Dienstag, 26. April 2016

Nach dem Super-GAU ist vor dem Super-GAU

Demonstration gegen die "Laufzeitverlängerung" (Berlin, 18.09.2010)
Als ich am 18.09.2010 in Berlin, zusammen mit etwa 100000 anderen Menschen, gegen die "Laufzeitverlängerung" der schwarz-gelben Bundesregierung unter der Leitung von Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) auf die Straße ging, mahnte dieses Schild zur Abschaltung aller Atomkraftwerke: "Einmal 'Tschernobyl' reicht!"

Der Super-GAU, der sich am 26. April 1986 im Block 4 der ukrainischen Atomkraftanlage "Tschernobyl" ereignete, lag damals etwa 24 Jahre zurück - beinahe ein viertel Jahrhundert. Bezogen auf ein Menschenleben war das schon eine recht lange Zeit.

Trotz heftiger Kritik aus der Bevölkerung und der Opposition setzten die CDU, die CSU und die FDP die von ihnen vorangetriebene "Laufzeitverlängerung" für die damals noch 17 Atomkraftwerke in Deutschland mit ihrer Mehrheit im Bundestag durch ...


Leider hat "Einmal 'Tschernobyl' ..." nicht gereicht. Nur sechs Monate nach der Demonstration in Berlin und fünf Monate nach dem Beschluss zur Umsetzung der "Laufzeitverlängerung" folgte mit den Kernschmelzen und Explosionen in mehreren Atomreaktoren der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima I" der zweite Super-GAU.
  • Wie viele Super-GAUs,
  • wie viele Quadratkilometer radioaktiv kontaminiertes Land und wie viele unbewohnbare Regionen,
  • wie viele Sperrzonen,
  • wie viele Atomflüchtlinge und wie viele Strahlen-Opfer und -Tote

    müssen es noch werden,
    bevor 'es reicht'?


Auch nach dem "Atommoratorium" und dem sogenannten "Atomausstieg" ist die Gefahr in Deutschland noch lange nicht gebannt. Noch immer sind hierzulande acht Atomreaktoren in Betrieb. Und selbst von den Atomkraftwerken, die sich - wie es die Atomkonzerne ausdrücken - im "Nichtleistungsbetrieb" befinden könnte es noch zu Kernschmelzen kommen, da die zuletzt in den Atomreaktoren verwendeten Brennstäbe noch über längere Zeiträume gekühlt werden müssen. Spätestens seit "Fukushima" sollte das jedem bewusst sein (ausgelagerte Brennstäbe im Kühlbecken des einsturzgefährdeten Blocks 4, vorrübergehender Ausfall der Kühlung), der in der Nähe eines "stillgelegten" Atomkraftwerks lebt.

Machen wir uns nichts vor: Solange in Deutschland, in einem unserer Nachbarländer oder sonst irgendwo auf der Welt noch ein Atomkraftwerk in Betrieb ist, schweben wir in ständiger Gefahr. "Tschernobyl" und "Fukushima" haben es gezeigt: Ein atomarer Super-GAU kann sich jederzeit und überall ereignen. Inzwischen ist es keine Frage mehr, "ob" es zum dritten Super-GAU kommen wird, sondern "wann" und "wo". In Anbetracht des fortgeschrittenen Alters der meisten Atommeiler ist eher früher, als später damit zu rechnen.


Fessenheim

Ein unschönes Beispiel dafür ist der GAU, der sich am 09.04.2014 in der 39 Jahre alten französichen Atomkraftanlage "Fessenheim" ereignete, der aber vom Betreiber heruntergespielt und von den französischen Behörden verschwiegen wurde. Dass der GAU nicht als Super-GAU endete ist nur einer spontanen Notmaßnahme des Kraftwerkspersonals und einer guten Portion Glück zu verdanken.

Fest steht, dass wir vor zwei Jahren nur ganz knapp am dritten Super-GAU in einem Atomkraftwerk vorbeigeschrammt sind. Die Atomkraftanlage "Fessenheim" liegt im Elsass, am Rhein, der dort die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland bildet. Bis zur Grenze zur Schweiz sind es nur wenige Kilometer.

