Samstag, 14. Mai 2016

Bundesregierung will Bürger-Windkraft abwürgen

Windkraftanlagen hinter dem Weserdeich bei Weddewarden (Bremerhaven)
Der Bundesregierung geht der Ausbau der Windenergie an Land zu schnell. Wenn der zügige Umbau der Energieversorgung auf Strom aus den klimaschonenden regenerativen Energiequellen Sonne, Wind und Wasser dafür sorgen würde, dass die Umsetzung der Energiewende früher zum Abschluss käme, als es der fossilen Industrie und ihrer politischen Handlanger lieb ist, dann würde es das frühere Aus der Braunkohle bedeuten, die aufgrund politischer Fehlentscheidungen der letzten Jahre gerade eine Renaissance erlebt.

Die Bundesregierung bereitet deshalb gerade die nächste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vor. Im Ursprünglichen EEG gab es keine Obergrenze für den Ausbau der regenerativen Energiequellen. Das änderte sich mit der Einführung von Obergrenzen (EEG-Novelle 2014: 2500 Megawatt pro Jahr). Bis 2025 sollen maximal 45 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Zur Zeit liegt deren Anteil bei 33 Prozent.

Zulasten des Klimaschutzes und der Schaffung von Arbeitsplätzen infolge des Ausbaus erneuerbarer Energien, soll der Anteil des klimaschonenden Stroms künstlich klein gehalten werden. Weitere Einschränkungen sollen jetzt mit der Umstellung von den bisher garantierten festen Einspeisevergütungen auf Ausschreibungen erreicht werden. Der günstigste Anbieter soll künftig den Zuschlag für neue Wind- oder Photovoltaik-Anlagen erhalten.

Wenn es die vielen kleinen privaten Initiativen oder Bürger-Genossenschaften nicht gegeben hätte, dann wäre die Energiewende noch längst nicht so weit fortgeschritten, wie sie es heute ist. Sie sind der Motor, der den Umbau des Energieversorgungssystems zum Vorzeigemodell für die ganze Welt gemacht haben. Mit der beabsichtigten Umstellung würde das Ende dieser Energiewende in Bürgerhand eingeläutet werden. Ausschreibungsverfahren sind langwierig und teuer. Am Ende bekommt einer der Anbieter den Zuschlag. Naturgemäß gehen deshalb die meisten Anbieter leer aus und bleiben auf ihren Kosten, die sie für die Ausschreibung aufgewendet haben, sitzen. Große, finanzstarke Konzerne können mit diesem Risiko leben - kleine Bürger-Genossenschaften können das nicht.

Dabei ist es aber gerade das in Deutschland marktbeherrschende Energieoligopol (Vattenfall, Eon, RWE und EnBW), das die Energiewende verschlafen hat und weiterhin auf fossile Energieträger und Atomstrom setzt. Während der Anteil an Kohle- und Atomstrom dieser vier großen Konzerne immer noch bei 83,9 Prozent*) liegt, haben sie inzwischen zumindest registriert, dass die Akzeptanz der Bürger für diese schmutzige, klimaschädigende Art der Stromerzeugung auf Kosten der Lebensbedingungen der nachfolgenden Generationen rapide zurückgeht. In der Werbung setzen sie deshalb zu 100 Prozent auf ihre "kleinen grünen Feigenblätter", deren Anteil an ihrem Strommix aber gerade einmal 14,2 Prozent*) ausmacht. Auf "neudeutsch" wird diese Art der Kundentäuschung gelegentlich auch als "Greenwashing" (sich grün /rein waschen) bezeichnet.


Anpassung der Ausbauziele ?!

Herr Gabriel (SPD, Bundeswirtschaftsminister) hat kürzlich gesagt, das Engagement der vielen kleinen Bürger-Genossenschaften für den Klimaschutz sei eine ernstzunehmende Konkurenz für die kleinen grünen Feigenblätter der des deutschen Energieoligopols. Deshalb sollten sie sich künftig im Rahmen von Ausschreibungsverfahren dem Wettbewerb stellen. Damit versucht Herr Gabriel von der Tatsache abzulenken, dass die geplante erneute Novelle des EEG lediglich dem Schutz und der Förderung der Braunkohleindustrie, sowie dem weiteren Hinauszögern des - aus Gründen des Klimaschutzes - ohnehin unausweichlichen Untergangs der fossil befeuerten Kraftwerke in Deutschland dienen soll.

Herrn Gabriel ist ausschließlich daran gelegen, dass die 'Ausbauziele für Wind, Sonne und Biomasse so angepasst werden, dass der festgelegte Korridor für den Ausbau nicht überschritten wird.' Um die "hohe Ausbaudynamik bei Wind an Land wieder auf den Ausbaupfad zurückzuführen", soll im ersten Quartal 2017 - zusätzlich zu den bereits genannten neuen Hürden - auch der garantierte Abnahmepreis für Strom aus Windenergieanlagen einmalig um 7,5 Prozent gesenkt werden.

