen der Bürger - die Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit gehört zweifelsfrei dazu - verstoßen. Sie ignorieren das in der EU-Gesetzgebung verankerte Vorsorgeprinzip, übernehmen kritiklos die Behauptungen der Hersteller bezüglich der Unbedenklichkeit ihrer Produkte und manipulieren Hinweise in Industrie-Studien hinsichtlich "signifikanter, dosisabhängiger Krebseffekte" zugunsten der Profite international operierender Großkonzerne. "Global 2000" schreibt dazu (Zitat):
Das BfR stellte fest, dass eine OECD-Leitlinien-konforme Auswertung in allen Industrie-Studien sifnifikante, dosisabhängige Krebseffekte zum Vorschein bringt, um dann unter grober Verletzung der einschlägigen OECD-Leitlinie und fundametaler wissenschaftlicher Prinzipien sämtliche dieser Krebsbefunde als irrelevant und zufallsbedingt zu verwerfen.
Es ist natürlich überhaupt nicht sicher, dass der vielfältige Protest der Bürger gegen die Absicht der EU-Kommission, sie der schleichenden Vergiftung durch ein "wahrscheinlich krebserregendes" Pflanzenvernichtungsmittel auszusetzen, Erfolg haben wird. Aber wenn wir Bürger das einfach so als gegeben hinnehmen, dann haben wir bereits verloren. Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als uns immer wieder gegen die ständigen Angriffe der EU-Kommission zur Wehr zu setzen - und dabei kommt es auf jeden Einzelnen von uns an.


Zum Weiterlesen

Global 2000:


(Quellen: Der Spiegel vom 25.02.2016, Donaukurier vom 02.03.2016, Campact, Umweltinstitut München )

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