Wäre es zur Kernschmelze und zum Super-GAU gekommen, dann hätten Basel, Mühlhausen, Colmar oder Freiburg im Breisgau in oder knapp außerhalb einer akkut zu evakuierenden Sperrzone gelegen. Im Umkreis von 30 km um die Atomkraftanlage leben 930.000 Menschen, im Ballungsraum Basel (Schweiz) 830.000 und im Ballungsraum Straßburg (Frankreich) 770.000 Menschen. Die Schweiz, Liechtenstein, sowie große Teile Frankreichs, Deutschlands, Österreichs - und möglicherweise auch Teile Italiens - wären - je nach Windrichtung und Wetterlage - radioaktiv kontaminiert worden.

Hätten die geschmolzenen Kerne auf die gleiche Weise gekühlt werden müssen, wie in Fukushima, dann hätte nur das Wasser des Rheins zur Verfügung gestanden. Der Fluss wäre bis zu seiner Mündung hochgradig radioaktiv kontaminiert gewesen und auch die Nordsee wäre nicht unverschont geblieben ...


Tihange, Doel

Weiteres Katastrophenpotential bergen die belgischen Atomkraftanlagen "Tihange" und "Doel". Auf der Internetseite der Huffington Post vom 02.04.2016 ist zu lesen, dass die Reaktorwände mittlerweile (Zitat) "unglaubliche 18 cm große Risse" aufweisen. Über diese Risse ist Ende des letzten Jahres viel in den Medien berichtet worden. Trotzdem - und trotz massiver Proteste aus der Bevölkerung, auch der Nachbarländer - hatte die belgische Atomaufsicht im Dezember 2015 grünes Licht für das Wiederanfahren der beiden Pannenmeiler gegeben - nachdem diese zuvor zwanzig Monate lang außer Betrieb gewesen waren.

Nach den Terror-Anschlägen in Brüssel machten die beiden Atomkraftanlagen auch im Zuge der Terrorgefahr Schlagzeilen: Kurz nach den Brüsseler Anschlägen wurden zahlreiche Mitarbeiter der belgischen Atomkraftwerke freigestellt, um die Gefahr eines Terroranschlags in einem der Atomkraftwerke zu verringern. Angenommen, infolge eines Terroranschlags in der Atomkraftanlage "Tihange" wäre es zu einem Super-GAU in unserem Nachbarland gekommen, dann wären auch Teile Deutschlands davon betroffen gewesen: Von "Tihange" bis Aachen sind es gerade einmal siebzig Kilometer ...



Aktionstag rund um das Atomkraftwerk "Grohnde" (Minden, 2013)

Eine ungefähre Ahnung davon, womit im Falle eines Super-GAUs in einem Atomkraftwerk mitten in Deutschland zu rechnen wäre, vermittelten Aktionen zum zweiten "Fukushima"-Jahrestag im Umkreis um das Atomkraftwerk "Grohnde". Entsprechend der im "Atomausstieg" festgelegten Fristen wird "Grohnde" erst im Jahre 2021 stillgelegt werden. Dann wird es - sofern nichts dazwischen kommt - 37 Jahre lang in Betrieb gewesen sein. Zur Erinnerung: Der GAU in der Atomkraftanlage "Fessenheim" ereignete sich 39 Jahre nach der Inbetriebnahme ...


Der dritte Super-GAU mit
Brennelementen "Made in Germany"?


Aber selbst wenn irgendwann das letzte Atomkraftwerk Deutschlands einmal vom Netz geht, wird der Atomaustieg hierzulande noch längst nicht vollzogen sein. Ausgenommen vom "Atomausstieg" à la schwarz-gelb sind nämlich die beiden Atomfabriken in Gronau (Urananreicherungsanlage) und Lingen (Brennelementefabrik). Auch dann werden noch Atomtransporte auf unseren Straßen unterwegs sein, die das in deutschen Seehäfen angelandete radioaktive Rohmaterial für die Weiterverarbeitung zu den beiden Produktionsstandorten bringen. Weitere Atomtransporte sorgen dann dafür, dass die aus dem Uranhexafluorid hergestellten Brennelemente in europäischen Atomkraftwerken oder zur Verschiffung in den Häfen landen, um von dort aus an Atomkraftwerke in aller Welt geliefert zu werden. Dabei ist nicht auszuschließen, dass Brennelemente "Made in Germany" direkt in unserer Nachbarschaft oder sonst irgendwo in der Welt als hochradioaktive Schmelze im havarierten Atomreaktor irgendeines Atomkraftwerks enden und möglicherweise mit dem Fallout aus einer radioaktiven Wolke oder mit importierten Futter- oder Nahrungsmitteln zu uns zurückkommen könnten ...