Auf Drängen der CDU garantiert die geplante Novelle des EEG nicht einmal mehr, dass überhaupt noch Windanlagen an Land zugebaut werden dürfen. Eine so genannte "Mindestausschreibungs-Menge", die sicherstellen würde, dass die Zahl der im Gegensatz zu den Offshore Windparks kostengünstigeren Windkraftanlagen an Land noch zunimmt, ist nicht mehr vorgesehen. Bisher gab es zumindest eine garantierte Obergrenze.
  • Welch ein Irrsinn:
    Da soll die Zunahme des Anteils des klimafreundlichen Stroms aus regenerativen Energiequellen mit allen Mitteln der "politischen Kunst" abgewürgt werden, damit die besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke noch möglichst lange zur Beschleunigung der globalen Erwärmung beitragen können.
Richtig und notwendig wäre es, die Ausbauziele für Wind, Sonne und Biomasse so anzupassen, dass die Energiewende in Deutschland schnellstmöglich zum Abschluss kommt!

Ein Hoffnungsschimmer

Auch wenn es im Bundesrat unterschiedliche Ansichten darüber gibt, besteht dennoch Hoffnung: In elf der sechzehn Bundesländer gibt es ernsthafte Vorbehalte gegen die Pläne der Bundesregierung. Die zehn Bundesländer, in denen die Grünen an der Regierung beteiligt sind, werfen der Bundesregierung vor, mit dem Ausbremsen der regenerativen Energien die Vereinbarungen des Weltklimagipfels von Paris zu torpedieren. "Die Zeit" zitiert beispielsweise Herrn Habeck (Die Grünen, Schleswig-Holstein, Umweltminister) in einem Artikel auf ihrer Internetseite vom 12.05.2016 mit den Worten (Zitat):
"Bei allem Einigungswillen hat die Bundesregierung keinen Blankoscheck für die EEG-Novelle. Substanzielle Nachbesserungen der Vorschläge sind notwendig."

Herr Ramelow (Die Linke, Thüringen, Ministerpräsident) lehnt die bislang bekannt gewordenen Pläne der Bundesregierung zur Novelle des EEG generell ab. Die "Thüringische Landeszeitung" zitiert ihn in einem Artikel auf ihrer Internetseite vom 12.05.2016 mit den Worten (Zitat):
"Schon der Geist des Gesetzes ist falsch." 
Bezüglich der geplanten Regelungen zur Biomasse, mit denen die Landwirtschaft massiv benachteiligt werde, weil nur noch Förderungen bei Neubauten vorgesehen sind, sei er mit Bayern einer Meinung und würde mit Ministerpräsident Horst Seehofer gemeinsam darum streiten, dass Altanlagen nicht ausgeschlossen werden.

In einem Bericht des "Tagesspiegels" vom 24.04.2016 heißt es, Herr Untersteller (Die Grünen, Baden-Württemberg, Umweltminister) habe das Öko-Institut beauftragt zu berechnen, welchen Einfluss verschiedene Ausbaukapazitäten von Windkraftanlagen auf die EEG-Umlage hätten. Dabei sei herausgekommen, dass die Bürger dadurch kaum entlastet würden. Der Ausbau der Windenergie würde jedoch empfindlich beschränkt werden. Die Einsparung für einen Haushalt, der im Durchschnitt 3500 Kilowattstunden pro Jahr verbraucht, läge allenfalls bei etwa zwölf Euro. Dafür falle der Zuwachs der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen bis 2025 um ein Drittel geringer aus - "mit allen Konsequenzen für den Klimaschutz". Der Tagesspiegel zitiert Herrn Untersteller mit den Worten (Zitat):
"Wir haben das Weltklimaabkommen in Paris unterzeichnet und damit versprochen, weniger Treibhausgase zu produzieren. Dieses Versprechen, das wir künftigen Generationen gegeben haben, können wir nur mit Hilfe der Erneuerbaren einlösen. Es wegen 12 Euro zu riskieren, ist kaum nachvollziehbar. Was die Bundesregierung für die Novelle des EEG plant, die massive Einschränkung der Windkraft und damit der kostengünstigsten Technologie, ist ein Irrweg."


Appell
an die Ministerpräsidenten der Länder


Um den Ministern der Bundesländer den Rücken zu stärken, hat das demokratische Netzwerk Campact einen Online-Appell initiiert. Darin heißt es (Zitat):
An die Ministerpräsident/innen der Länder

Die Pläne der CDU für ein neues Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bedrohen die Energiewende - im Interesse der Kohle- und Atomkonzerne. Der Ausbau der Windenergie soll dort ausgebremst werden, wo er kostengünstig ist und häufig in Bürgerhand erfolgt: an Land.