"Tschernobyl" - 30 Jahre danach ...
   ... Die Atomkatastrophe dauert an


Nachdem - heute vor dreißig Jahren - der Atomreaktor im Reaktorblock 4 des Atomkraftwerks Tschernobyl explodiert war, wurde die Atomruine in einem "Sarkophag" aus Beton eingeschlossen, um die Umgebung vor der hohen Radioaktivität zu schützen. Der im November 1986 fertiggestellte und aus 7000 Tonnen Stahl und 410000 Kubikmeter Beton bestehende Sarkophag ist seit Jahren marode und droht irgendwann einzustürzen.

Bevor es so weit kommt, soll ein neues "Gehäuse" - das sogenannte "New Safe Containment" (NSC) - fertiggestellt sein, das den "Sarkophag" mit den darin eingeschlossenen radioaktiven Trümmern der Atomruine gegen die Umgebung abschirmen und im Falle des Einsturzes bzw. während der geplanten Abbrucharbeiten vor radioaktivem Staub schützen soll.

Da vorher noch einige Vorarbeiten notwendig waren, verzögerte sich der Baubeginn des NSCs bis Ende 2010. So musste vor allem der alte Sarkophag mit einer Lüftungsanlage ausgestattet werden. Außerdem wurde 2008 eine stützende Stahlkonstruktion an der Westseite des alten Sarkophags errichtet, die 80 Prozent des Dachgewichts trägt.

Die Dimensionen des mobilen Bauwerks sind gigantisch. Das Dach des 162 Meter langen NSC wird von Stahlbögen mit einer Spannweite von 257 Metern getragen, die auf Schienen neben der Atomruine aufgerichtet wurden. Die dafür notwendigen Hubarbeiten wurden im Oktober 2014 abgeschlossen.

Nach seiner Fertigstellung wird das NSC eine Höhe von 108 m aufweisen und 24.860 Tonnen auf die Waage bringen. Am 29. April 2015 wurde auf dem G7-Gipfel bekanntgegeben, dass der Bau des NSC im November 2017 abgeschlossen sein soll. Dann wird es auf den Schienen über die Ruine des havarierten Reaktorblocks gefahren werden. Das ganze soll die Umwelt dann für die nächsten 100 Jahre vor weiteren radioaktiven Kontaminationen schützen.

Die Gesamtkosten des Projektes in Höhe von bisher 935 Millionen Euro übersteigen die Finanzkraft der Ukraine bei weitem. 325 Millionen Euro werden alleine von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung finanziert. Während des G7-Gipfels einigten sich die Teilnehmer auf die Finanzierung weiterer 530 Millionen der 650 Millionen Euro, deren Finanzierung bis dahin noch nicht gesichert war.


  ... Grenzwertüberschreitungen in Deutschland

Aber einmal ganz abgesehen von den sicher irgendwie lösbaren finanziellen Problemen, die im Laufe der geschätzten Lebensdauer des NSC aber mit Sicherheit nicht geringer werden, bleiben die weitaus gravierenderen Probleme mit der langfistigen radioaktiven Kontaminierung weiter Gebiete in den Sperrzonen rings um die Atomruine weiterhin bestehen. Selbst in so weit vom Unglücksort entfernten Gebieten wie Deutschland, werden die Grenzwerte für den Verzehr von Pilzen oder Wild aus Regionen im Süden Deutschlands auch 30 Jahre nach dem Niedergang des Fallouts aus Tschernobyl noch überschritten.

Das "Umweltinstitut München" schreibt dazu auf seiner Internetseite, das ARD-Morgenmagazin habe am 26. September 2014 die hohe Belastung von Wildschweinen in Bayern thematisiert. Dabei sei auch kritisiert worden, dass den Bürgern entsprechende Belastungsdaten aus Datenschutzgründen vorenthalten würden. Das bayerische Umweltministerium habe ein Interview dazu abgelehnt. Offenbar sei es an den Messdaten, die von den Jägern weiter gegeben werden, nicht interessiert - und an einer Veröffentlichung schon gar nicht.

Daraufhin habe das "Umweltinstitut München" Kontakt zu den Jägern aufgenommen und angeboten, die Messdaten zu veröffentlichen. Auch ein engagierter Bürger und ehemaliger Strahlenschutzbeauftragter habe seine Daten zur Verfügung gestellt. Dessen Messdaten sowie die gesammelten Daten von bayerischen Jägern stellt das "Umweltinstitut München" auf seiner Internetseite in einer interaktiven Karte dar.

Im Text dazu heißt es (Zitat):
".. Mehr als 2000 Proben wiesen eine Cäsium-Belastung über dem Grenzwert von 600 Bq/kg auf, 141 Proben überschritten sogar die 10.000er Marke. Zehn Messwerte liegen überhalb von 16.000 Bq/kg, der Spitzenwert liegt bei 27.790 Bq/kg Cäsium. .." 
Da die Skala des privaten Messgerätes des "engagierten Bürgers" nur bis 10.000 Bq/kg reiche, seien in der Karte viele Messwerte mit 10.000 Bq/kg angegeben. Die tatsächlichen Werte könnten daher zum Teil wesentlich höher liegen.


All das lässt erahnen, was Japan mit seiner zerstörten Atomkraftanlage "Fukushima-1" (Dai-ichi) noch bevorsteht ... - und womit wir zu rechnen hätten, sollte es in Deutschland - oder in einem unserer Nachbarländer - zu einem atomaren Super-GAU kommen. Auch die radioaktiven Kontaminationen infolge des Uranabbaus, sowie das unlösbare Problem einer sicheren(!) Lagerung des weiterhin anfallenden hochradioaktiven Atommmülls über Zeiträume von Huntertausenden bis Millionen von Jahren hinweg(!) werden mit dem weiteren Betrieb der Atomkraftwerke von Tag zu Tag größer!

Angesichts der Gefahren und der unabsehbaren Langzeitfolgen, denen wir und unsere Nachkommen durch den verantwortungslosen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke auch weiterhin ausgesetzt sind, müssen die weiterhin betriebenen Atomreaktoren so schnell wie möglich stillgelegt werden. 2022 könnte es zu spät dafür sein. Deshalb:

  • Abschalten
    vor dem nächsten Super-GAU!





30 Jahre Tschernobyl, 5 Jahre Fukushima
  • Tschernobyl
    - Nach dem Super-GAU ist vor dem Super-GAU 



(Quellen: Huffingtonpost vom 02.04.2016, Deutschlandfunk vom 23.03.2016, Weser-Kurier vom 03.03.2016, Umweltinstitut München - Radioaktive Belastung von Waldprodukten, Atomkraftwerke Plag - Uranhexafluorid - UrananreicherungsanlageBrennelementefabrik, kernenergie.de, Wikipedia - New Safe Confinement )

AKW Esenshamm: Stillgelegt - alles gut?

Atomkraftwerk "Unterweser" (2014)
Mit der Stilllegung des Atomkraftwerks "Unterweser" - in der Region besser bekannt als "AKW Esenshamm" - ist die Radioaktivität noch längst nicht "verschwunden". Der BUND-Unterweser, die GRÜNEN Bremerhaven und die Fukushima-Mahnwache halten es für wichtig, die aktuelle Situation und die Planungsprozesse rund um den Rückbau des Atomkraftwerks, sowie die Plangungen für den Neubau eines "Zwischen"-Lagers für Atommüll auf dem Betriebsgelände des Atomkraftwerks auch von Bremerhaven aus im Blick zu behalten.

Lediglich etwa zwanzig Kilometer Luftlinie sind es von Bremerhaven bis zum Atomkraftwerk. Sollte es dort zu einem Unfall mit Freisetzung radioaktiver Stoffe kommen, wären wir möglicherweise auch in Bremerhaven nicht sicher vor den Folgen.

Die GRÜNEN Bremerhaven, der BUND-Unterweser und die Fukushima-Mahnwache informieren im Rahmen einer Veranstaltung in der Bremerhavener "Werkstatt 212" über den aktuellen Stand. Die Referenten sind im "Arbeitskreis Wesermarsch" (AkW) aktiv und bieten Informationen aus erster Hand.


AKW Esenshamm
Rückbau/Einschluß - Neubau Zwischenlager
20 Dissenzpunkte der regionalen Bürgerinitiativen des Arbeitskreiseses Wesermarsch (AkW) zu EON und zum Umweltministerium

Referenten:
Hans-Otto Meyer-Ott
Andreas Obermair
(Arbeitskreis Wesermarsch)
  • Am 28.04.2016
  • Um 19:00 Uhr

    In der "Werkstatt 212"
    Bürgermeister-Smidt-Str. 212
    ("Alte Bürger")


(Quelle: BUND-Unterweser /die GRÜNEN Bremerhaven /Fukushima-Mahnwache - gemeinsame Pressemitteilung vom 22.04.2016, Weser-Kurier vom 24.02.2016)

Samstag, 23. April 2016

Eine politische Ideologie

Frau von Storch (AfD, stellvertretende Parteivorsitzende, Europa-Abgeordnete) meint (Zitat): "Der Islam ist an sich eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist".