Sorgen Sie dafür, dass jährlich weiterhin deutlich mehr als 2.500 Megawatt Windenergie an Land hinzugebaut werden dürfen. Nehmen Sie Bürgerenergieprojekte bis zu 18 Megawatt von der Ausschreibungs-Pflicht aus. Retten Sie die Bürgerenergiewende!

Der Appell kann auf der Internetseite von Campact online unterzeichnet werden ...

Damit die Bürgerenergiewende weiterhin eine Chance gegen die finanzstarken Konzerne hat, einigte sich der Bundesrat im April darauf, dass bürgerliche Bieter sich ohne Angabe eines Gebotspreises an den jeweiligen Ausschreibungsrunden beteiligen können und die Garantie eines Zuschlags erhalten. Der jeweilige Gebotspreis und damit die Förderhöhe würden sich dann nach dem höchsten Gebot bestimmen, das neben ihnen noch einen Zuschlag erhalten hat. Das Handelsblatt schreibt am 13.05.2016 auf seiner Internetseite, ein knapp dreistündiges Gespräch der Ministerpräsidenten mit Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) sei ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Ende Mai wolle sich die Runde erneut treffen, um über die EEG-Novelle zu verhandeln.


Kosten für Klimakiller kontra Klimaschutz
 (Quelle: Josef Göppel, CSU, MdB)
Die Preistreiberrei des deutschen Energie-Oligipols unter Verweis auf die EEG-Umlage ist so alt wie das EEG. Dazu lohnt sich ein Blick zurück in die Vergangenheit. Bereits vor etwa vier bis fünf Jahren schrieb Herr Göppel (CSU, MdB) in einem offenen Brief an "alle Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion" (Zitat):
"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bei der Debatte über Strompreiserhöhungen lohnt es sich, einen Blick auf die Entwicklung der letzten zwölf Jahre zu werfen. Im Jahr 2000 betrug der durchschnittliche Haushaltsstrompreis 14 Cent, bei einer EEG-Umlage von 0,2 Cent. Bis 2009 erhöhte er sich auf 23 Cent, obwohl die EEG-Umlage nur bei 1,3 Cent lag. Aktuell haben wir ein Verhältnis von 26 zu 3,6 Cent pro kWh (siehe Grafik “Haushaltsstrompreis und EEG-Umlage”). Der Großteil der Strompreiserhöhung fand also unbeeinflusst von der EEG-Umlage statt. ..."

(weiterlesen ...)

Daran hat sich bis heute nichts geändert - auch daran nicht, dass uns seitens der seit 2005 von der CDU/CSU dominierten Bundesregierung das EEG und die erneuerbaren Energien als Sündenbock für die steigenden Strompreise verkauft werden. Zur Erinnerung: Unter anderem wurde unter diesem Vorwand im Oktober 2010 mit tatkräftiger Unterstützung seitens der FDP die "Laufzeitverlängerung" für Atomkraftwerke durchgesetzt. Und heute ist es die SPD - in persona Herr Gabriel - die dafür verantwortlich ist, dass die derzeitige schwarz-rote Bundesregierung der Braunkohle-Industrie und den Betreibern der fossil befeuerten Großkraftwerke mithilfe von Milliardensubventionen eine Zukunft beschert, die - wenn die eigentlich dringend notwendigen Maßnahmen zum Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe ernst genommen und politisch tatsächlich durchgesetzt werden würden - eigentlich schon längst Vergangenheit sein müsste.

In einem Bericht der "Mittelbayerischen" vom 25.04.2016 beziffert Herr Kurzmann (Bund Naturschutz, Kreisgruppe Cham, Vorsitzender) die Subventionen für die Braunkohle mit sechs Milliarden Euro - das sind Steuergelder, die für die Bekämpfung des Klimawandels nicht mehr zur Verfügung stehen. Herr Kurzmann präsentiert in dem Bericht eine weitere Rechnung (Zitat):
"Effektiver Klimaschutz bis zum Jahr 2030 würde 30 Milliarden kosten. Wenn wir nichts tun, dann kostet es 800 Milliarden Euro."

Wären die sechs Milliarden Euro nicht in die Subventionen für die Braunkohle, sondern in nachhaltige Maßnahmen für einen effektiven Klimaschutz investiert worden, dann müssten dafür bis 2030 nur noch 24 statt 30 Milliarden Euro aufgebracht werden!


Zum Weiterlesen



*) Statista.com, Stand: 2015

(Quellen: Handelsblatt vom 13.05.2016, Thüringische Landeszeitung vom 12.05.2016, die Zeit vom 12.05.2016, Mittelbayerische vom 25.04.2016, Tagesspiegel vom 24.04.2016, Nachdenkseiten vom 09.08.2012, Josef Göppel, Campact - Windkraft und -5-Minuten-Info, Wikipedia )

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