Der Programmentwurf des Bundesvorstands der "Alternative für Deutschland" (AfD) für ein Grundsatzprogramm der Partei fordere außerdem, Minarette und Muezzins in Deutschland zu verbieten. Herr Gauland (AfD Brandenburg, stellvertretender Parteivorsitzender) versuchte die Ausführungen seiner Parteikollegin noch etwas zu präzisieren (Zitat): "Der Islam ist keine Religion wie das katholische oder protestantische Christentum, sondern intellektuell immer mit der Übernahme des Staates verbunden. Deswegen ist die Islamisierung Deutschlands eine Gefahr."

Wenn die AfD Minarette und Muezzins in Deutschland verbieten will dann müsste sie konsequenterweise auch Kirchtürme und Glocken verbieten. Die Glocken hoch oben in den Türmen der Kirchen rufen die Christen schließlich ebenso zum Gottesdienst, wie die Muezzins aus der Höhe ihrer Türme die Muslime zum Gebet in die Moschee rufen.

Bisher habe ich ich noch nichts darüber gehört, ob die AfD auch die Symbole anderer Religionen, wie beispielsweise die der Hindus, der Buddhisten oder der Anhänger des Shintō verbieten will. Wundern würde es mich nicht, denn diese haben - historisch betrachtet - mit dem Christentum deutlich weniger gemeinsam, als der Islam.

Der Islam: Eine politische Ideologie, die unvereinbar mit dem Grundgesetz ist? Da haben die Frau von Storch und der Herr Gauland wohl etwas nicht so recht verstanden. Der Islam ist nämlich eine der drei großen monotheistischen Weltreligionen und hat den gleichen Ursprung wie das Juden- und das Christentum. Und: In Deutschland hat jeder Bürger das Recht entsprechend der Tradition seiner Religion zu leben. Im Artikel 4 des Grundgesetzes heißt es dazu (Zitat):
  1. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
  2. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

Wenn hier also eine politische Ideologie mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, dann sind es offensichtlich die gegen die Religion "Islam" gerichteten Vorstellungen und Absichten führender Parteimitglieder der AfD und das Grundsatzprogramm, welches die Partei Ende April beschließen will.


Beklemmende Parallelen

Herr Mazyek (Zentralrat der Muslime in Deutschland, Vorsitzender) sieht Parallelen zwischen der Islamfeindlichkeit der AfD und dem Antisemitismus der Nationalsozialisten. Erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gebe es in Deutschland wieder eine Partei, "die erneut eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiert und sie existenziell bedroht".

Bezüglich der ungeheuerlichen Dimension des millionenfachen Mordes an Menschen jüdischen Glaubens während der Herrschaft des Hitler-Regimes sollte man mit entsprechenden Vergleichen vorsichtig umgehen. Allerdings sind aus Kreisen der AfD auch schon gegen die Religionsgemeinschaft der Juden gerichtete Pläne bekannt geworden. So soll das rituelle Beschneiden von Jungen ebenso verboten werden, wie die als Schächten bezeichnete Praxis des Schlachtens von Tieren.

Wenn man schon einmal Aufnahmen aus Schlachthöfen in Deutschland und die Panik in den Augen der Tiere oder den Todeskampf mancher Tiere gesehen hat, die beispielsweise nach einem unpräzisen Bolzenschuss aus der Betäubung erwachen, während sie schon am Haken des Fließbands hängen, dann weiß ich nicht, was daran besser sein soll, als wenn Tieren mit einem Messer die Kehle durchtrennt wird. Davon ist bei der AfD in diesem Zusammenhang allerdings nicht die Rede.

Auch bezüglich des Themas Beschneidung kann man zwar grundsätzlich unterschiedlicher Meinung sein, aber seit Ende 2012 gibt es ein Gesetz, demzufolge Juden und Muslimen die rituelle Beschneidung unter Auflagen erlaubt ist.

Wenn die AfD jetzt am Recht von Muslimen und Juden auf die ungestörte Religionsausübung rüttelt, dann weckt das bei vielen Menschen beklemmende Erinnerungen an die Zeit kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und den darauf folgenden Beginn der Repressialien des Nazi-Regimes gegen die Juden. Wie das endete, ist hinlänglich bekannt.

Ich denke, die AfD begibt sich gerade auf einen Weg, der sich zu einer ernsthaften Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden in unserem Land zu entwickeln droht. Insofern teile auch ich die Befürchtungen Herrn Mazyeks.


(Quellen: Spiegel vom 18.04.2016, Süddeutsche Zeitung vom 18.04.2016, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.04.2016, Spiegel vom 17.04.2016, Die Zeit vom 17.04.2016, ARD Tagesschau vom 17.04.2016, Tagesspiegel vom 12.12.2013 )

Donnerstag, 7. April 2016

Doku "Wadim" im Deutschen Auswandererhaus


Wadim - Der Film (offizieller Trailer)

Die Erinnerung eines erwachsenen Menschen an seine Kindheit reicht im Allgemeinen etwa bis zu seinem fünften Lebensjahr zurück. Die Erinnerungen an die Zeit davor sind in der Regel bruchstückhafte Momentaufnahmen die gelegentlich situationsbedingt aus dem Nebel der Vergangenheit auftauchen und oftmals rasch wieder darin verschwinden.

So in etwa muss man sich wohl auch die frühesten Erinnerungen vorstellen, die Wadim mit seiner Kindheit in Hamburg verband. Dort hatte er die Schule besucht, ist zum Sport gegangen und war in der Ministrantengruppe. Er sprach deutsch, hatte deutsche Freunde und fühlte sich als Deutscher ...

Rückblende:
Als die Sowjetunion zerfiel fühlten sich Wadims russischstämmige Eltern in Lettland nicht mehr sicher. Zudem verweigerte Lettland den russischstämmigen Einwohnern die Staatsbürgerschaft, sofern sie diese nicht schon vor Beginn der sowjetischen Besatzung von 1940 innehatten. Als Staatenloser durfte Wadims Vater seinen Beruf als Polizist nicht mehr ausüben. 1992 emigrierte die Familie nach Deutschland. Damals war Wadim gerade sechs Jahre alt. Nachdem der Asylantrag der Familie abgelehnt worden war, folgten 13 Jahre zwischen Duldungen, Arbeitsverbot und Sammelunterkünften.

1998 schlossen Deutschland und Lettland ein Abkommen, mit dem Lettland sich verpflichtete, Staatenlose wieder aufzunehmen. Der Status der Duldung konnte nun jederzeit aufgehoben werden. Wadims Eltern brachen unter dem Druck zusammen und erkrankten an schweren Depressionen.

... Als die Ausländerbehörde 2005 versuchte, die Familie abzuschieben, schnitt Wadims Mutter sich die Pulsadern auf. Sein Vater kam in Untersuchungshaft. Wadim selbst wurde mit 18 Jahren als einziger aus einer Familie nach Lettland abgeschoben. Fünf Jahre lang versuchte er vergeblich, irgendwo unterzukommen. Nachdem er Riga verlassen hatte, verschlug es ihn nach Frankreich, nach Belgien und in die Schweiz. Erneut wurde er nach Lettland deportiert. Während dieser fünf Jahre war Wadim immer wieder heimlich - weil "illegal" - in Hamburg, um seine Familie zu besuchen. Als er im Januar 2010 zum letzten Mal nach Hamburg kam, beendete er seine aussichtslose Odysee auf den Schienen einer S-Bahn Linie. Wadim wurde 23 Jahre alt.


Wadim - ein Dokumentarfilm

Die Autoren und Filmemacher Carsten Rau und Hauke Wendler haben über das Schicksal Wadims einen Dokumentarfilm gedreht. Auf die - wie es in der Ankündigung heißt - "mehrfach preisgekrönte Dokumentation über das Leben eines jungen Mannes, der aus Deutschland abgeschoben wird und an der Suche nach einer neuen Heimat zerbricht", bin ich durch eine E-Mail aufmerksam geworden, die eine der vielen Initiativen, die im Goethe-Quartier des Bremerhavener Stadtteils Lehe aktiv und vernetzt sind, über die Verteiler geschickt hatte. Dass ich von der Ankündigung des Films auf diese Weise erfahren habe, ist sicher nicht verwunderlich, denn wir leben hier mit Menschen zusammen, die aus vielen verschiedenen Ländern zu uns gekommen sind.

Gezeigt wird der Film vom Arbeitskreis Migration und Flüchtlinge des Nord-Süd-Forums e.V. in Kooperation mit Pro Asyl, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dem Verein Literatur und Politik e.V, sowie dem Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven.

Möglicherweise werde nicht ruhig schlafen können, nachdem ich mir den Film angesehen habe. Ich werde trotzdem hingehen ...

"WADIM"
Ein Dokumentarfilm von Carsten Rau und Hauke Wendler

Der Film ist zu sehen
  • Am 14.04.2016
  • Um 19 Uhr
    im Deutschen Auswanderer Haus
    Bremerhaven, Columbusstraße 65
    Kinosaal "Roxy"


    Der Eintritt ist frei
    Einlass über den Nordeingang des Museums
    (Richtung Lloyd-Platz / Parkplatz)


Zum Weiterlesen:
  • taz vom 20.01.12:
    Ein Gespräch mit Wadims Betreuer anlässlich der Premiere des Dokumentarfilms "Wadim".
  • Katholisch.de:
    Carsten Rau und Hauke Wendler über ihren Film "Wadim"

"Wadim ist tot. Aber hier leben noch 87.000 Menschen, die gedultete Asylbewerber sind. Und wenn irgeneiner von unseren Zuschauern seinen Blick auf diese Menschen leicht ändern würde und vielleicht mal drüber nachdenkt, ob die Klischees, die er im Kopf hat nicht so ganz stimmen, dann, finde ich, hat der Film schon Erfolg gehabt."

Hauke Wendler
(Dokumentarfilm "Wadim", Autor)


(Quellen: Lettische Presseschau vom 12.01.2013, taz vom 20.01.12, Spiegel vom 20.04.2010 und vom vom 13.12.2011, Wadim - Der Film, Katholisch de )

Bienen: Schmidt will Neonikotinoid-Verbot aufweichen

Der Fluch der Neonikotinoide (ARD-Magazin "W wie Wissen" vom 11.09.2015)

Im Juli 2015 sagte Herr Schmidt (CSU, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft) noch (Zitat): "Bienenschutz hat höchste Priorität." und unterzeichnete eine Eilverordnung, die den Handel mit neonikotinoidhaltigen Insektiziden und das Aussäen von damit behandeltem Wintergetreide-Saatgut verbietet.

Unter anderem stören Neonikotinoide die Orientierung der Bienen, die deshalb den Rückweg zu ihrem Bienenstock nicht mehr finden. Bienenvölker ganzer Regionen sind damit zum Aussterben verurteilt. Darüber gibt es inzwischen mehrere Studien - darunter auch eine am 08.04.2015 veröffentlichte Studie des europäischen Forscher-Netzwerks Easac - die das belegen.

Eine weitere Studie des deutschen Zoologen und Neurobiologen Randolf Menzel zeigt auf eindrucksvolle Weise "Wie Pestizide (Neonicotinoide) die Navigation, die Tanz-Kommunikation und das Lernverhalten von Bienen verändern". Herr Menzel hat Bienen mit Radar Transpondern ausgerüstet um Flugrouten von Bienen aufzuzeichnen und die Orientierungslosigkeit von neonikotinoid-belasteten Bienen im Vergleich zu unbelasteten Bienen zu dokumentieren.

Inzwischen haben sich die Prioritäten des Herrn Schmidt grundlegend verändert. Jetzt will er das Verbot für Neonikotinoide, mit dem er einmal den "millionenfachen Bienentod" verhindern wollte, aufweichen. Der "Süddeutschen Zeitung" liegt der Entwurf einer  geplanten Verordnung vor derzufolge es Ausnahmen für den Einsatz der verbotenen Insektizide bei verschiedenen Getreidesorten, wie Winterweizen, Winterroggen oder Wintergerste geben soll.

Nicht nur die Imker sind darüber empört. In einem Artikel auf ihrer Internetseite vom 29.03.2016 zitiert die "Süddeutsche Zeitung" Herrn Ebner (die Grünen, Bundestagsabgeordneter, Agrarexperte) mit den Worten (Zitat): "Minister Schmidt riskiert mit dem Vorhaben fahrlässig den Schutz von Bestäubern." Herr Haefeker (Deutscher Berufsimkerverband - DBIB) erwartet vom Landwirtschaftsministerium, dass der Verordnungsentwurf umgehend zurückgezogen wird. Dieser ignoriere den Stand der Wissenschaft, der deutlich zeige, wie schädlich Neonicotinoide seien.

Allein die Agrarchemie-Konzerne BASF, Syngenta und Bayer, denen ihr Profit wichtiger ist, als der Schutz der Bienen und die Sicherstellung unserer Ernährung wird des Ministers Kehrtwende freuen.

Vermutlich wird Herr Schmidt sich gedacht haben, die Öffentlichkeit werde von seiner Kehrtwende schon nichts mitbekommen. Damit ihm bewusst wird, dass er sich diesbezüglich gründlich täuscht, hat das demokratische Netzwerk "Campact" einen Online Appell mit folgendem Wortlaut initiiert:
Sehr geehrter Herr Minister Schmidt,

die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig: Neonikotinoide sind mitverantwortlich für das Bienensterben. Sie selbst haben im letzten Jahr vor "millionenfachem Bienentod" durch die Pestizide gewarnt.

Daher fordere ich Sie auf: Handel und Aussaat von Saatgut, das mit Neonikotinoiden behandelt wurde, müssen vollständig verboten bleiben! Machen Sie keine Ausnahmen für Bienenkiller!

Der Appell kann auf der Internetseite von Campact online unterzeichnet werden.


Der BUND hatte vor einiger Zeit in einem Einkaufsratgeber auf die von Neonikotinoiden ausgehende Gefahr für die Bienen hinwiesen und war daraufhin vom Neonikotinoidhersteller "Bayer" verklagt worden. Infolge der immer deutlicheren Belege für die Kritik des BUND an den Neonikotinoiden, unterlag der Konzern vor Gericht: Der BUND darf weiterhin frei äußern, dass die neonikotinoidhaltigen Insektizide von Bayer "bienengefährdend" sind.

Das Vorgehen des Bayer Konzerns zeigt jedoch, dass die Agrarchemie-Konzerne nichts unversucht lassen, um Kritiker mundtod zu machen. Daher liegt der Verdacht nahe, dass auch die Kehrtwende Herrn Schmidts vom "Bienenretter" zur Konzernmarionette auf massive Intervention der Chemie-Konzerne zurückzuführen ist.

Andere Länder lassen sich nicht so einfach vor den Karren der Agrarchemie-Konzerne spannen. So hat beispielsweise die Nationalversammlung Frankreichs am 17.03.2016 die Konsequenz aus dem drohenden Aussterben der Bienen gezogen und ein Verbot von Neonikotinoiden beschlossen. Die Agrarchemie-Konzerne BASF, Syngenta und Bayer, denen der Schutz der Bienen und die Sicherstellung unserer Ernährung offenbar egal sind, werden über den Beschluss nicht sehr erfreut sein.


(Quellen: Süddeutsche Zeitung vom 29.03.2016, Neue Züricher Zeitung vom 18.03.2016, ARD-Magzin "W wie Wissen" vom 11.09.2015, Agrar Heute vom 22.07.2015, BMEL - Pressemitteilung vom 21.07.2015, WDR vom 23.04.2015, Die Zeit vom 23.04.2015, BUND - Pressemitteilung vom 11.03.2015, Campact )

Mittwoch, 6. April 2016

Mehr als Honig

Der Frühling ist da. Bald blühen die Obstbäume. Einige Monate weiter, im Herbst freuen wir uns dann über Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Pflaumen, Kirschen, Johannesbeeren, Stachelbeeren und vieles mehr. - Noch: Denn ohne Bienen, welche die Blüten bestäuben, gäbe es all das nicht. Und seit Jahren wird weltweit ein besorgniserregendes Massensterben von Bienenvölkern beobachtet ...

Wem die Bienen und damit eine der wichtigsten Grundlagen unserer Ernährung nicht egal sind und wer die Möglichkeit hat, das Fernsehprogramm des SWR zu empfangen, der sollte sich heute Abend den Dokumentarfilm "More than Honey" (mehr als Honig) ansehen. Ich denke, das ist ein wichtiger Film. Je mehr Menschen bewusst wird, was den Bienen und damit einer unserer wichtigsten Nahrungsgrundlagen droht, desto mehr von ihnen werden sich unter anderem auch für den Schutz der Bienen vor den gefährlichen Insektiziden aus der Gruppe der Neonikotinoide einsetzen.

"More than Honey - Bitterer Honig"
Dokumentarfilm von 2012
(Schweiz/Deutschland/Österreich)

Seit den frühen 2000er-Jahren kommt es weltweit zu einem massiven Bienensterben. Der Filmemacher Markus Imhoof begibt sich in seinem vielfach preisgekrönten Dokumentarfilm "More Than Honey - Bitterer Honig" auf die Suche nach den Ursachen des globalen Bienensterbens und fragt nach den Folgen für Mensch und Natur.

  • Südwestrundfunk
    heute, 06.04.2015
    23:25 Uhr


(Quellen: SWR, Wikipedia, More than Honey )